Zehn Minuten dauert das Blitzlichtgewitter im voll besetzten Saal 210 des Kölner Landgerichts. Und schon in den ersten Sekunden sehen die Zuschauer es den fünf prominenten Angeklagten an: Das ist die Höchststrafe. Es ist 9.20 Uhr, es laufen die ultimativ letzten Minuten bis zum Beginn eines der größten Wirtschaftsprozesse in der deutschen Geschichte. Jetzt heißt es Haltung bewahren, denn diese Bilder verbreiten sich in der ganzen Welt. Lächeln geht nicht, das würde als Arroganz ausgelegt. Zu mürrisch dürfen sie aber auch nicht ausschauen. Das könnten böse Zungen als Schuldeingeständnis werten. Also verzichten Matthias Graf von Krockow, Christopher Freiherr von Oppenheim, Friedrich Carl Janssen, Dieter Pfundt und Josef Esch auf jedes noch so kleine Mienenspiel und bleiben nahezu regungslos an der Seite ihrer Anwälte stehen.
Bis zu zehn Jahre Haft
Bei vielen Zuschauern im Saal steht das Urteil schon vor dem Verlesen der Anklageschrift fest: Die fünf haben durch Fehlspekulationen und riskante Immobiliengeschäfte den Niedergang der Kölner Privatbank Sal. Oppenheim zu verantworten. Ob sie auch Bankgelder veruntreut haben, wie die Staatsanwalt vorwirft, will die 16. Große Strafkammer an 78 Verhandlungstagen bis Jahresende klären. Bei einem Schuldspruch drohen bis zu zehn Jahre Haft. Die Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe.
Der Prozess bietet tiefe Einblicke in die internen Vorgänge des Bankhauses und die jüngere deutsche Wirtschaftsgeschichte. Dabei geht es aber nicht nur darum, dass Superreiche im Vertrauen auf den guten Ruf der 1789 gegründeten Privatbank ihr Vermögen anvertraut haben. Die Adelsfamilie von Oppenheim war darüber hinaus auch fester Bestandteil der intimsten Zirkel der Deutschland AG. So nannte sich der mächtige Kreis von Multi-Aufsichtsräten, die im Hintergrund die Strippen zogen. Die Oppenheims übten an der Nahtstelle zwischen Politik und Wirtschaft weit über den Kölner Stammsitz hinaus Einfluss auf das Geschehen in deutschen Großkonzernen aus.
Zu zwei Unternehmen waren die Verbindungen so eng, dass Oppenheim-Esch in den Neunzigerjahren auch den Neubau der Firmenzentralen übernahm: in Düsseldorf die des Mobilfunkers E-Plus, in Leipzig das Gebäude der Verbundnetz Gas (VNG). Weil Unternehmen als zuverlässige Mieter gelten, beteiligten sich prominente Top-Vorstände mit privatem Geld an den beiden speziell für diesen Zweck aufgelegten geschlossenen Immobilienfonds. Darunter waren führende Vertreter der Deutschland AG wie Klaus Liesen, damals Chef der Essener Ruhrgas AG - Großaktionär von VNG -, und Dieter Vogel, damals stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Düsseldorfer Thyssen-Konzerns, der zu jener Zeit E-Plus maßgeblich steuerte. Beide investierten in Oppenheim-Esch-Fonds, allerdings in das Projekt des jeweils anderen: der eine - Vogel - in den für das VNG-Gebäude, der andere - Liesen - in den für die E-Plus-Zentrale.