Libor-Skandal Banken drohen horrende Strafen

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400 Millionen Dollar pro Bank

Das sind die Milliardenfriedhöfe der Geldinstitute
Bad BanksIn den sogenannten Bad Banks haben deutsche Institute seit dem Beginn der Finanzkrise ihre krisenverursachenden Schrottpapiere ausgelagert. Bad Banks sind also die Abwicklungsanstalten der Geldhäuser. Dort sollten die Papiere eigentlich still und leise beerdigt werden. Doch die Abwicklung zieht sich. Es kann noch lange dauern, bis alle Schrottpapiere „unter der Erde“ sind und in Frieden ruhen. Die Krisengeschäfte wurden von den Banken entweder in externe Gesellschaften ausgelagert oder sie werden intern abgewickelt. Das größte Milliardengrab in Deutschland ist die Bad Bank der Hypo Real Estate (HRE). Quelle: AP
Hypo Real EstateEnde 2010 lagerte die verstaatlichte Hypo Real Estate mit Unterstützung des Bundes Risikokredite und Randgeschäfte im Wert von 175 Milliarden Euro in eine Bad Bank aus. Die Gesellschaft ist rechtlich von der Münchener Hypo Real Estate abgespalten. Quelle: dapd
Hypo Real EstateDie Bad Bank firmiert unter dem Namen FMS Wertmanagement. Das Problem der sauberen rechtlichen Trennung ist, dass Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Löcher der staatlichen Bad Bank mit Steuergeldern stopfen muss. Bis 2020 könnten noch weitere Milliarden-Abschreibungen folgen. In der Zusammenarbeit zwischen HRE und FMS gibt es zudem immer wieder Pannen. Denn das wenige Personal der FMS kann die Arbeit nicht ohne die HRE-Kollegen erledigen. Der spektakulärste Fehler war dabei der 55-Milliarden-Euro-Rechenfehler im Herbst 2011. Schuld daran waren allerdings die Mitarbeiter der irischen HRE-Tochter Depfa, die ihre Kollegen nicht über abweichende Buchungsmethoden informiert hatten. Quelle: dapd
Hypo Real EstateAußerdem musste die Bad Bank FMS Wertmanagement Milliarden-Abschreibungen nach dem griechischen Schuldenschnitt hinnehmen. Insgesamt kamen so 8,9 Milliarden Euro zusammen. Weitere Belastungen durch die Hellas-Anleihen sind möglich. Im Geschäftsjahr 2011 hat die Bad Bank insgesamt 9,97 Milliarden Euro Verlust gemacht. Die gesunden Reste der Hypo Real Estate wurden unterdessen umbenannt. Die Bank schreibt ihre Kunden mittlerweile unter dem Namen Deutsche Pfandbriefbank (PBB) an. Quelle: dpa
WestLBDie Landesbank Nordrhein-Westfalens mit Sitz in Düsseldorf ist seit dem 1. Juli 2012 Geschichte. Die Bank wurde nach Vorgaben der EU-Kommission zerschlagen. Die Lasten der Vergangenheit werden dagegen nicht so schnell verschwinden. Die Bad Bank der WestLB, die Erste Abwicklungsanstalt (EAA), hatte Ende 2011 Schrottpapiere im Wert von 51 Milliarden Euro im Depot. Bei der Ausgliederung des schadhaften Portfolios Ende 2009 war der Nominalwert mit 77,5 Milliarden Euro allerdings noch ein Drittel höher. Der Abwicklungsplan sah ursprünglich einen Rückgang auf 55 Milliarden Euro bis Ende 2011 vor. Doch mit der Abwicklung der WestLB bekam die EAA einen neuen Haufen Arbeit. Quelle: dapd
WestLBPortfolios mit einem Volumen von rund 100 Milliarden Euro werden nun aus der Erbmasse der WestLB bei der EAA landen. Für Verluste aus der Abwicklung stehen Steuerzahler und Sparkassen gerade. Allein für das mit besonders risikoreichen Papieren bestückte, „Phoenix“-Portfolio haben Land und Sparkassen Garantien in einer Höhe von fünf Milliarden Euro gegeben. Quelle: dpa
WestLBDer Immobilien-Finanzierer Westimmo ist als Ganzes in die Abwicklungsanstalt EAA überführt worden. Denn das Institut ist eine Pfandbrief-Bank - und damit nicht so leicht aufzulösen. Der Pfandbrief, eine mit Immobilien- oder Staatskrediten besicherte Bankanleihe, genießt in Deutschland einen hohen gesetzlichen Schutz. Die Kreditbestände können aber erst mit der Zeit abgebaut werden. Erst wenn Pfandbriefe fällig werden, werden auch Kreditsicherheiten überflüssig. Das Vermögen der Bad Bank EAA soll bis zum Jahr 2025 verkauft werden. (Bild: Demo von WestLB-Mitarbeitern vor der Zentrale in Düsseldorf im Juni 2011) Quelle: dapd

Die von den Ermittlungen betroffenen Banken bemühen sich um Schadensbegrenzung. Die wollen sie erreichen, indem sie mit den zuständigen Behörden kooperieren. Neben der britischen Barclays und der Schweizer UBS hat im vergangenen Jahr auch die Deutsche Bank eine Kronzeugenregelung beantragt, die ihre Strafe bei einer Verurteilung ermäßigen soll.   

Ob’s hilft? Analysten der Investmentbank Morgan Stanley rechnen in einer groben Kalkulation mit einer Strafzahlung von durchschnittlich 400 Millionen Dollar pro beteiligter Bank. Für ein größeres Fiasko spricht die überragende Bedeutung der insgesamt 150 Libor-Sätze, die sich nach 15 Laufzeiten in zehn Währungen unterscheiden. An diesen orientieren sich variabel verzinste Finanzgeschäfte mit einem täglichen Volumen von 360 Billionen Dollar. In diesem Umfang vereinbaren Banken ständig mit Unternehmen, Privatkunden und vor allem anderen Banken keinen festen Zinssatz, sondern einen um einen bestimmten Wert vom Libor abweichenden Betrag. In Deutschland ist der Referenzwert wenig gebräuchlich. Hier beziehen sich Geschäfte vor allem auf den Alternativwert Euribor, dessen mögliche Manipulation ebenfalls untersucht wird.

In hartem Kontrast zur Bedeutung der Libor-Sätze steht deren Ermittlung, die wie ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten wirkt. Die Institute geben an, zu welchen Konditionen sie sich für verschiedene Laufzeiten untereinander Geld leihen. Die Daten werden nicht überprüft, und es ist nicht einmal einheitlich geregelt, welche Abteilung in einer Bank dafür zuständig ist. In vielen ist es die Sektion Treasury, die Liquidität und Kapital des Instituts verwaltet. In anderen übernehmen Handelsabteilungen die Aufgabe.

Anfällig für Manipulationen

Dass ein solches System für Manipulationen anfällig ist, liegt auf der Hand. „Dass hier nicht jeder die Wahrheit sagt, war klar“, sagt ein früherer deutscher Bankchef. Die Branche sei jedoch davon ausgegangen, dass es ausreichend sei, dass von den Werten der beteiligten Banken nur die mittleren bei der Berechnung berücksichtigt werden. Die Annahme erweist sich nun offenbar als Trugschluss. „Dass etwas mit dem Libor nicht stimmte, ist schon vor Jahren aufgefallen“, sagt ein Bankvorstand. Die auffälligen Abweichungen zu anderen Referenzzinsen wie dem Euribor seien bereits Thema in einer Kommission des deutschen Bankenverbandes gewesen.

Die britischen Behörden gehen seit 2010 Hinweisen auf Ungereimtheiten nach. Die Untersuchungen richten sich gegen mehrere Großbanken, darunter die Deutsche Bank, die WestLB, die HSBC, die Royal Bank of Scotland (RBS) und die UBS. Neben der Finanzaufsicht FSA kümmert sich das Betrugsdezernat für Wirtschaftskriminalität um das Thema. Die deutsche Finanzaufsicht BaFin führt eine Sonderprüfung bei der Deutschen Bank durch und sichtet auch bei der WestLB Unterlagen. Wie weit jedes einzelne Institut in die Manipulationen verstrickt ist, ist derzeit offen.

Die Testamente der Banken
Logo von JP Morgan Chase Quelle: dpa
Bank of America Die Bank of America bleibt im öffentlichen Teil ihres Testaments ähnlich vage wie die übrigen Institute. Sie spricht unter anderem von unbestimmten Käufern (darunter „nationale, internationale und regionale Finanzinstitute“), die im Falle einer Pleite Teile der Bank übernehmen würden. Der Steuerzahler müsse nicht zur Hilfe kommen. Quelle: REUTERS
CitigroupDie Bank unter Firmenchef Vikram Pandit beteuert, im Fall einer Pleite abgewickelt werden zu können. Und zwar in einer Weise, die kein systemisches Risiko berge, die die Finanzmärkte nicht in Aufruhr bringe und keine Milliarden von den Steuerzahlern notwendig mache. Quelle: dpa
Goldman Sachs Laut dem Notfallplan würde die Investmentbank „rasch“ Geschäftsteile oder Vermögenswerte verkaufen und damit eine Liquidation vermeiden. Der Branchenprimus nutzt derweil sein Testament auch, um die ganze Übung indirekt als sinnlos zu bezeichnen. „Die Umstände, die zu einem Kollaps einer für das System wichtigen Institution führen, werden wahrscheinlich andere sein als in diesen Annahmen vorgegeben“. Quelle: REUTERS
Logo von Morgan Stanley Quelle: dpa
BarclaysDie britische Großbank kommt für das Szenario ihres Untergangs im öffentlichen Teil des Testaments mit einer halben Seite aus. Darin heißt es unter anderem, die Notfallpläne seien so ausgeklügelt, dass im Falle einer Pleite eine Katastrophe auf den Finanzmärkten nicht zu erwarten sei. Quelle: REUTERS
Deutsche BankDie Deutsche Bank deutet an, dass die US-Regulierer im Erstfall die deutsche Bankenaufsicht BaFin umgestört operieren lassen sollten. Dann sei die im Notfall zu gründende Überbrückungsbank in der Lage, die US-Firmenteile mit Liquidität zu versorgen. Quelle: dpa

Zweifel über Kreditwürdigkeit zerstreuen

Abschreckendes Exempel ist die britische Großbank Barclays, die Ende Juni einräumte, dass ihre Händler den Libor zwischen 2005 und 2009 manipulieren wollten. Mit der britischen Finanzaufsicht FSA und der US-Terminbörsenaufsicht CFTC einigte sich Barclays auf eine Strafzahlung in Höhe von umgerechnet knapp 370 Millionen Euro. Der Löwenanteil stammt von der CFTC. Fast die gesamte Führungsspitze der Bank ist über den Skandal gestürzt. Aufsichtsratschef Marcus Agius trat ebenso zurück wie Vorstandschef Bob Diamond und der für Investmentbanking zuständige Vorstand Jerry del Missier.

Warum die Banken manipuliert und wie sie davon profitiert haben, ist nicht eindeutig. Barclays habe im Oktober 2008 unmittelbar nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers niedrigere Zinsen gemeldet, um im Vergleich zu Konkurrenten nicht schlechter dazustehen und Zweifel über die eigene Kreditwürdigkeit zu zerstreuen, erklärte Diamond bei einer Anhörung. Der stellvertretende britische Notenbankchef Paul Tucker räumte ein, dass sich seine Behörde angesichts der hohen Libor-Sätze Sorgen gemacht habe.

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