




Um 9.30 Uhr ist der Saal 114 des Frankfurter Landesarbeitsgerichts bis auf den letzten Platz gefüllt. Von dem Verfahren, in dem vier Händler gegen die Deutsche Bank klagen, erhoffen sich die Zuhörer etwas mehr Licht im Libor-Dunkel, das das Institut seit vielen Monaten umhüllt. Die Bank hatte ihren Mitarbeitern gekündigt, weil sie gegen Pflichten verstoßen hätten. Die vier hatten dagegen geklagt und in der ersten Instanz gewonnen. Die Deutsche Bank muss sie deshalb weiter beschäftigen. Das tut sie auch, wenn auch auf anderen, nicht bekannten Positionen.
Zeichen des Kulturwandels
Vor allem die Begründung ihrer Niederlage im ersten Verfahren war für die Bank wenig schmeichelhaft. Das Gericht sah hier ein klares Organisationsverschulden. Die Bank habe Tricksereien zwar nicht unbedingt gefördert, aber auch nichts dagegen unternommen. Die Händler bestreiten, dass es überhaupt verwerfliche Absprachen gab. Bei ihren Überlegungen, wie sich die Änderung der Leitzinsen auf Vermögenswerte auswirkt, habe es sich mehr um Marktforschung gehandelt.
Was den Libor so wichtig macht
Grundsätzlich gilt der Libor für alle Kreditnehmer aus den folgenden Währungsräumen:
- Australischer Dollar
- Kanadischer Dollar
- Neuseeland-Dollar
- US-Dollar
- Schweizer Franken
- Dänische Krone
- Schwedische Krone
- Euro
- Pfund Sterling
- Yen
Der Libor ist ein Angebotszins, also der Satz, zu dem Banken Geld verleihen können. Grundsätzlich gilt der Libor nur für Kredite mit einer Laufzeit von einem Tag bis zu zwölf Monaten. Das heißt, er betrifft Optionen, Derivate und Termingeschäfte, aber auch den Kredit fürs neue Auto oder die Eigentumswohnung.
Grundsätzlich legt die British Banker's Association (BBA) den Libor (London Interbank Offered Rate) jeden Tag aufs Neue fest. Die BBA saugt sich den Satz allerdings nicht einfach so aus den Fingern, sondern ermittelt einen Durchschnittssatz aus den Angaben verschiedener Banken. 19 Institute melden der BBA täglich, zu welchem Zinssatz sie sich untereinander Geld leihen.
Grundsätzlich gibt es derzeit einen Verdacht gegen alle 19 Banken, die ihre Zinssätze der BBA mitteilen. Barclays hat die Manipulationen bereits zugegeben, ermittelt wird des Weiteren gegen die Royal Bank of Scotland, die Deutsche Bank, die HSBC, die UBS, Citigroup und Lloyds.
Normalerweise erledigen Banken solche Verfahren, indem sie eine Abfindung zahlen und sich so Stillschweigen erkaufen. Dass die Deutsche Bank hier bisher anders vorgegangen ist, soll ein Zeichen des Kulturwandels sein. Bei Verfehlungen wird nicht mehr gemauschelt, sondern knallhart rausgekegelt. Vor allem will die Bank mit der harten Linie jeden Anschein eines Schuldeingeständnisses vermeiden. Denn das könnte auch die Führungsebene bis hin zu Co-Chef Anshu Jain in Bedrängnis bringen.
Von der ganz harten Linie ist sie heute abgerückt. Nachdem die Richterin gleich zu Beginn erklärte, dass sie für "beide Seiten Risiken" sehe und die Kündigung der Händler "nicht frei von Sollbruchstellen" sei, konnte die Bank auch kaum noch darauf hoffen, dass sie mit ihrer Meinung uneingeschränkt durchkommt. Nun wollen die Anwälte in einem sogenannten Güterichterverfahren ausloten, ob und wie sie sich einigen können. Ungewöhnlich wäre das nicht. Fast alle Prozesse vor Arbeitsgerichten enden irgendwann mit einem Vergleich.
Nach einer Stunde ist die Sitzung dann auch schon wieder vorbei. Die Richterin bedankt sich sichtlich erleichtert für die Kompromissbereitschaft der Parteien. Einen wichtigen Vorteil hat das jetzt gefundene Verfahren für die Bank. Es findet ohne Öffentlichkeit statt. Das Dunkel bleibt.