Die von den Ermittlungen betroffenen Banken bemühen sich um Schadensbegrenzung. Die wollen sie erreichen, indem sie mit den zuständigen Behörden kooperieren. Neben der britischen Barclays und der Schweizer UBS hat im vergangenen Jahr auch die Deutsche Bank eine Kronzeugenregelung beantragt, die ihre Strafe bei einer Verurteilung ermäßigen soll.
Ob’s hilft? Analysten der Investmentbank Morgan Stanley rechnen in einer groben Kalkulation mit einer Strafzahlung von durchschnittlich 400 Millionen Dollar pro beteiligter Bank. Für ein größeres Fiasko spricht die überragende Bedeutung der insgesamt 150 Libor-Sätze, die sich nach 15 Laufzeiten in zehn Währungen unterscheiden. An diesen orientieren sich variabel verzinste Finanzgeschäfte mit einem täglichen Volumen von 360 Billionen Dollar. In diesem Umfang vereinbaren Banken ständig mit Unternehmen, Privatkunden und vor allem anderen Banken keinen festen Zinssatz, sondern einen um einen bestimmten Wert vom Libor abweichenden Betrag. In Deutschland ist der Referenzwert wenig gebräuchlich. Hier beziehen sich Geschäfte vor allem auf den Alternativwert Euribor, dessen mögliche Manipulation ebenfalls untersucht wird.
In hartem Kontrast zur Bedeutung der Libor-Sätze steht deren Ermittlung, die wie ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten wirkt. Die Institute geben an, zu welchen Konditionen sie sich für verschiedene Laufzeiten untereinander Geld leihen. Die Daten werden nicht überprüft, und es ist nicht einmal einheitlich geregelt, welche Abteilung in einer Bank dafür zuständig ist. In vielen ist es die Sektion Treasury, die Liquidität und Kapital des Instituts verwaltet. In anderen übernehmen Handelsabteilungen die Aufgabe.
Anfällig für Manipulationen
Dass ein solches System für Manipulationen anfällig ist, liegt auf der Hand. „Dass hier nicht jeder die Wahrheit sagt, war klar“, sagt ein früherer deutscher Bankchef. Die Branche sei jedoch davon ausgegangen, dass es ausreichend sei, dass von den Werten der beteiligten Banken nur die mittleren bei der Berechnung berücksichtigt werden. Die Annahme erweist sich nun offenbar als Trugschluss. „Dass etwas mit dem Libor nicht stimmte, ist schon vor Jahren aufgefallen“, sagt ein Bankvorstand. Die auffälligen Abweichungen zu anderen Referenzzinsen wie dem Euribor seien bereits Thema in einer Kommission des deutschen Bankenverbandes gewesen.
Die britischen Behörden gehen seit 2010 Hinweisen auf Ungereimtheiten nach. Die Untersuchungen richten sich gegen mehrere Großbanken, darunter die Deutsche Bank, die WestLB, die HSBC, die Royal Bank of Scotland (RBS) und die UBS. Neben der Finanzaufsicht FSA kümmert sich das Betrugsdezernat für Wirtschaftskriminalität um das Thema. Die deutsche Finanzaufsicht BaFin führt eine Sonderprüfung bei der Deutschen Bank durch und sichtet auch bei der WestLB Unterlagen. Wie weit jedes einzelne Institut in die Manipulationen verstrickt ist, ist derzeit offen.
Zweifel über Kreditwürdigkeit zerstreuen
Abschreckendes Exempel ist die britische Großbank Barclays, die Ende Juni einräumte, dass ihre Händler den Libor zwischen 2005 und 2009 manipulieren wollten. Mit der britischen Finanzaufsicht FSA und der US-Terminbörsenaufsicht CFTC einigte sich Barclays auf eine Strafzahlung in Höhe von umgerechnet knapp 370 Millionen Euro. Der Löwenanteil stammt von der CFTC. Fast die gesamte Führungsspitze der Bank ist über den Skandal gestürzt. Aufsichtsratschef Marcus Agius trat ebenso zurück wie Vorstandschef Bob Diamond und der für Investmentbanking zuständige Vorstand Jerry del Missier.
Warum die Banken manipuliert und wie sie davon profitiert haben, ist nicht eindeutig. Barclays habe im Oktober 2008 unmittelbar nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers niedrigere Zinsen gemeldet, um im Vergleich zu Konkurrenten nicht schlechter dazustehen und Zweifel über die eigene Kreditwürdigkeit zu zerstreuen, erklärte Diamond bei einer Anhörung. Der stellvertretende britische Notenbankchef Paul Tucker räumte ein, dass sich seine Behörde angesichts der hohen Libor-Sätze Sorgen gemacht habe.