Lehman-Brothers-Insolvenz Der Moment, in dem der mächtige Dominostein kippte

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„In meinem Depot bereitet mir der Finanzkrisen-Höhepunkt noch heute Freude“

Niklas Hoyer - Stellvertretender Ressortleiter Geld

3,5 Prozent für Tagesgeld. 5,4 Prozent für Zwölfmonats-Festgeld. Vor Kurzem fand ich beim Ausmisten von Aktenordnern diese Konditionen in alten Bankunterlagen. Es waren nicht irgendwelche Lockvogel-Angebote. Sie stammten von seriösen Banken – etwa der Mercedes-Benz Bank und der ING DiBa – nur eben aus der Zeit Ende 2008/Anfang 2009. Abseits der Aktienmärkte waren es vor allem die Zinsmärkte, die auf dem Finanzkrisen-Höhepunkt die desolate Lage und die großen Ängste der Anleger abbildeten. Längst sind die Angebote ausgelaufen, die Zinsen ausgezahlt. Zu festem Zins habe ich heute kaum noch Geld investiert. Das lohnt sich schlicht nicht mehr. Bei der DiBa bekommen Bestandskunden aktuell noch 0,01 Prozent auf Tagesgeld.

In meinem Aktiendepot bereitet mir der Finanzkrisen-Höhepunkt noch heute Freude. Nicht, weil ich am damaligen Absturz verdient hätte. Im Gegenteil: Ich schlug damals einige Fonds und Aktien mit sattem Verlust los. Kurz darauf kaufte ich sie aber zurück und investierte noch zusätzlich. Das hatte ich weniger meinem Mut als antizyklischem Investor zu verdanken, als der 2009 anstehenden Einführung der Abgeltungsteuer. Alle noch 2008 gekauften Wertpapiere brachten die Aussicht auf dauerhaft steuerfreie Kursgewinne beim späteren Verkauf. Zwar ist diese Steuerfreiheit bei Fonds mittlerweile eingeschränkt worden, bei Aktien gilt sie – Stand jetzt – aber weiter unbegrenzt. 

Im Rückblick war der Einstiegszeitpunkt optimal: Die Kurse erreichten kurz darauf, im März 2009, ihr Tief. 

Wenn die Bundesregierung ihre Bürger also ein einziges Mal zu einem geschickten Finanzverhalten angeregt hat, dann mit der Einführung der Abgeltungsteuer. Allerdings waren die meisten damals wohl zu abgeschreckt vom Geschehen an den Finanzmärkten, als dass sie im größeren Stil Aktien gekauft hätten.

Auch mir fehlten dafür zu dem Zeitpunkt Mut und finanzielle Mittel. Dennoch freut mich bei den gekauften Werten die Aussicht auf die steuerfreien Gewinne, eines Tages. Dass ein von mir damals gekaufte Lateinamerika-Aktienfonds bis heute nicht wieder meinen Einstiegskurs von 2008 erreicht hat, kann ich angesichts anderer Werte mit dickem Plus verschmerzen. Der Bestandsschutz für die vor 2009 gekauften Papiere hat eben eine erzieherische Wirkung.

Er setzt einen großen Anreiz, die Werte wirklich langfristig zu halten.

10 Jahre nach der Lehman-Pleite

Christof Schürmann - Stellvertretender Ressortleiter Geld

Noch im Spätfrühjahr 2007 hatte die Fondsgesellschaft Union Investment angepriesen, wie Anleger vier Prozent Rendite mit kurzlaufenden US-Anleihen herausholen können. Ich erinnere mich noch gut daran, wie die genossenschaftliche Gesellschaft Fragen nach der Stabilität dieses Wunderfonds beiseite wischte.

Zur Hälfte hatte der in vermeintlich besicherte US-Papiere, darunter auch die gefürchteten US-Subprime-Hypotheken, investierte. Auf einer Veranstaltung in Frankfurt verwiesen die Banker auf die hohe Bonität der Papiere. Dass tolle Bonitätssiegel der Ratingagenturen wenig wert waren, zeigte sich sehr schnell. Keine zwei Monate später machte Union Investment ihren 950 Millionen Euro schweren ABS-Invest auf Jahre dicht.

Das war im Sommer 2007, als die Banken gerade begonnen hatten, sich gegenseitig zu misstrauen.

Die Gefahr für einen Fall Lehman, sie war damals, ein gutes Jahr vor dem richtigen Knall, schon mit den Händen zu greifen. Denn die schnelle Weitergabe von Geld und Kredit war gestoppt, das Vertrauen der Banken untereinander bereits futsch. 2014 beschloss Union schließlich den Fonds zu liquidieren – knapp sieben Jahre nachdem Anleger ihn letztmals am Markt hätten verkaufen können.

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