
Normalerweise wandern Betrüger ins Gefängnis. Nur in der Finanzindustrie galten Tricksereien und Manipulation lange Zeit als Kavaliersdelikt. Doch diese Zeiten neigen sich glücklicherweise dem Ende zu. Die britische Finanzaufsicht FCA, die US-Behörde Commodity Futures Trading Commission (CFTC) und die schweizerische Aufsicht Finma haben am Mittwoch ein Signal gesetzt: sie schlossen einen Vergleich mit den fünf Großbanken Citigroup, JP Morgan Chase, UBS, HSBC und Royal Bank of Scotland und brummten ihnen nach einjährigen Ermittlungen eine kollektive Geldstrafe von 3,2 Milliarden Dollar auf.
Dabei verhängte die britischen Aufseher diesmal mit 1,75 Milliarden Dollar (1,1 Milliarden Pfund) sogar eine höhere Strafe als die CFTC mit 1,4 Milliarden Dollar. Die höchste Einzelstrafe trifft die UBS mit 803 Millionen Dollar.
Die Deutsche Bank kann dagegen aufatmen - zumindest zum Teil. Denn die britische FCA ermittelt im Zusammenhang mit den Vorwürfen wegen Devisenmarktmanipulationen nun nach Aussage der FCA-Abteilungsleiterin Tracey McDermott nur noch gegen die britische Barclays Bank - nicht aber gegen das deutsche Institut. Allerdings haben weder die deutsche Finanzaufsicht Bafin noch die US-CFTC ihre diesbezüglichen Untersuchungen eingestellt.
Wichtige Akteure nicht betroffen
Beim deutschen Branchenprimus steht auch noch eine Einigung mit einigen Behörden zum Thema Manipulation von Referenzzinsen aus. Die Bank hat ihre Rückstellungen für verschiedene offene Rechtsstreitigkeiten mittlerweile auf rund drei Milliarden Euro erhöht.
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Was den Libor so wichtig macht
Grundsätzlich gilt der Libor für alle Kreditnehmer aus den folgenden Währungsräumen:
- Australischer Dollar
- Kanadischer Dollar
- Neuseeland-Dollar
- US-Dollar
- Schweizer Franken
- Dänische Krone
- Schwedische Krone
- Euro
- Pfund Sterling
- Yen
Der Libor ist ein Angebotszins, also der Satz, zu dem Banken Geld verleihen können. Grundsätzlich gilt der Libor nur für Kredite mit einer Laufzeit von einem Tag bis zu zwölf Monaten. Das heißt, er betrifft Optionen, Derivate und Termingeschäfte, aber auch den Kredit fürs neue Auto oder die Eigentumswohnung.
Grundsätzlich legt die British Banker's Association (BBA) den Libor (London Interbank Offered Rate) jeden Tag aufs Neue fest. Die BBA saugt sich den Satz allerdings nicht einfach so aus den Fingern, sondern ermittelt einen Durchschnittssatz aus den Angaben verschiedener Banken. 19 Institute melden der BBA täglich, zu welchem Zinssatz sie sich untereinander Geld leihen.
Grundsätzlich gibt es derzeit einen Verdacht gegen alle 19 Banken, die ihre Zinssätze der BBA mitteilen. Barclays hat die Manipulationen bereits zugegeben, ermittelt wird des Weiteren gegen die Royal Bank of Scotland, die Deutsche Bank, die HSBC, die UBS, Citigroup und Lloyds.
Die Barclays Bank erklärte im Hinblick auf die Vorgänge in ihren Devisenmarktabteilungen, sie führe "konstruktive" Gespräche mit den diversen Aufsehern und erwarte, dass sie einen Vergleich schließen werde, der weitgehend mit den Konditionen der übrigen Banken im Einklang stehe.
Rund drei dutzend Devisenhändler weltweit waren im Verlauf der Untersuchungen während der letzten zwölf Monate bereits von ihren Arbeitgebern suspendiert oder entlassen worden. Ihnen dürften nun auch strafrechtliche Verfahren drohen. Denn das Serious Fraud Office (SFO) - das Betrugsdezernat der britischen Polizei - ermittelt im Hinblick auf mögliche kriminelle Machenschaften gegen die Drahtzieher der Devisenmarktspekulationen.
Zustände wie im Wilden Westen
Für die Londoner City, die bereits vom Skandal um Referenzzinsen (Libor) und den Vorwürfen im Zusammenhang mit möglichen Manipulationen an den Edelmetall-Märkten erschüttert wird, ist es ein schwarzer Tag. Denn er erinnert die Öffentlichkeit erneut daran, was in der Finanzindustrie alles schief läuft.
Rund 40 Prozent des globalen Devisenmarktes, bei dem jeden Tag mehr als 100 Währungen im Wert von 5,3 Billionen Dollar rund um den Globus gejagt werden, läuft über die großen Handelsräume der Geldhäuser in der britischen Hauptstadt. Der Devisenhandel wird nicht über eine Börse, sondern über Terminals von Reuters oder Bloomberg abgewickelt und ist hoch liquide, aber kaum reguliert. Lange Zeit herrschten Zustände wie einst im Wilden Westen.
Die - meist männlichen - Akteure am Devisenmarkt gelten in der Branche als besonders aggressiv und hemdsärmelig. Bei ihren von Jargon und Slang geprägten Absprachen in den diversen elektronischen Chatrooms führten sie sich auf wie eine verschworene Bande von Abenteurern.
Händler nur schlecht ausgebildet
So kritisierte die FCA, die Händler hätten sich Spitznamen wie "Die drei Musketiere", "Das A-Team" und das "Traum-Team" gegeben. Ihre Arbeitgeber, die Banken, hätten es versäumt, die hauseigenen Devisenmarktabteilungen "angemessen und wirksam zu kontrollieren", bemängelte die britische Aufsicht weiter.
Die Ausbildung der Händler sei "ungenügend", die Verankerung der "richtigen Kultur und Werte mangelhaft" gewesen. Den Schaden hatten die Kunden der Banken, aber auch Unternehmer und Normalbürger, denn im Zeitalter der Globalisierung sind ja alle international vernetzt und verbunden.