Selbst die Großinvestoren halten sich bedeckt: Der Anleihemanager Bantleon sieht das Ganze gelassen, weil in seinem Portfolio „weniger als fünf Prozent“ der Anlagen „Floater“ seien, also Finanzprodukte, deren Zins an den Libor gekoppelt ist. Die Allianz Deutschland geht davon aus, dass die Libor-Manipulation keinen oder nur geringen Einfluss auf die Kapitalanlagen hat. Der Versicherer Ergo gibt sich entspannt: „Wir haben kaum Libor-basierte Anlagen, prüfen aber trotzdem, ob irgendwo ein Schaden entstanden sein könnte“, sagt Daniel von Borries, als Vorstandsmitglied der Versicherung verantwortlich für Kapitalanlage und Lebensversicherung.
In Großbritannien dürfte der Libor-Skandal zu einer Verschärfung der ohnehin geplanten Bankenregulierung führen. „Niemand glaubt mehr daran, dass der Status quo den Interessen der britischen Wirtschaft entspricht“, wettert Labour-Chef Ed Miliband. Und auch der konservative Premier David Cameron hat eingesehen, dass sich etwas ändern muss. So soll in den nächsten Wochen ein Gesetzentwurf vorgelegt werden, der die Vorschläge des ehemaligen britischen Notenbankers John Vickers umsetzt. Der drängte bei den Universalbanken bisher nur auf eine Abkoppelung des traditionellen Bankgeschäftes vom riskanteren Investmentbanking und will erlauben, dass beide Sparten weiterhin unter dem Dach einer gemeinsamen Holding nebeneinander bestehen dürfen.
Gesetze aus Brüssel
Nachdem in den vergangenen Wochen Banklobbyisten mit allen Mitteln auf eine Verwässerung der Vickers-Vorschläge drängten, dürften nun die Verfechter einer Verschärfung Oberwasser bekommen. Sogar der Gouverneur der Bank of England, Mervyn King, sprach sich kürzlich für ein echtes Trennbankensystem aus.
Fest steht, dass auch Brüssel Konsequenzen aus dem Libor-Skandal in Großbritannien ziehen wird. EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier plant, Zinsmanipulationen in den Katalog von Straftaten aufzunehmen. Dazu will er die für den Marktmissbrauch geltenden Regeln erweitern und künftig auch die Beeinflussung von Referenz-Zinssätzen wie Libor und Euribor einbeziehen. Zudem verhandelt die EU-Kommission derzeit mit dem EU-Parlament und den Regierungen der Mitgliedsländer über neue Gesetze gegen Marktmissbrauch, die Mindeststrafen für Vergehen wie Insiderhandel festlegen. Das beträfe dann künftig auch die Manipulation des Libor.
Vergleich
Direkte Folgen für die künftige Ermittlung des Libor werden jedoch die Schritte haben, die inzwischen in Großbritannien erwogen werden. „Wer Marktindizes fälscht, muss dafür ins Gefängnis gehen“, sagte der britische Minister für Finanzmarktregulierung Mark Hoban dem „Handelsblatt“. Darüber hinaus sind Reformen des intransparenten und anachronistischen Systems geplant, mit dem der Libor täglich ermittelt wird. So gibt es Überlegungen, die Zahl der Banken, die ihre Sätze zur Berechnung des Libor melden, zu erhöhen, um den Einfluss einzelner zu reduzieren. Am weitesten geht Professor Pete Hahn von der Cass Business School in London. Er schlägt vor, dass die Banken künftig bei der Libor-Berechnung ganz aus dem Spiel bleiben sollen.
Ob es in der Libor-Affäre überhaupt zu einem Urteil kommen wird, ist allerdings fraglich. Denn Sammelklagen in den USA enden häufig in außergerichtlichen Vergleichen. „Vernünftige Geschäftsleute suchen in so einer Situation normalerweise nach einer vernünftigen Lösung“, sagt Hausfeld, der sich als Anwalt der Entrechteten und Underdogs fühlt, der schon viele Konzerne in die Knie gezwungen hat.