Jahreshauptversammlung Aktionäre glauben nicht an Neustart der Deutschen Bank

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Achleitner im Verteidigungsmodus

Kritik kam unter anderem von Michael Seufert, Analyst bei der NordLB: Die Bank hinke ihren Konkurrenten mit dem Umbau des Geschäftsmodells drei bis fünf Jahre hinterher. "Während sie sich noch intensiv mit dem Eindampfen von Geschäftsbereichen beschäftigt, besetzt die Konkurrenz zunehmend die renditestarken Geschäftsfelder." Auch auf der Hauptversammlung äußerten sich Anteilseigner unzufrieden: "Das kann nur ein erster Schritt sein, dem weitere folgen müssen", sagte etwa Fondsmanager Ingo Speich von Union Investment, einem der größeren Aktionäre. Die Bank sei ein "Koloss auf tönernen Füßen". "Die Investoren brauchen klare Meilensteine, wie sich die Ankündigungen auf die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung auswirken."

Kritik entzündete sich nicht zuletzt an Aufsichtsratschef Paul Achleitner, den viele für das strategische und personelle Hin und Her bei der Bank verantwortlich machen. "An der Spitze des Aufsichtsrats braucht unser Unternehmen jetzt dringend einen effektivere Führung", sagte Hans-Christoph Hirt vom Aktionärsberater Hermes. "Leider sind die Ergebnisse ihrer Arbeit bislang wenig überzeugend." Deka Investment, der Vermögensverwalter der Sparkassen, hat die Geduld mit dem Kontrollgremium verloren: Der Umbau der Bank dauere nun schon sechs Jahre an - "erschwert durch diverse Strategiewechsel und immer erst sehr spätem Eingreifen".

Achleitner verteidigte die überraschende Auswechslung von John Cryan Anfang April. Das Kontrollgremium sei mit der Führung nicht mehr zufrieden gewesen, sagte der ehemalige Deutschland-Statthalter der US-Investmentbank Goldman Sachs. "Wir mussten handeln, auch wenn es ursprünglich nicht unsere Absicht war, so schnell den Wechsel herbeizuführen." Er habe "zunehmend Meinungsverschiedenheiten und Konflikte innerhalb der Führung zur Kenntnis nehmen" müssen. Der interne Kandidat Sewing sei die "erste Wahl" des Aufsichtsrats.

Im globalen Kräftemessen der großen Investmentbanken hat die Deutsche Bank nach der Finanzkrise den Anschluss verloren - nicht zuletzt, weil sie für Rechtsverstöße ihrer Investmentbanker hohe Strafen zahlen musste. Sewing will sich nun auf das Geschäft in Deutschland und Europa konzentrieren, die Vermögensverwaltung und das Privat- und Firmenkundengeschäft stärken. Wegen der Verschmelzung der Postbank mit dem Filialgeschäft der Deutschen Bank werden dort allerdings auch 6000 Stellen überflüssig. Sie sind in dem jetzt angekündigten Kahlschlag nicht enthalten.

Die Aktionäre erteilten Aufsichtsratschef Achleitner am Ende der Hauptversammlung einen Denkzettel: Achleitner erhielt lediglich 84,4 Prozent Ja-Stimmen, wie er selbst erklärte. Normal sind bei solchen Abstimmungen Ergebnisse von mehr als 90 Prozent. Der Anfang April entlassene Ex-Vorstandschef Cryan wurde mit 94,78 Prozent der Stimmen entlastet, der neue Chef Sewing, der schon seit 2015 Mitlied des Gremiums ist, bekam 94,58 Prozent der Stimmen.

Die mit Ablauf der Hauptversammlung ausscheidende IT-Chefin Kim Hammonds, die wegen ihrer Aussage, die Deutsche Bank sei das "dysfunktionalste Unternehmen", für das sie je gearbeitet habe, wurde mit 94,76 Prozent der Stimmen entlastet. Eine Entlastung oder Nicht-Entlastung hat keine rechtlichen Folgen, gilt aber als Vertrauens- beziehungsweise Misstrauensbeweis.

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