Kleininstitute Liebesentzug am Bankschalter

Geldhäuser sind keine Telefonzellen: Trotz kostengünstiger Direktbanken ist vielen Kunden eine Filiale in der Nähe nach wie vor sehr wichtig. Und doch erleben Genossenschaftsbanken und Sparkassen eine Zeitenwende.

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Ein Kundenberater der Sparkasse und ein Kunde geben sich nach einem Vertragabschluss die Hand. Quelle: dpa

Frankfurt Eine Sparkasse ohne Filiale? Das ist kaum vorstellbar und wird derzeit auch nicht ernsthaft diskutiert. Dennoch stehen viele Institute vor der Frage, wie sie ihr Filialgeschäft auf Dauer profitabel betreiben und die Präsenz in der Fläche erhalten können, ohne Marktanteile zu verlieren. Die Herausforderung der optimalen Flächenstruktur ist für den stark filialzentrierten Geschäftsansatz der Sparkassen von besonderer Bedeutung, denn mit über 13.000 Filialen sind sie führend im Markt.

Betrachtet man die Entwicklung über alle Bankengruppen hinweg, so sind von rund 57.000 Filialen im Jahr 2000 heute nur noch 38.000 übrig. Rund 40 Prozent der Filialschließungen entfielen auf Sparkassen und Genossenschaften und gingen einher mit einer rückläufigen Zahl der Institute in den beiden Verbünden. Aber auch die Postbank hat die Zahl der Filialen um rund 8000 reduziert.

Berücksichtigt man, dass viele Filialen aus strukturellen Gründen – etwa bei der Bereinigung von überschneidenden Marktgebieten – geschlossen wurden, fällt der Rückgang trotz des veränderten Kundenverhaltens und des zunehmenden Kostendrucks im Markt eher moderat aus.

Bisher hat sich die einst von einem Direktbank-Vorstand aufgestellte These: „Bankfilialen sind wie Telefonzellen im Handy-Zeitalter – sie werden immer überflüssiger“ jedenfalls nicht bestätigt. Die Diskussion um die Zukunft der Filiale bedarf daher einer umfassenderen Würdigung und muss zunächst die Frage beantworten: Welche Funktionen hat die Filiale heute und in Zukunft? Für wen sind diese Leistungen wichtig?

Eins ist klar: Die Mehrheit der Kunden legt auch in Zukunft großen Wert auf die Filiale. Im Jahr 2010 gaben 56 Prozent der befragten Bankkunden an, dass sie selbst für günstigere Preise und Konditionen keinesfalls auf Filialen verzichten wollen. Die Bedeutung der Filiale für Privatkunden hat dennoch in den vergangenen zehn Jahren einen Wandel erfahren. Der Anteil der Kunden, für die die Filiale im Mittelpunkt ihrer Bankbeziehung steht, wird immer kleiner und liegt nach unseren Untersuchungen nur noch bei etwa 26 Prozent. Die Hauptfunktion der Filiale liegt für die meisten Kunden – neben der Bargeldversorgung – in der Beratung und dem Abschluss von Produkten. Für Informationen und Service werden zunehmend auch andere Kanäle, allen voran das Internet, genutzt.


Die Sichtbarkeit im Stadtbild ist ein enormer Vorteil

Aus Sicht der Bank wandelt sich die Filiale also vom Service- zum Beratungs- und Abschlusskanal. Insbesondere für die Sparkassen erfüllt sie aber einen noch anderen, grundlegenden Zweck: Die Filiale ist das Neukundengewinnungsinstrument Nummer eins für eine Sparkasse. Die Mehrzahl der Kunden entscheidet sich nach wie vor für ihre Bankverbindung, weil persönlicher Ansprechpartner, Geldautomaten und Filiale in unmittelbarer Nähe der Arbeitsstätte oder der Wohnung sind. Die Präsenz der Sparkassen in der Fläche und ihre Sichtbarkeit im Stadtbild ist dabei ein enormer Vorteil. Die Werbebudgets der Direktbanken zeigen, welchen Wert die Sichtbarkeit für Bekanntheit und Image hat.

Sicherlich haben die Sparkassen in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe von innovativen Filialkonzepten entwickelt, die durchaus ihre Berechtigung haben. Dabei wurde zuletzt wieder mehr Wert auf die Erhöhung der Besucherfrequenz, ansprechende Filialgestaltung und kundenorientierte Abläufe gelegt.

Die konsequente Ausrichtung der Filiale auf die Neukundengewinnung geht jedoch noch weiter. Das Aufgreifen der Mechanismen des Einzelhandels kann dabei hilfreich sein. Diese reichen von der Auswahl der Standorte, idealerweise in laufstarken Innenstadtlagen, über die Zuführung von Besuchern durch die Schaffung von Anlässen oder anderen aufmerksamkeitsstarken Maßnahmen bis zum Einbau von sogenannten Frequenzartikeln, um in Kontakt mit der potenziellen Kundschaft zu kommen.

Auch in Zukunft spielt die Filiale im Privatkundengeschäft eine zentrale Rolle. Sie muss jedoch dem veränderten Kundenverhalten Rechnung tragen – und zwar nicht nur durch ihre Gestaltung, sondern durch eine intelligente Einbindung in den Vertriebsprozess. Sparkassen sollten dabei zukünftig ihren Präsenzvorteil gegenüber dem Wettbewerb auf noch wirkungsvollere Weise ausspielen und die Filiale als Neukundengewinnungsinstrument einsetzen.

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