
Frankfurt Gegen Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann wird wegen des Verdachts auf "mittäterschaftlichen Prozessbetrug" ermittelt. Dabei geht es nach Angaben aus Bankkreisen um Aussagen, die der Vorstandschef im milliardenschweren Schadenersatzprozess rund um die Pleite des Kirch-Medienkonzerns gemacht hatte. Ackermann habe der Bank "einen Vermögensvorteil" verschaffen wollen.
Ein Sprecher der Bank sagte, die Staatsanwaltschaft München habe von Dienstag bis Freitag Vorstandsbüros und die Rechtsabteilung durchsucht. Die Staatsanwaltschaft bestätigte Ermittlungsverfahren, wollte aber nicht sagen, gegen wen.
Neben Ackermann stehen auch der Aufsichtsratschef Clemens Börsig und das ehemalige Vorstandsmitglied und Personalchef Tessen von Heydebreck im Blick der Staatsanwaltschaft. Ihnen werde neben Prozessbetrug auch der Vorwurf der Falschaussage im Kirch-Prozess gemacht, berichten den Top-Managern nahestehende Kreise. Außerdem wird gegen den Ex-Vorstandschef Rolf-E. Breuer ermittelt.
Die Anwälte des Bank machten die Ermittlungen im Rahmen des Kirch-Prozesses publik. In dem milliardenschweren Schadenersatzverfahren stellten sie am Montag vor dem Oberlandesgericht einen Befangenheitsantrag. Der Vorsitzende Richter Guido Kotschy vertagte darauf die Beweisaufnahme und die mündliche Verhandlung.
Mit den Ermittlungen gegen die Spitze der größten Bank des Landes erreicht die erbitterte Auseinandersetzung um die Verantwortung für die Insolvenz des Film- und Fernsehkonzerns von Leo Kirch im April 2002 einen neuen Höhepunkt. Der im Sommer verstorbene Kirch hatte der Bank und Breuer die Schuld an seiner Pleite gegeben und sie auf 3,3 Milliarden Euro Schadenersatz verklagt.
Kirch, der im Juli verstorben ist, hatte behauptet, dass die Deutsche Bank im Jahr 2002 heimlich geplant habe, seinen Ruf zu schädigen, um Druck auf ihn auszuüben. Zu dem Plan habe auch ein Interview gehört, das Breuer gegenüber Bloomberg Television gab und in dem er sagte "nach allem, was man lesen und hören kann", sei der "Finanzsektor nicht bereit", Kirch weitere Kredite zu gewähren oder Eigenkapital bereit zu stellen.
Verdacht auf wahrheitswidrige Aussagen
Die Durchsuchungen begannen nach Informationen aus Finanzkreisen am vergangenen Dienstag um 6.30 Uhr. Unter anderem wurde die Privatwohnung von Ex-Vorstandschef Breuer und sein Urlaubsdomizil in Kitzbühl durchsucht. In der Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt durchsuchten die Ermittler die Vorstandszimmer von Ackermann, Finanzchef Stefan Krause, Hermann-Josef Lamberti sowie Jürgen Fitschen. Außerdem wurden die Assistenten sowie die Sekretärinnen befragt.
Die Fragen der Ermittler zielten darauf ab, widersprüchliche oder wahrheitswidrige Aussagen der Vorstände im Kirch-Prozess herauszufiltern. "Die Ermittler haben nach Anhaltspunkten und Beweisen gesucht, dass die Vorstände in München gelogen haben", sagte ein Beobachter: "Das ist der Kern der Sache." Die rund 30 Ermittler hätten sich aber auch intensiv die Rechtsabteilung in der Deutschen Bank vorgenommen. Datenträger und E-Mails wurden gesichert und mitgenommen.
Die Manager sollen bei ihren Aussagen im Mai zu einer Vorstandssitzung der Bank am 29. Januar 2002 Angaben gemacht haben, die nach Meinung der Richter nicht zum englischen Protokoll der Sitzung passen sollen. In dem Schriftstück ist vermerkt, die Bank erwäge Kirch ein Mandat anzubieten - also beratend für den Medienzar tätig zu werden.
Wenig später gab der damalige Bank-Chef Breuer das Interview, in dem er die Kreditwürdigkeit Kirchs anzweifelte. Wochen danach brach Kirchs Imperium zusammen. Nach den Aussagen von Ackermann hatte die Bank aber kein Interesse an einem Mandat von Kirch.
Das Gremium habe am 29. Januar zwar zugestimmt, mit Kirch wegen eines solchen Beratungsmandats zu sprechen. „Das war für uns eher eine Vorsichtsmaßnahme“, sagte Ackermann im Mai. Die Bank habe sich angesichts möglicher Anfragen anderer Interessenten nicht dem Vorwurf aussetzen wollen, ohne Rücksprache Mandate gegen den eigenen Kreditkunden anzunehmen. Genau das bezweifelt das Gericht, den englischen Wortlaut sollen aber noch zwei Gutachter übersetzen.
Deutsche Bank hält das Vorgehen für "völlig unverhältnismäßig"
Der Durchsuchungsbeschluss der Staatsanwaltschaft datierte auf dem 30. September, spätestens von da an seien die Vorbereitungen zur Durchsuchung angelaufen. Die Büros von Anshui Jain und Rainer Neske seien von den Ermittlern nicht durchsucht worden.
Konzernchef Ackermann, der zuletzt im Dauereinsatz zur Lösung der Schuldenkrise für die internationalen Banken unterwegs war, sei "fassungslos" über die Art und Weise der Ermittlungen und das Vorgehen in der Deutschen Bank gewesen. Persönlich wollte er sich dazu aber nicht äußern. Es sei "nicht mehr kontrollierbar, was sich in Deutschland abspielt", sagte ein Vertrauter. Das Vorgehen sei "völlig unverhältnismäßig". Die Bank will sich mit Hilfe der Rechtsanwaltskanzlei Hengeler Müller mit allen juristischen Mitteln gegen die Anschuldigungen verteidigen.
Der Richter Guido Kotschy machte in den letzten Sitzungen im Verfahren vor dem Oberlandesgericht in München keinen Hehl daraus, dass er bereit ist, die Deutsche Bank im Zweifel zu einem hohen Schadenersatz zu verklagen. Es kann dabei durchaus um eine mittlere einstellige Milliardensumme gehen. Kotschy hält offenbar eine bewusste sittenwidrige Schädigung des Kirch-Konzerns für möglich.
Die Vorstände der Deutschen Bank haben nach dem Eindruck von Prozessbeobachtern bei den Befragungen den Eindruck erweckt, sich abgesprochen zu haben. Zudem hat der Richter Ackermann schon am Prozesstag nicht recht geglaubt, dass er eine Eidesstattliche Versicherung Breuers nicht kennt. Der ist also angriffslustig, daher rührt nach Ansicht von Beobachtern auch der Befangenheitsantrag heute. Im Hintergrund liefen Vergleichsverhandlungen zwischen der Deutschen Bank und , die schon relativ weit waren aber zuletzt ins Stocken gerieten.