Jens Weidmann wird Aufsichtsratschef Ein echter Banker hätte der Commerzbank gutgetan

Beim früheren Bundesbank-Chef Jens Weidmann handelt es sich zwar um einen der schlausten Köpfe der deutschen Finanzszene Quelle: imago images

Ex-Bundesbank-Chef Jens Weidmann soll Aufsichtsratschef der Commerzbank werden. Das Problem: Er hat kaum Erfahrungen mit Großbanken und offenbart so ein grundlegendes Problem deutscher Aufsichtsräte. Ein Kommentar.

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Die einstmals dauerkriselnde Commerzbank hat ihren Glamour-Faktor zurück: Der frühere Bundesbank-Chef Jens Weidmann soll Mitglied in deren Aufsichtsrat werden. Und er soll im Mai sogar zum Nachfolger des bisherigen Oberkontrolleurs Helmut Gottschalk aufsteigen. Man kann diese Nachricht nun als größten Personalcoup des Instituts seit Langem interpretieren: Offenbar steht es um die Commerzbank nicht mehr so schlimm, wenn sich ein Finanz-Promi wie Weidmann auf sie einlässt. Tatsächlich sollte man sich dieser Interpretation besser nicht hingeben.

Vielmehr offenbart Weidmanns Berufung ein Defizit der Bank: Ihr ist es mal wieder nicht gelungen, den so wichtigen Posten adäquat zu besetzen. Stattdessen steht Weidmann für die problematische Personalpolitik im Commerzbank-Aufsichtsrat – und für ein Kernproblem deutscher Kontrollgremien. Dort agiert allzu oft ein illustrer Personenkreis, der das Kerngeschäft eines Unternehmens jedenfalls nicht aus eigenem Erleben kennt.

Sicher: Weidmanns Vorgänger, der noch amtierende Aufsichtsratschef Gottschalk, war keine Traumbesetzung. Der Mann ist 71 Jahre alt und musste im Frühjahr vergangenen Jahres einspringen, als sein ebenfalls im Rentenalter befindlicher Vorgänger erkrankte, der auch schon eine Notlösung gewesen war. Gottschalk und sein Vorgänger sind also selbst Sinnbilder für die vielen unglücklichen Commerzbank-Aufsichtsratspersonalien: Wieso installierte der Bund, der seit der Finanzkrise der größte Aktionär des Geldhauses ist, immer wieder alte Männer an der Aufsichtsrats-Spitze, die den Posten absehbar nur wenige Jahre ausüben konnten?

Nach Jahren des Siechtums profitiert die Commerzbank unter ihrem Chef Manfred Knof von steigenden Zinsen. Doch neue Probleme könnten die Freude darüber schon bald wieder trüben.
von Lukas Zdrzalek

Immerhin waren Gottschalk und sein Vorgänger Banker, die selbst in Geldhäusern gearbeitet hatten. Dabei warfen selbst Gottschalk interne Kritiker vor, zu wenig von einer Großbank zu verstehen, weil er bloß eine Genossenschaftsbank geleitet hatte. Wie soll das erst bei Weidmann werden, den der Bund ebenfalls auf dem Posten installiert hat?

Beim früheren Bundesbank-Chef handelt es sich zwar um einen der schlausten Köpfe der deutschen Finanzszene. Er hat Volkswirtschaftslehre studiert und an der renommierten Bonner Universität promoviert, er arbeitete für den Internationalen Währungsfonds und agierte jahrelang als Angela Merkels wirtschaftspolitischer Berater im Kanzleramt, ehe er 2011 zum Bundesbank-Chef aufstieg. Nur wird an dieser Aufzählung eben schon deutlich: Weidmann ist vor allem Ökonom und Zentralbanker, hat aber keinerlei Erfahrungen in einer Großbank wie der Commerzbank gesammelt. Dabei wäre die bitter notwendig.

An der Spitze der Commerzbank steht Vorstandschef Manfred Knof, der den Großteil seiner Karriere beim Versicherer Allianz verbracht hat. Künftig überwacht nun also ein Zentralbanker einen Versicherungsmanager – Deutschlands zweitgrößte Bank ist für diese Konstellation viel zu wichtig.

Das gilt umso mehr, weil Knof die Dauerschleife-Sanierungen der Bank ein für alle Mal beenden soll, die bereits seit der großen Finanzkrise andauern. Knof helfen bei diesem Versuch derzeit die äußeren Umstände: Das Geldhaus profitiert von den nun endlich steigenden Zinsen, zudem sind bislang kaum Kredite ausgefallen. Aber noch ist keineswegs gewiss, ob diese Umstände ausreichen, damit die Commerzbank eines Tages weitgehend problemfrei ist – und ob sie fortan als eigenständige Bank existieren kann.

Weidmanns fehlende Erfahrung wiegt noch schwerer, weil Großbanken-Expertise unter den Aktionärsvertretern im Aufsichtsrat ohnehin nicht üppig vertreten ist. Zwar zählt ein früherer Vorstand der Großbank DZ ebenso wie ein Manager der Förderbank KfW und eine frühere Investmentbankerin dazu (die den Posten bald abgeben wird). Aber wie in den Kontrollgremien anderer deutscher Konzerne sitzt in dem Aufsichtsrat ansonsten ein illustrer Personenkreis: Dazu zählen eine Digitalberaterin, ein Londoner Versicherungsmanager, eine Energieexpertin, ein früherer Adidas-Finanzvorstand, eine Anwältin und eine Zentralbankerin. Bei all diesen Kontrolleuren handelt es sich ganz gewiss um clevere Menschen, aber: Für den Aufsichtsrat einer Bank ist das ein bisschen viel Expertise, die nichts mit dem Kerngeschäft zu tun hat.

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Mit dem Abgang des bisherigen Commerzbank-Aufsichtsratschefs Gottschalk hätte es die Großchance gegeben, einen Banking-Experten auf diesen Posten zu hieven, der dieses Amt viele Jahre lang hätte ausüben können. Wie schade, dass die Bundesregierung sie schon wieder verstreichen lässt.

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