Mögliche Szenarien Muss der Staat die Commerzbank retten?

Die Uhr tickt: Commerzbank-Chef Martin Blessing muss bis Juni die Eigenkapitaldecke um 5,3 Milliarden Euro aufbessern, um die Anforderungen der EU-Bankenaufsicht zu erfüllen. Kann das gelingen oder scheitert Blessing?

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Commerzbank-Chef Martin Blessing. Quelle: AFP

Noch hält Vorstandschef Martin Blessing an seiner Absicht fest, den Staat nicht noch einmal um Hilfe bitten zu wollen. „Unser klarer Fokus liegt jetzt auf der Umsetzung der schon beschlossenen Maßnahmen“, sagte ein Commerzbank-Sprecher. Allein eine Reduzierung der Risikoaktiva etwa durch eine Einschränkung der Kreditvergabe verringere den Bedarf an Eigenkapital um bis zu 2,7 Milliarden Euro. „Darüber hinaus prüfen wir weitere Maßnahmen, um das Eigenkapital aus eigener Kraft zu stärken“, sagte der Sprecher.

Doch das ist eine Mammutaufgabe, die nach Ansicht von Experten ohne den Staat nur schwer zu lösen ist. Zumal der ehemalige Chef der Deutschen Bank und heutige Aufsichtsratsvorsitzende der HSH Nordbank, Hilmar Kopper, bezweifelt, ob das notwendige zusätzliche Eigenkapital der Banken überhaupt beschafft werden könne: „Ich sehe nicht, dass der Kapitalmarkt das hergibt.“ Daher führt die zweitgrößte deutsche Bank nach Informationen aus Finanz- und Koalitionskreisen intensive Gespräche mit der Bundesregierung, wie Reuters am Montag berichtete.

Szenario 1: Direkte Beteiligung

Der Bankenrettungsfonds SoFFin soll für systemrelevante Banken wie die Commerzbank 2012 wieder geöffnet werden. Mit einer Kapitalspritze käme der Bund leicht auf eine Mehrheit: Schon jetzt hält der SoFFin 25 Prozent an der Commerzbank, die an der Börse gerade noch sechs Milliarden Euro wert ist.

Schon mit einer von dem Fonds finanzierten Kapitalerhöhung von drei Milliarden Euro käme der Bund auf 50 Prozent der Anteile - mindestens. Denn nach dem Willen der EU sollen Staaten Bank-Anteile mit einem Abschlag bekommen. Doch unter dem Nennwert von einem Euro darf ein Unternehmen neue Aktien nicht ausgeben. Derzeit notiert die Commerzbank-Aktie mit 1,20 Euro nur knapp darüber.


Szenario 2

Eine „Verstaatlichung“ scheut Blessing allerdings wie der Teufel das Weihwasser. Zu schlecht waren seine Erfahrungen mit diesem Etikett nach der zweifachen Staatshilfe 2008 und 2009. Zuletzt hatte er mit Blick auf den SoFFin gesagt: „Ich gehe da nicht mehr hin.“

Aber auch die christlich-liberale Koalition will sich eine Verstaatlichungs-Debatte ersparen. Im Regierungsbündnis heißt es, vor allem in der FDP gebe es enorme Widerstände: aus ordnungspolitischen Gründen, aber auch aus ökonomischen. Denn an den Bilanzrisiken des Instituts, die vor allem in der Eurohypo gebündelt sind, würde sich dadurch schließlich nichts ändern.

Szenario 2: Verkauf der Eurohypo an den Staat

Der von Blessings Vorgänger Klaus-Peter Müller teuer gekaufte größte deutsche Immobilienfinanzierer Eurohypo ist für die Commerzbank schon lange ein Klotz am Bein. Als die EU die Bank anwies, die notorisch verlustträchtige Eurohypo bis 2014 zu verkaufen, war das leicht zu verschmerzen. Doch ein privater Käufer ist nicht in Sicht. Deshalb entstand bei der Commerzbank die Idee, die Tochter an den Staat abzugeben.

Fast fünf Milliarden Euro Eigenkapital ließen sich allein durch eine Trennung von der Eurohypo freisetzen, hat der Vorstand dem Aufsichtsrat kürzlich vorgerechnet - das Problem wäre gelöst. Den Ruch der „Staatshilfe“ könnte man dabei noch wegdiskutieren.

Schließlich würde die Bank damit direkt „keine öffentlichen Mittel beanspruchen“, wie Blessing versprochen hat. Wenn die Bank bei dem Verkauf nur genügend Verluste verbuchte, ließe er sich sogar als „marktwirtschaftliche Lösung“ verkaufen. Doch die Verluste dürfen nicht stärker am Kapital knabbern als der Verkauf es entlastet.


Szenario 3

Aber auch der Bund hat seine schlechten Erfahrungen: Er will nach der Hypo Real Estate nicht noch eine zweite Bank betreiben. In der Koalition heißt es, diese Option habe kaum Aussicht auf Verwirklichung. „Wir wollen keine Bank“, sagte ein Koalitionär.

Szenario 3: Bad Bank für die Eurohypo

Eine „Bad Bank“ für die gesamte Eurohypo oder zumindest die toxischen Papiere in ihren Büchern wäre eine Alternative: Denn dann müsste der Bund die Bank nicht betreiben, sondern der Soffin diese nur noch - wenn auch über Jahre - abwickeln.

Bei der Eurohypo liegt der Löwenanteil der Staatsanleihen der Commerzbank - und noch eine Reihe von anderen Papieren, die sich als hochriskant entpuppen könnten. Und schließlich hatte die Bundesregierung die Commerzbank angehalten, ihre griechischen Staatsanleihen nicht zu verkaufen - auf die sie ein Jahr später 1,5 Milliarden Euro abschreiben musste.

Im Regierungsbündnis werden dieser Variante große Chancen eingeräumt. Allerdings werde noch heftig diskutiert: sowohl im Bundesfinanzministerium als auch in den Fraktionen von Union und FDP. Eine Entscheidung, welchen Weg man mit der Commerzbank gehen würde, falls sie doch wieder Hilfe vom Staat benötige, sei bisher nicht gefallen, heißt es.

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