




Was stellen die Banken eigentlich noch alles an? Es vergeht kaum eine Woche ohne neuen Skandal. Jüngstes Beispiel: Die britische HSBC soll Drogenhändler und Terrorfinanziers bei der Geldwäsche unterstützt haben. So abenteuerlich die Vorwürfe sind, so wenig unglaubwürdig scheinen sie. Gesellt sich hier doch gleich zu gleich, trifft skrupelloses Gewinnstreben auf organisierte Gier. So abstrus solche Parallelen auch sind: Die Branche tut derzeit alles, um ihr ramponiertes Image noch weiter zu verschlechtern.
Der mit Abstand bedeutendste Skandal ist die mögliche Manipulation der Referenzzinsen Libor und Euribor. Denn hier geht es nicht nur um das Fehlverhalten einzelner, sondern um kriminelle Verbindungen zwischen mehreren Instituten. So meldet die Financial Times, dass ein Ring von Händlern aus fünf Londoner Banken den Referenzzins Euribor manipuliert haben könnte.
Das ist zugleich schockierend und logisch: Eine einzelne Bank kann diesen kaum beeinflussen. Dagegen spricht das System der Ermittlung. Die Banken, die die höchsten und niedrigsten Wertem melden, fallen aus der Wertung. Wer tricksen will, braucht Kumpane. Der Euribor ist für Deutschland ein Wert von immenser Bedeutung, anders als der Libor ist er in Deutschland Bezugsgröße für zahlreiche Produkte für Privatanleger und Kreditnehmer.
Was den Libor so wichtig macht
Grundsätzlich gilt der Libor für alle Kreditnehmer aus den folgenden Währungsräumen:
- Australischer Dollar
- Kanadischer Dollar
- Neuseeland-Dollar
- US-Dollar
- Schweizer Franken
- Dänische Krone
- Schwedische Krone
- Euro
- Pfund Sterling
- Yen
Der Libor ist ein Angebotszins, also der Satz, zu dem Banken Geld verleihen können. Grundsätzlich gilt der Libor nur für Kredite mit einer Laufzeit von einem Tag bis zu zwölf Monaten. Das heißt, er betrifft Optionen, Derivate und Termingeschäfte, aber auch den Kredit fürs neue Auto oder die Eigentumswohnung.
Grundsätzlich legt die British Banker's Association (BBA) den Libor (London Interbank Offered Rate) jeden Tag aufs Neue fest. Die BBA saugt sich den Satz allerdings nicht einfach so aus den Fingern, sondern ermittelt einen Durchschnittssatz aus den Angaben verschiedener Banken. 19 Institute melden der BBA täglich, zu welchem Zinssatz sie sich untereinander Geld leihen.
Grundsätzlich gibt es derzeit einen Verdacht gegen alle 19 Banken, die ihre Zinssätze der BBA mitteilen. Barclays hat die Manipulationen bereits zugegeben, ermittelt wird des Weiteren gegen die Royal Bank of Scotland, die Deutsche Bank, die HSBC, die UBS, Citigroup und Lloyds.
Rückschlag für das Führungsdoppel
An der Manipulation soll auch mindestens ein Händler der Deutschen Bank beteiligt gewesen sein. Die Folgen für das größte deutsche Institut sind weiter unklar. Reichen sie bis ins Topmanagement? Könnte der Skandal gar zur Gefahr für die neue Bankführung und dabei besonders den zur fraglichen Zeit für Investmentbanking zuständigen Co-Chef Anshu Jain werden? Für ihn und seinen Mitstreiter Jürgen Fitschen sind die Ermittlungen auf jeden Fall ein Rückschlag.
Beide sind mit dem Versprechen angetreten, das Institut aus den Negativschlagzeilen zu bringen, in die es wegen immer neuer juristischer Auseinandersetzungen regelmäßig geriet. Nach bisherigen Erkenntnissen kann ihnen jedoch allenfalls eine zu laxe Kontrolle vorgeworfen werden. Es gibt keinen Hinweis, dass Jain oder ein anderer Topmanager ähnlich wie Bob Diamond, der zurückgetretene Chef von Barclays, direkt Einfluss auf die Libor- und Euribormeldung genommen hat. Und es gibt gute Gründe zu glauben, dass es so bleibt.
Die Deutsche Bank war Ende 2008 zwar auch in der Krise, Investoren misstrauten ihr aber nicht so stark wie dem britischen Konkurrenten. Und dass eine ganze Bank ihre Handelsstrategie auf einem manipulierten Libor aufbaut, ist so gut wie unmöglich. Letztlich gleichen sich die Forderungen mit Libor-Grundlage in den Büchern aus.
Das ist aber nur eine teilweise Entlastung. Sollte die derzeit laufende Sonderprüfung der Bafin schwere Organisationsmängel zu Tage führen, träfen die Jain direkt. Hinweise darauf, dass der Libor nicht ganz ordnungsgemäß lief, gab es schon seit Jahren. Ob sich dadurch etwas an den internen Kontrollen in der Bank geändert hat, wird erst die Prüfung zeigen. Bis dahin bleibt der Bank nichts anderes übrig als sich kooperativ zu zeigen. Und auf ein gutes Ende zu hoffen.