




Wie das künftig aussehen könnte, testet PayPal gerade im niedersächsischen Oldenburg. In der 160 000-Einwohner-Stadt spicken Ladenbesitzer ihre Waren im Schaufenster neuerdings mit QR-Codes. Wenn Nachtschwärmern oder Frühaufstehern beim Vorbeilaufen ein Ausstellungsstück gefällt, der Laden aber gerade geschlossen hat, scannen sie die SchwarzWeiß-Kästchen per Smartphone. Am nächsten Tag geht die Ware an sie heraus. Gezahlt wird über das PayPal-Konto des Nutzers, das dieser von seinem Hausbankkonto mit Geld auflädt. PayPal kassiert dabei Gebühren von den Händlern.
Gegenüber den Geldhäusern, deren Bankkarten dadurch zu nutzlosem Ballast im Portemonnaie degradiert werden, gibt sich der Angreifer konziliant. „PayPal ist kein Bankenkiller“, sagt Manager Setzer. Vielmehr setze PayPal auf Zusammenarbeit mit den Banken.
Das scheint ziemlich schöngefärbt. So wickelt die Deutsche Bank zum Beispiel Bezahlungen für den PayPal-Ableger Billsafe ab. Dabei übernimmt der Zahldienst für die Händler das Risiko von Ausfällen und schützt die Kunden vor Fehllieferungen. Während PayPal die Gebühren von den Firmenkunden einsammelt, muss sich Deutschlands größte Bank mit den Krümeln der Abwicklung zufriedengeben.
Auch der Versandriese Otto könnte den Instituten Kundenkontakte und Einnahmequellen wegschnappen, wenn er wie geplant die Bankkarte künftig durch das Smartphone ersetzt. Der neue Bezahldienst namens Yapital soll ausdrücklich auch den Einkauf im stationären Handel erleichtern. Die Finanztochter des Versandriesen kassiert dabei von den teilnehmenden Läden einen Prozentbetrag von jedem Einkauf, der per Yapital bezahlt wurde.
Dass die herkömmlichen Geldhäuser bei digitalen Innovationen nicht notgedrungen abseits stehen müssen, zeigt die alterwürdige Commonwealth Bank, die ihre Dienstleistungen auf dem australischen Kontinent anbietet. Das Institut aus Sydney ermöglicht seinen Kunden schon heute mit einer Smartphone-App direkte Überweisungen an deren Facebook-Freunde, auch wenn die Empfänger ihr Konto bei fremden Instituten haben.
Vielversprechende Startups
Das Investoren-Trio Lempka, Winkler und Bernegger (von links) leitet die Beteiligungsgesellschaft Next Generation Finance Invest, die in der Schweiz an der Börse notiert ist. Diese steckt, einzigartig in der Investmentszene, ihr Geld allein in neue digitale Finanzdienstleister. Die Unternehmen, in die das Trio investiert, sollen sich gegenseitig unterstützen, indem sie ihre Geschäftsmodelle ergänzen. Über das Handelsportal Gekko Global Markets können Kunden unabhängig von Banken online und mobil mit Wertpapieren handeln. Das soziale Netzwerk Ayondo ermöglicht Hobby-Tradern, die Handelsstrategien von Profihändlern zu kopieren. Und der Datendienst Stock Pulse prognostiziert die Entwicklung von Aktienkursen, indem er einschlägige Meldungen in Nachrichtenportalen oder sozialen Netzwerken wie Twitter analysiert.
Jonas Piela (Mitte) will ein Girokonto namens Avuba anbieten, das fairer und komfortabler sein soll als bei der Bank. Piela ist das Gegenteil eines Bilderbuchbankers, trägt Jeans statt Nadelstreifen, fährt U-Bahn statt Limousine und gründete schon im Studium sein erstes Unternehmen. Unterstützung beim Projekt Avuba bekommt er von seinen Mitstreitern Oliver Lukesch (links) und Wilken Bruns, die sich um Software und Finanzierung kümmern.
Gerrit Seidel (rechts) leitet die Sofort AG in München, die Online-Shoppern das Überweisen erleichtert. Quereinsteiger Jens Lütcke, Ex-Anwalt, ist für Finanzen und IT verantwortlich. Eigentümer ist die süddeutsche Unternehmerfamilie Reimann.
Der allergrößte Teil solcher Innovationen im Finanzsektor kommt derzeit jedoch von Nichtbanken. Die Konzepte der Newcomer sind ebenso vielseitig wie überraschend. Sie finden treffsicher die Lücken im Angebot, die die Banken bisher nicht oder nur in seltenen Fällen füllen.
Zu diesem Zweck haben der Schweizer Marc Bernegger und seine beiden Kompagnons 2009 die Beteiligungsgesellschaft Next Generation Finance Invest gegründet. Mit der investieren sie – als einzige weltweit – ausschließlich in aufstrebende Unternehmen, die den Markt für Finanzdienste revolutionieren wollen.
Bernegger kann wunderbar über die großen Banken schimpfen, was ihn aber nicht daran hinderte, die beiden Ex-Banker Lempka und Winkler, früher bei ABN Amro und Goldman Sachs, als Manager zu holen. „In der Finanzbranche hat sich seit Einführung von Geldautomaten und Online-Banking nicht viel getan“, kritisiert der 34-jährige Internet-Unternehmer. „Wir wollen Geldgeschäfte einfacher und unbürokratischer machen, viele Banken haben kein Interesse an schlanken Prozessen.“
Handeln wie die Profis
Das Investoren-Trio hat ein Portfolio aus Finanzdienstleistern zusammengekauft, deren Geschäftsmodelle sich gegenseitig ergänzen. Im Zentrum steht die Handelsplattform Gekko Global Markets, über die Kunden online oder mobil Wertpapiere kaufen können. Jede Transaktion kostet nur wenige Basispunkte ihres Volumens, Fixgebühren, wie bei anderen Brokern oder den von Banken bereitgestellten Depotdiensten üblich, entfallen. Gekko, dessen Name Assoziationen an den Börsenhai im Kinokultfilm „Wall Street“ weckt, soll den anderen Firmen im Portfolio ermöglichen, sich komplett vom bestehenden Bankensystem abzukoppeln. Die Kunden sparen sich dadurch fixe Transaktionsgebühren an die Banken, Gekko verlangt nur einen Anteil an der Differenz zwischen Kauf- und Verkaufspreis des jeweiligen Papiers.