Jahreshauptversammlung Aktionäre glauben nicht an Neustart der Deutschen Bank

Christian Sewing, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank Quelle: dpa

Deutsche-Bank-Chef Sewing hat viel vor, um das Institut wieder auf Kurs zu bringen: Mitarbeiter kündigen, das Bilanzvolumen des Investmentbankings senken und das Vertrauen der Anleger zurückgewinnen. Doch reicht das?

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Neuer Boss, neuer Versuch - aber kein Vertrauensvorschuss der Aktionäre: Die Deutsche Bank läutet unter ihrem erst seit wenigen Wochen amtierenden Chef Christian Sewing eine weitere Sanierungsrunde ein und will sich dieses Mal auch an einen groß angelegten Jobabbau wagen. Sewing verkündete die Pläne am Donnerstag pünktlich zur Hauptversammlung. Demnach soll die Zahl der Vollzeitstellen von derzeit rund 97.000 binnen weniger Monate auf "deutlich unter 90.000" sinken. Allein im Handel mit Aktien, wo zuletzt die Erträge eingebrochen waren und das Institut der Konkurrenz seit Jahren hinterher läuft, soll rund ein Viertel der Jobs wegfallen.

Anleger sind aber offenbar nicht überzeugt, dass Besserung in Sicht ist: Mit einem Minus von fast sechs Prozent kurz vor Handelsschluss war die Deutsche-Bank-Aktie einer der schwächsten Werte im Dax und kostete noch kaum mehr als zehn Euro - so wenig wie zuletzt im Herbst 2016, als wegen einer drohenden hohen Milliardenstrafe der US-Behörden Zweifel an der Überlebensfähigkeit der Bank aufgekommen waren.

"Die aktuelle Ergebnislage lässt uns keine andere Wahl", erläuterte Sewing vor rund 4100 Aktionären in der Frankfurter Festhalle seine Pläne. Wie viele Jobs genau wegfallen sollen, sagte er nicht. Reuters hatte am Mittwoch von Insidern erfahren, dass die Bank anpeilt, etwa 10.000 Stellen zu streichen - die meisten davon im Investmentbanking vor allem in den USA und Großbritannien.

Sewings Vorgänger - der Investmentbanker Anshu Jain, das Deutsche-Bank-Urgestein Jürgen Fitschen und der britische Sanierungsexperte John Cryan - blieben die von wichtigen Aktionären geforderten harten Einschnitte immer wieder schuldig. Der neue Mann will das Investmentbanking nun radikal zusammenstreichen, unter anderem bei Dienstleistungen für Hedgefonds und im Handel mit Aktien und Anleihen. Das Bilanzvolumen der Firmen- und Investmentbank soll um mehr als 100 Milliarden Euro sinken. Das entspricht einem Zehntel des Bilanzvolumens der Sparte zum Ende des ersten Quartals.

Zwar begräbt die fast 150 Jahre alte Bank damit ihre einstigen Ambitionen, Teil der Weltspitze zu sein. An der globalen Aufstellung will Sewing aber nichts ändern. Die Deutsche Bank ist in 60 Ländern aktiv. "Wir stehen zu unserer Unternehmens- und Investmentbank und bleiben international – daran werden wir nicht rütteln", sagte er. "Wir sind Europas Alternative im internationalen Finanzierungs- und Kapitalmarktgeschäft. Aber wir müssen uns auf das konzentrieren, was wir wirklich gut können."

Auch auf der Kostenseite will er im Gegensatz zu manchem seiner Vorgänger keine Kompromisse machen und konzernweit die Ausgaben schneller und vor allem entschiedener senken. "Dabei sind derzeit keine größeren Verkäufe von Geschäftsteilen geplant." Durch die Stellenstreichungen, die 800 Millionen Euro kosten dürften, werde das Jahresergebnis 2018 "beeinträchtigt". "Auch im zweiten Quartal bleibt die Ertragslage herausfordernd", sagte Sewing. Nach Konzernangaben wird aber weiterhin ein Gewinn angepeilt - nach zuletzt drei Verlustjahren in Folge.

Achleitner im Verteidigungsmodus

Kritik kam unter anderem von Michael Seufert, Analyst bei der NordLB: Die Bank hinke ihren Konkurrenten mit dem Umbau des Geschäftsmodells drei bis fünf Jahre hinterher. "Während sie sich noch intensiv mit dem Eindampfen von Geschäftsbereichen beschäftigt, besetzt die Konkurrenz zunehmend die renditestarken Geschäftsfelder." Auch auf der Hauptversammlung äußerten sich Anteilseigner unzufrieden: "Das kann nur ein erster Schritt sein, dem weitere folgen müssen", sagte etwa Fondsmanager Ingo Speich von Union Investment, einem der größeren Aktionäre. Die Bank sei ein "Koloss auf tönernen Füßen". "Die Investoren brauchen klare Meilensteine, wie sich die Ankündigungen auf die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung auswirken."

Kritik entzündete sich nicht zuletzt an Aufsichtsratschef Paul Achleitner, den viele für das strategische und personelle Hin und Her bei der Bank verantwortlich machen. "An der Spitze des Aufsichtsrats braucht unser Unternehmen jetzt dringend einen effektivere Führung", sagte Hans-Christoph Hirt vom Aktionärsberater Hermes. "Leider sind die Ergebnisse ihrer Arbeit bislang wenig überzeugend." Deka Investment, der Vermögensverwalter der Sparkassen, hat die Geduld mit dem Kontrollgremium verloren: Der Umbau der Bank dauere nun schon sechs Jahre an - "erschwert durch diverse Strategiewechsel und immer erst sehr spätem Eingreifen".

Achleitner verteidigte die überraschende Auswechslung von John Cryan Anfang April. Das Kontrollgremium sei mit der Führung nicht mehr zufrieden gewesen, sagte der ehemalige Deutschland-Statthalter der US-Investmentbank Goldman Sachs. "Wir mussten handeln, auch wenn es ursprünglich nicht unsere Absicht war, so schnell den Wechsel herbeizuführen." Er habe "zunehmend Meinungsverschiedenheiten und Konflikte innerhalb der Führung zur Kenntnis nehmen" müssen. Der interne Kandidat Sewing sei die "erste Wahl" des Aufsichtsrats.

Im globalen Kräftemessen der großen Investmentbanken hat die Deutsche Bank nach der Finanzkrise den Anschluss verloren - nicht zuletzt, weil sie für Rechtsverstöße ihrer Investmentbanker hohe Strafen zahlen musste. Sewing will sich nun auf das Geschäft in Deutschland und Europa konzentrieren, die Vermögensverwaltung und das Privat- und Firmenkundengeschäft stärken. Wegen der Verschmelzung der Postbank mit dem Filialgeschäft der Deutschen Bank werden dort allerdings auch 6000 Stellen überflüssig. Sie sind in dem jetzt angekündigten Kahlschlag nicht enthalten.

Die Aktionäre erteilten Aufsichtsratschef Achleitner am Ende der Hauptversammlung einen Denkzettel: Achleitner erhielt lediglich 84,4 Prozent Ja-Stimmen, wie er selbst erklärte. Normal sind bei solchen Abstimmungen Ergebnisse von mehr als 90 Prozent. Der Anfang April entlassene Ex-Vorstandschef Cryan wurde mit 94,78 Prozent der Stimmen entlastet, der neue Chef Sewing, der schon seit 2015 Mitlied des Gremiums ist, bekam 94,58 Prozent der Stimmen.

Die mit Ablauf der Hauptversammlung ausscheidende IT-Chefin Kim Hammonds, die wegen ihrer Aussage, die Deutsche Bank sei das "dysfunktionalste Unternehmen", für das sie je gearbeitet habe, wurde mit 94,76 Prozent der Stimmen entlastet. Eine Entlastung oder Nicht-Entlastung hat keine rechtlichen Folgen, gilt aber als Vertrauens- beziehungsweise Misstrauensbeweis.

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