Der Libor gilt tatsächlich als wichtigstes Signal für die Verfassung eines Instituts. Während der Referenzzins einigermaßen konstant blieb, schossen gleichzeitig die Prämien für Kreditausfallversicherungen (sogenannte CDS) für Forderungen gegen Banken in die Höhe. Die beziehen sich jedoch auf langfristige Forderungen und sind deshalb ein weniger wichtiges Signal. Dennoch halten Experten auch eine andere Erklärung für denkbar: Hätte die Mehrzahl der Banken zugeben müssen, dass sie gar kein Geld mehr bekommt, und die Notierung des Libor deshalb aussetzen müssen, hätte dies zu einer Verschärfung der Krise mit unabsehbaren Folgen geführt. Vor diesem Hintergrund dürfte die Aufsichtsbehörde daran interessiert gewesen sein, überhaupt einen Libor zustande zu bekommen.
Insider sehen hier auch ein Argument dafür, dass die Deutsche Bank und ihr neuer Co-Chef Anshu Jain nicht in ähnlichem Umfang wie Barclays in den Skandal verwickelt sein dürfte. Denn die Frankfurter Großbank hatte auch auf dem Höhepunkt der Krise wenig Finanzierungsschwierigkeiten. Gleichwohl hat das Institut zwei Händler suspendiert. Sie und ihre Kollegen in anderen Instituten könnten sich an der Manipulation direkt bereichert haben. „Wenn man weiß, wie hoch ein bestimmter Zins ausfällt, hat man immer einen Vorteil“, sagt ein Banker.
Ausrichtung auf Libor unwahrscheinlich
Profitabel wäre ein niedrigerer Libor etwa bei Geschäften, in denen die Bank selbst Geld zum Festzins erhält und dafür eine Leistung auf Libor-Basis erbringt. Händler könnten auch auf die Differenz zum Euribor gewettet haben. Weitere Vorteile sind bei Gegengeschäften denkbar, sogenannten Swaps. Dass eine Bank jedoch ihre Handelsstrategie komplett auf den Libor ausrichtet, ist kaum vorstellbar. Denn die Positionen gleichen sich innerhalb eines Instituts im Wesentlichen aus. Wahrscheinlicher ist es, dass einzelne Händler profitiert und ihre Boni nach oben getrieben haben.
Die juristische Aufarbeitung der Affäre wird schwierig. So ist völlig unklar, wie sie Banken trifft, die zwar nicht an der Entstehung des Libor beteiligt waren, auf dieser Basis aber untereinander Geschäfte abgeschlossen haben. „Müssen wir jetzt zahlen, obwohl wir nicht manipuliert haben“, fragt der verantwortliche Manager eines deutschen Geldhauses.
Nur Spekulation
Solange nicht feststeht, ob und um wie viele Prozentpunkte die Großbanken den Libor manipuliert haben, lässt sich auch über konkrete Schäden für Anleger nur spekulieren. „Ohne die Höhe des Schadens zu beziffern, kann man nicht klagen“, sagt Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer bei der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Den Schaden müssten Kläger wohl für jeden Tag der Manipulation einzeln ausrechnen. Und da bei der Meldung die höchsten und niedrigsten Angaben gestrichen werden, dürften jeden Tag andere Banken beigetragen haben.
Bei der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger haben vereinzelt Anleger Rat gesucht. Ein interner Anwalt verschafft sich einen Überblick, inwieweit eine Klage überhaupt Sinn ergibt. Die DSW beobachtet, was in den USA passiert. „Für betroffene Anleger werden die Ermittlungsergebnisse, die sich im Rahmen von aufsichtsrechtlichen und strafrechtlichen Verfahren ergeben, entscheidend sein“, sagt Tüngler.
Für Anleger besteht ohnehin kein Grund zur Eile: Von Kenntnis des Schadens an haben sie drei Jahre Zeit, Klage einzureichen.