Libor-Skandal und Co. Knallhart und gewieft - Bankenjäger räumen auf

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Die Unterschätzte: Tracey McDermott

Tracey McDermott, 44 - FCA-Chefermittlerin: Sorgte dafür, dass Barclays und Royal Bank of Scotland bluten mussten Quelle: Getty Images

Bis zum letzten Sommer war Bob Diamond, Chef der britischen Barclays Bank, einer der mächtigsten Banker in der Londoner City. Dass ausgerechnet Tracey McDermott, die unauffällige Chefermittlerin der britischen Finanzaufsicht, ihn zu Fall bringen würde, hätte sich der Amerikaner wohl nie träumen lassen. Sommersprossen, Brille, schulterlange Haare – McDermott sieht aus wie eine typische englische Hausfrau.

Doch der arrogante Multimillionär, der gerade erst zum Vorstandsvorsitzenden von Barclays ernannt worden war, verlor wegen der 44-Jährigen auf dem Zenit seiner Karriere seinen Job, nachdem McDermott seiner Bank jahrelange Manipulationen des Libor-Referenzzinses nachgewiesen hatte.

Auch Barclays-Aufsichtsratschef Marcus Agius und der Chef der Investmentbank, Jerry del Missier, mussten ihren Hut nehmen. Die Bank selbst wurde zu 450 Millionen Dollar Strafe an die britische Finanzaufsicht und die US-Terminmarktaufsicht verdonnert. Bluten musste auch die Royal Bank of Scotland mit 610 Millionen Dollar. Gegen ein Dutzend weiterer Banken ermittelt McDermott wegen Libor noch, darunter auch die Deutsche Bank.

So bedrohlich sind die größten Banken der Welt
Klasse 1 – UBS, Santander, Royal Bank of Scotland Quelle: AP
Klasse 1 – Morgan Stanley Quelle: REUTERS
Klasse 1 – Standard Chartered Quelle: REUTERS
Klasse 1 – Unicredit Quelle: dpa
Klasse 2 – Barclays Quelle: dpa
Klasse 2 – Wells Fargo Quelle: REUTERS
Klasse 2 – Industrial and Commercial Bank of China Quelle: REUTERS

McDermott ist heute Leiterin der Sanktionsabteilung bei der Behörde Financial Conduct Authority (FCA), die seit dem 1. April in Großbritannien für die Überwachung von Finanzprodukten zuständig ist – die bisherige Finanzaufsicht FSA (Financial Services Authority) wurde aufgelöst und in zwei Einheiten aufgespalten. Die Juristin leitete bei der FSA seit August 2012 die Abteilung für Finanzverbrechen.

"Ich streite mich ganz gerne"

Die Juristin hatte sich in der FSA von ganz unten nach oben gearbeitet, nachdem sie 2001 bei einer renommierten Anwaltskanzlei gekündigt hatte. Ihre Abteilung gehört mit 400 Mitarbeitern zu den größten in der Behörde. Hier tummeln sich Ex-Polizisten und ehemalige Banker, IT-Spezialisten und Anwälte. „Ich streite mich ganz gerne“, antwortete McDermott einmal, als sie gefragt wurde, warum sie die Konfrontation mit der Macho-Kultur in der Londoner City sucht. Eine Branche, die in der Lage sei, einer 94-Jährigen ein Finanzprodukt mit fünfjähriger Laufzeit aufzuschwatzen, müsse gebändigt werden. Und sie nennt die Vergehen beim Namen. „Was sich Barclays bei den Libor-Verstößen erlaubt hat, war mit das Schlimmste, das wir je gesehen haben“, sagt McDermott. Die Manipulationen seien angesichts der Relevanz des Referenzzinses alles andere als ein Kavaliersdelikt.

Wo McDermott hinlangt, greift sie hart durch. Mittlerweile sind wegen Insider-Verstößen aufgrund ihrer Ermittlungen 23 Männer und Frauen zu Gefängnis- oder hohen Geldstrafen verurteilt worden. Den prominenten US-Hedgefondsmanager David Einhorn und seinen Hedgefonds Greenlight Capital verdonnerte sie zu einer Strafe von umgerechnet 8,6 Millionen Euro, das war das zweithöchste Bußgeld, das die britische Finanzaufsicht jemals gegen eine Privatperson verhängte.

Die unerbittliche Aufseherin hat auch weiche Seiten. Ihre liebste Freizeitbeschäftigung sei es, mit ihren zwei Töchtern auf dem Spielplatz schaukeln zu gehen. Ein Mitglied des britischen Establishments war sie nie. Sie besuchte eine katholische Gesamtschule, bevor sie Jura studierte und sich auf Wirtschaftsrecht spezialisierte. „Mir tun die Bösewichte leid“, sagt ein ehemaliger Anwaltskollege über sie, „Tracey ist eine harte Nuss.“

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Jochen Weck, der für zinswettengeschädigte Mittelständler und Kommunen Schadensersatz erstreitet.

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