Die Vertrauenskrise am Kryptomarkt ist nun auch beim Branchenführer Binance angekommen. Zum Wochenbeginn haben Kunden binnen 24 Stunden fast zwei Milliarden Dollar Anlegergeld von der weltgrößten Kryptobörse abgezogen. Auf Wochensicht sieht die Bilanz noch düsterer aus: Da sind es 3,7 Milliarden Dollar, zeigen Daten der Analysefirma Nansen. Zuletzt hatte Binance von der Pleite der einst drittgrößten Kryptobörse FTX profitiert, da Kunden eine neue Handelsplattform suchten.
Aktuell weist sie für Binances Krypto-Bestand ein Volumen von 60,1 Milliarden Dollar aus. Das entspricht einem Rückgang um 8,1 Prozent binnen weniger Tage. Vorübergehend stoppte Binance auch die Auszahlungen in der Kryptowährung DUSC.
Offenbar hat die groß angekündigte Transparenzoffensive von Binance die Kunden wenig besänftigt. Die Kryptobörse wollte nach der Insolvenz der einst rivalisierenden Handelsplattform FTX offenlegen, dass ihre Einlagen durch ausreichend Krypto-Bestände gedeckt ist. Bei FTX war das nicht so, Anlegern droht nun der Totalverlust.
Ende vergangener Woche veröffentlichte Binance daher einen „Proof of Reserve“, der von einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer attestiert wurde. Dieser bescheinigte Binance, dass die Bitcoin-Einlagen ausreichend besichert sind. Doch wirklich stichhaltig sind die Erkenntnisse der Prüfung nicht.
Transparenzoffensive lässt Fragen offen
Erstens zeigen sie lediglich die Deckung zu einem bestimmten Zeitpunkt, nämlich zum 22. November. Ob die Einlagen auch drei Wochen später noch ausreichen, wird nicht berücksichtigt. Binance betont aber, stets über ausreichend Mittel zu verfügen.
Zweitens sagt die Prüfung nichts über die finanzielle Situation von Binance aus. Wie hoch die Verbindlichkeiten der Kryptobörse sind, wissen Kunden nicht. Sie müssen sich bislang auf die Worte des Unternehmens verlassen, das Eigenangaben zufolge keine Schulden hat. Auf die Kritik will Binance reagieren und hat eine Offenlegung auch dieser Firmendaten angekündigt.
Krypto-ABC: Die wichtigsten Begriffe verständlich erklärt
Der Fokus am Kryptomarkt liegt klar auf dem Bitcoin. Unter Altcoins versteht man Kryptowährungen, die nach der ältesten Digitalwährung erfunden wurden und eine Alternative zum Bitcoin darstellen. Beispiele dafür sind Ethereum, Cardano oder Solana.
Der Bitcoin ist nicht nur die dem Volumen nach größte, sondern auch die älteste Kryptowährung der Welt. Schon im Oktober 2008 skizzierte Satoshi Nakamoto, das Pseudonym des Bitcoin-Erfinders, in einem Whitepaper mit dem Titel „A Peer-to-Peer Electronic Cash System“, wie so eine virtuelle Währung aussehen könnte. Kurz darauf, im Januar 2009, wurden die ersten Bitcoin geschürft. Weil Nakamoto unter einem Pseudonym agierte, ist bis heute unklar, wer genau den Bitcoin ins Leben gerufen hat.
Transaktionen von Kryptowährungen werden auf der Blockchain dokumentiert. Die Blockchain ist eine öffentliche, dezentrale Datenbank. Die Informationen werden nicht auf einem einzelnen Server, sondern auf vielen tausenden Rechnern gespeichert. „Chain“ kommt aus dem Englischen und bedeutet „Kette“.
Jede Transaktion wird in einem Block gespeichert und an eine Kette der bereits vorhandenen Datensätze angehängt. Deshalb wird die Blockchain auch digitales Kassenbuch genannt. Die gespeicherten Daten können im Nachgang nicht mehr oder nur mit Zustimmung des Netzwerkes geändert werden. So soll ein fälschungssicheres Protokoll entstehen.
Ether ist hinter dem Bitcoin die zweitgrößte Kryptowährung und basiert auf der Ethereum-Blockchain. Im Vergleich zur Bitcoin-Blockchain gilt diese als moderner und leistungsfähiger und soll in Kürze auf das energiesparendere Proof-of-Stake-Verfahren umgestellt werden. Auch Smart Contracts können über Ethereum gehandelt werden. Beliebt ist die Kryptowährung auch, weil NFTs (non fungible Token) oft auf Ethereum basieren und deshalb mit Ether bezahlt werden.
Mining ist das Erzeugen (Schürfen) neuer Coins. Bei diesem Prozess stellen Miner im Fall des Bitcoin die Rechenleistung ihrer Computer zur Verfügung, um komplexe mathematische Aufgaben zu lösen. So werden Transaktionen verifiziert und auf der Blockchain gespeichert. Die Miner werden fürs Bereitstellen der Rechenleistung mit neu generierten Bitcoin belohnt.
Bei einigen anderen Kryptowährungen basiert das Mining dagegen nicht auf Rechenleistung, sondern auf den Anteilen der Netzwerk-Teilnehmer an der jeweiligen Kryptowährung (siehe Proof of Stake). In diesem Fall wird das Mining deshalb auch oft als Staking bezeichnet. Auch dafür bekommen Teilnehmer eine Prämie, also quasi eine Art Verzinsung für ihren Anteil.
Minten bezeichnet das Erstellen eines NFTs (non fungible Token). Mit dem „Prägen“ des Bildes ist in diesem Fall das Hochladen in die Blockchain gemeint.
Die Abkürzung NFT steht für non-fungible Token, also nicht austauschbare Wertmarken. NFTs sind virtuelle Güter, die über die Blockchain gehandelt werden. Oft sind es etwa digitale Bilder oder Sammelkarten. Jeder NFT ist einzigartig. Wer einen kauft, wird in der Blockchain als Eigentümer registriert und kann so beispielsweise ein Echtheitszertifikat für ein virtuelles Bild oder ein digitales Kunstwerk vorweisen.
Mit dem Proof-of-Work-Verfahren werden neue Münzen einiger Kryptowährungen wie dem Bitcoin geschaffen. Dafür stellen die Miner die Rechenleistung des Systems zur Verfügung, um komplexe Aufgaben zu lösen. Wer es zuerst schafft, die Aufgabe zu lösen, darf den Block an die Blockchain anhängen und erhält eine Belohnung in Form digitaler Münzen. Der Proof-of-Work-Ansatz gilt als besonders energieintensiv.
Einige Blockchains basieren auf dem Proof of Stake-Verfahren. Anders als bei Proof of Work werden dabei fürs Mining keine umfangreiche Hardware und große Mengen an Rechenleistung benötigt. Proof of Stake gilt daher als wesentlich energieschonender.
Statt dessen dürfen diejenigen Transaktionen und neue Coins freigeben, die einen besonders hohen Anteil an einer Kryptowährung halten. Sie werden dann Validatoren genannt. Der Prozess beruht auf einem Konsensmechanismus. Je höher der Preis, desto höher die Anzahl der Coins, um am Prozess teilzunehmen.
Smart Contracts sind virtuelle Verträge, die über die Blockchain getauscht werden. Diese treten unter bestimmten zuvor festgelegten Bedingungen selbstständig in Kraft. Insbesondere Banken und andere Finanzinstitute sehen in Smart Contracts einen großen Nutzen. Sie könnten zum Beispiel beim Börsenhandel Intermediäre – also zwischengeschaltete Stellen wie Wertpapierbroker– überflüssig machen.
Die Wallet ist eine Art digitale Geldbörse für Kryptowährungen. Sie ermöglicht es Nutzern, Kryptoguthaben zu kaufen und zu verschicken. Es gibt mehrere Arten von Wallets. Die Hardware-Wallet ist quasi ein USB-Stick, auf dem das Kryptovermögen und die Zugänge eines Nutzers gespeichert sind. Eine Paper-Wallet wird auf Papier ausgedruckt.
Dafür wird ein QR-Code generiert, den man einscannen muss, um Transaktionen zu tätigen. Eine Software-Wallet kommt ohne externe Geräte oder Papierausdrucke aus. Hier werden die Daten in einem Computerprogramm gespeichert. Nutzer dürfen ihre Zugangsdaten nicht vergessen: Sonst bliebe ihnen der Zugriff auf ihr Kryptovermögen verwehrt.
Dieses Krypto-ABC entstammt dem großen Krypto-1x1 der WirtschaftsWoche: Das vollständige Dossier finden Sie hier zum Download
Auch die Kurse der von Binance herausgegebenen Kryptowährungen reagierten zunächst negativ auf den „Proof of Reserve“ und die milliardenschweren Mittelabflüsse. Der Binance Coin zum Beispiel sackte in der Spitze um neun Prozent ab, ehe er auf Tagessicht wieder leicht ins Plus drehte.
Der Chef der Analysefirma Nansen will die hohen Mittelabflüsse nicht überbewerten: „Die Abflüsse sind immer noch relativ gering, wenn man die Reserven von Binance bedenkt“, sagte Alex Svanevik de Nachrichtenagentur Bloomberg. Dennoch sei es nicht verwunderlich, dass Kunden ihre Gelder abziehen.
Für Beunruhigung sorgt außerdem ein Bericht der Nachrichtenagentur Reuters. Seit 2018 untersuchen Staatsanwälte des US-Justizministeriums, ob Binance gegen Gesetze zur Bekämpfung von Geldwäsche und Sanktionen verstößt. Die Staatsanwälte hätten dem Bericht zufolge Meinungsverschiedenheiten in der Sache, weshalb sich ein Abschluss der strafrechtlichen Untersuchung verzögert.
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