Kirch-Prozess Rolf Breuers Unschuldsbekundungen verhallen

Der Kirch-Prozess steht nach mehr als zehn Jahren vor dem Abschluss. Die Deutsche Bank kann einer Verurteilung nur noch durch einen Vergleich entgehen.

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Der frühere KirchMedia-Geschäftsführer Dieter Hahn (rechts) steht im Verhandlungssaal im Oberlandesgericht in München (Bayern) neben den Anwälten der Kirch KGL Pool. Mit der Vernehmung des früheren KirchMedia-Geschäftsführers Hahn als letztem Zeugen ist der milliardenschwere Schadenersatzprozess Kirch gegen Deutsche Bank fortgesetzt worden. Quelle: dpa

Um 13.50 Uhr biegt die seit mehr als zehn Jahren laufende Auseinandersetzung zwischen den Vertretern des verstorbenen Medienunternehmers Leo Kirch und der Deutschen Bank endlich auf die Zielgerade ein. Genau eine Stunde tragen die Anwälte um Wolf-Rüdiger Bub und Peter Gauweiler noch einmal in konzentrierter Form vor, was sie seit Jahren behaupten. Es ist ein (Un)Sittengemälde der alten Deutschland AG: Wie sich Breuer als Chef der Deutschen Bank mit Medienindustrie und Politik verbündete, um sich an der Schieflage von Kirchs Medienkonzern zu bereichern. Wie die bei einem Treffen mit Kanzler Gerhard Schröder den Konzern aufteilten, wie sich die Banken absprachen, wie Breuer gezielt in einem Interview Druck aufbaute. Und wie Kirch, der nie an persönlichem Luxus interessiert sei, dadurch in eine ausweglose Lage geriet. Der Unternehmer - ein Held, der lieber in die Pleite ging, als sich von Breuer erpressen zu lassen und nach dem Fall zur Genugtuung einen Kampf David gegen Goliath aufnahm. Den seine Erben nun fortführen.

Breuer, der wie immer persönlich dabei ist, gibt dazu eine kurze persönliche Erklärung ab. „Ungeheuerlich“, „ehrenrührig“, „weise Unterstellungen entschieden zurück“ – es ist ein letztes „Ich war das nicht“ des früheren Vorstandsvorsitzenden, das schnell zu den Akten wandert. Die Deutsche-Bank-Anwälte werden etwas ausführlicher. Ohne Interview wäre alles genauso gekommen, so ihr wesentliches Argument. Die „fantasievollen“ Vorwürfe der Kläger hätten sich „pulverisiert“.

Richter Guido Kotschy hatte schon zuvor mehr als deutlich durchblicken lassen, dass er Breuers Unschuldsbekundungen für nicht allzu glaubwürdig hält. Nach einer längeren Beratungspause bekräftigt er das noch mal. Dass Breuers Aussage ein Unfall gewesen sei, hält Kotschy für nicht glaubwürdig. Dass er Kirch damit sogar helfen wollte, für abwegig. Noch einmal geht er das Interview Satz für Satz durch, das Breuer Anfang 2002 dem TV-Sender Bloomberg in New York gab. Es gebe keine Hinweise auf eine eingeschränkte intellektuelle Leistungsfähigkeit, sagt Kotschy. Breuer sei auch nicht völlig überrascht worden. Und als Volljurist habe der auch wissen müssen, was er sagt. Die Motive des Bankchefs seien auch nach langer Verhandlung mit zig Vernehmungen nicht eindeutig geklärt. So bleibe als überzeugendste Erklärung, dass die Bank an einer Restrukturierung verdienen wollte. So legt es auch das Protokoll einer Vorstandssitzung nahe.

Anders als bei manch vorangehendem Termin geht es diesmal ruhig und sachlich zu. Richter Kotschy hält sich zurück, wirkt klar, gelöst, fast freundlich. Die Kirch-Seite habe ihre Situation zu positiv dargestellt, sie sei insolvenzreif gewesen, aber restrukturierbar. Der Schaden könne zwischen 120 Millionen und 1,5 Milliarden Euro liegen. Das dürfte die Grundlage für einen Vergleich sein, über den verhandelt haben. Beide schließen den nicht aus.

Der entscheidende Teil der Verhandlung hat sich deutlich verzögert. Obwohl Deutsche-Bank-Chef Jürgen Fitschen wie angekündigt nicht zur Sitzung erscheint, ist der Verhandlungssaal im vierten Stock des Münchner Oberlandesgerichts fast bis auf den letzten Platz gefüllt. Punkt neun eröffnet Richter Guido Kotschy den Prozess. Er beginnt mit der Zeugenvernehmung des früheren Kirch-Geschäftsführers Dieter Hahn. Ruhig und sachlich gibt der noch einmal Einblick in die letzten Tage des dramatischen Überlebenskampfs des Medienkonzerns und den Verhandlungen mit Disney. "Ich war sehr enttäuscht, als die Verhandlungen mit Disney über einen Verkauf von ProSieben scheiterten", sagte Hahn.

Zwischenzeitlich nimmt die Verhandlung für eine überraschende Wendung, die jedoch eine Sackgasse bleibt. Brian Cook, der ehemalige Finanzvorstand der Kirch-Gesellschaft Taurus-Holding, hat über seine Kanzlei einen Schriftsatz eingereicht, mit dem er sich überraschend auf die Seite der Deutschen Bank schlägt. Breuers Aussage sei nicht ursächlich für Kirchs Pleite gewesen, heißt es in dem Schriftsatz. Cook will dem Verfahren beitreten, weil in einem anderen erfahren der Kirch-Insolvenzverwalter auch gegen ihn klagt und er durch die Entscheidung im Hauptprozess davon betroffen sein könnte. Nach einigem juristischen Hin- und Her lehnen die Richter den Antrag ab. Die Anwälte müssen gehen. Für sie ist das Verfahren schnell vorbei. Für alle anderen geht es am 14. Dezember weiter. Wenn sie sich nicht vorher einigen.

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