




In „Münchens prickelndstem Prozess“, wie die Lokalpresse ihn taufte, leitete Christiane Serini vor einigen Jahren die Anklage gegen die „Champagner-Bande“. Die hatte gestohlene Edel-Schaumweine und Schnäpse an Nachtlokale, Discos und Bordelle verhökert. Weniger prickelnd, aber dafür weit über München hinaus von Interesse ist der aktuelle Fall der resoluten Oberstaatsanwältin: Sie steht womöglich bald im Prozess Top-Managern der Deutschen Bank gegenüber. Darauf deuten jedenfalls die jüngsten, von Serini angeordneten Durchsuchungen in Räumen der Bank, der Kanzlei Hengeler Mueller und dem privaten Wohnsitz eines Bankers hin.
Haben Manager der größten deutschen Bank und ihre Anwälte versucht, den Prozess um Schadensersatz für die Pleite des Medienunternehmers Leo Kirch 2002 durch falsche Aussagen zu ihren Gunsten zu beeinflussen? Mehr denn je droht ein Strafprozess gegen frühere und aktuelle Spitzenbanker – und eine Zerreißprobe zwischen ihnen. Denn für den möglichen Prozess zeichnet sich bereits eine Strategie der Schuldzuweisungen ab. Wie Insider berichten, dürfte Ex-Bankchef Rolf Breuer zum Sündenbock gemacht werden ebenso wie Hengeler Mueller, deren Anwälte die Bank in der Kirch-Sache vertreten hatte.
Vom Amtsvorgänger distanziert
Insgesamt laufen in München inzwischen vier Verfahren wegen versuchten schweren Prozessbetrugs. Die Staatsanwaltschaft bestätigt nur, dass die Ex-Bankchefs Breuer, Josef Ackermann sowie der amtierende Co-Vorstandsvorsitzende Jürgen Fitschen Beschuldigte sind. Ermittlungen richten sich auch gegen die früheren Vorstände Clemens Börsig und Tessen von Heydebreck, den amtierenden Rechtsvorstand Stephan Leithner, den früheren Top-Investmentbanker Michael Cohrs, den als Zeuge aufgetretenen Ex-Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff sowie aktuelle und frühere Mitarbeiter der Rechtsabteilung der Bank und drei Anwälte.
Ackermann und Co. hatten anders als Fitschen klar bestritten, dass die Bank ein Mandat von Kirch wollte. Sie könnten nun allerdings versuchen, die Schuld allein bei Breuer abzuladen. Schon bei seiner Aussage im Sommer 2011 hatte Ackermann sich deutlich von seinem Amtsvorgänger distanziert und nahegelegt, dass dieser auf eigene Faust mit Kirch ins Geschäft kommen wollte und der übrige Vorstand nichts davon wusste. Das könnte zumindest teilweise als Entschuldigung gelten.
Neben Breuer rückt auch die Kanzlei Hengeler Mueller als vermeintlich Verantwortlicher stärker in den Fokus. Die hatte das Kreditinstitut von Beginn an in dem Verfahren begleitet und stets die Meinung vertreten, dass es nicht zahlen müsse. So weist das Umfeld der Banker darauf hin, dass die Anwälte den vollen Sachverhalt gekannt und sich die Banker eben auf ihre Einschätzung verlassen hätten.
Heikler Fall Fitschen





Die Vorwürfe aus München gehen noch weiter. Hengeler-Anwälte sollen die Banker auf ihre Falschaussagen vorbereitet und diese im Wissen um deren Unrichtigkeit an das Gericht weitergeleitet haben.
Und einen Widerspruch gibt es zu klären. So haben die Rechtsberater die Aussage des damals bei der Bank für Medien zuständigen Investmentbankers bei Gericht eingereicht, man habe kein Beratungsmandat von Kirch gewollt. Bei einer späteren Vernehmung durch die Staatsanwälte sagte der Mann jedoch das Gegenteil.
In Justizkreisen gilt es als wahrscheinlich, dass sich das Verfahren zuerst auf Ackermann, Börsig, Breuer und von Heydebreck konzentriert. Und auf Fitschen.
Für ihn ist der Prozess besonders heikel. Ihm droht nicht nur eine Verurteilung, sondern auch Ärger mit der Finanzaufsicht BaFin. Die hat sich bereits Einblick in die umfangreichen Unterlagen der Münchner Staatsanwaltschaft beschafft. Fitschens Zuverlässigkeit als Bankchef wird sie aber wohl nur infrage stellen, wenn im Verfahren Zweifel daran aufkommen sollten. In Fitschens Umfeld heißt es, dass er auch bei einem Prozess im Amt bleiben werde.
Sein Umfeld weist auch darauf hin, dass er sich im Kirch-Prozess weniger eindeutig geäußert hat als seine früheren Kollegen. Tatsächlich wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor allem vor, dass er die auch von der Bank intern schon als unrichtig erkannten Aussagen anderer Vorstände Ende 2012 nicht korrigiert habe.
Die Ermittlungen könnten noch weitere Kreise ziehen. So vermuten Beteiligte, dass die Rolle der Verlegerin Friede Springer, die ebenfalls als Zeugin ausgesagt hatte, noch näher beleuchtet werden könnte. Ein Ermittlungsverfahren gibt es bisher nicht.