Monte dei Paschi und Italiens Bankenkrise Jede Baustelle in Italien ist eine Baustelle Europas

Italien wird seine drittgrößte Bank mit staatlichen Geldern stützen. Das ohnehin überschuldete Land muss dafür 20 Milliarden Euro berappen. Doch ob die Summe reicht, ist fraglich. Antworten auf die drängendsten Fragen.

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So bedrohlich sind die größten Banken der Welt
Klasse 1 – UBS, Santander, Royal Bank of Scotland Quelle: AP
Klasse 1 – Morgan Stanley Quelle: REUTERS
Klasse 1 – Standard Chartered Quelle: REUTERS
Klasse 1 – Unicredit Quelle: dpa
Klasse 2 – Barclays Quelle: dpa
Klasse 2 – Wells Fargo Quelle: REUTERS
Klasse 2 – Industrial and Commercial Bank of China Quelle: REUTERS

Es vergeht in der italienischen Politik in diesen Wochen eigentlich kein Tag, an dem sich nicht in irgendeiner Form der nach einem verlorenen Referendum Anfang Dezember zurückgetretene Ministerpräsident Matteo Renzi zeigt. Mal lässt sich der Sozialdemokrat beim Einkaufen im Supermarkt fotografieren, mal steuert er auf einem Youtube-Video seinen VW Tiguan durch die dunklen Gassen seines Heimatorts bei Florenz und vor allem erinnert er seine Landsleute via Facebook und Twitter daran, dass er trotz (aus seiner Sicht vorübergehenden) Amtsverlusts noch Ambitionen hat.

Am Mittwoch feierte er auf Facebook euphorisch die bevorstehende Einweihung der A3. Diese Autobahn, muss man wissen, hat so ziemlich alles, was man in Nordeuropa von einer italienischen Baustelle erwartet: Sie wird seit Jahren nicht fertig, es floss mutmaßlich mehr Geld in irgendwelche Mafiakanäle als in den unmittelbaren Bau der Straße, sie wurde aus zig Bauabschnitten zusammengestoppelt. Renzi aber war euphorisch. Kritik aus dem Ausland an dem skandalösen Bau? Die erledige sich doch dadurch, dass das Werk nun wirklich fertig sei, befand Renzi. „Mit Italienern lachen, ist schön. Über Italiener lachen aber nicht.“ Man werde nie mehr einem Ausländer erlauben, über Italien zu lachen oder den Kopf zu schütteln.

Nun, jetzt fällt Renzi schon länger dadurch auf, dass er zur Not auch mal gegen den ein oder anderen Miteuropäer austeilt. Nur dieses Mal dürfte er nicht nur in der Form sondern auch inhaltlich daneben liegen. Denn während die seltsame Südautobahn tatsächlich gestern eingeweiht wurde, staunt Europa ungläubig über eine andere Baustelle, die immer größer wird: das italienische Bankensystem. Und das ist eine Baustelle, das zeichnet sich nun ab, an der Baumeister Renzi und seine derzeit ohne ihn regierenden Sozialdemokraten unter Ministerpräsident Paolo Gentiloni und Finanzminister Pier Carlo Padoan, wohl nur gemeinsam mit den Europäern werden weiterbauen können.

Italien hat seine Bankenkrise – teils aus eigenem Verschulden, teils wegen mutwilliger Fehler der europäischen Partner – so lange verschleppt, bis sie nun kaum noch zu lösen ist. Das wird dieser Tage am Beispiel der ältesten Bank der Welt, Monte dei Paschi di Siena, deutlich, die nach monatelangen vergeblichem Suchen nach privaten Investoren nun wohl vom Staat gerettet werden muss. 20 Milliarden Euro hat die italienische Mitte-Links-Regierung dafür diese Woche bereitgestellt. Und das dürfte nur ein Mindestbetrag sein, denn neben Monte dei Paschi sind weitere Banken bedroht. Damit aber gerät das drittgrößte Land der Eurozone in Konflikt mit den Regeln der neuen Bankenunion. Demnach sollten Staaten nie wieder Banken retten. Und damit wird die Krise nicht nur zur Gefahr für das ohnehin überschuldete Italien – sondern auch für die Spielregeln in Euroland.

Wie ist der Stand in Siena?

Im Sommer forderte die Europäische Zentralbank die Banca Monte dei Paschi auf, bis Jahresende fünf Milliarden Euro frisches Kapital aufzutreiben. Damit sollte dem enormen Anstieg fauler Kredite in der Bilanz Rechnung getragen werden. Von etwa 110 Milliarden Euro Kreditvolumen gelten laut EZB mindestens 47 Milliarden als akut ausfallgefährdet. Ein Bankenkonsortium machte sich daran, einen privaten Rettungsplan umzusetzen. Es wurde nachrangige Anleihen in Aktien umgetauscht und immer mal machten Gerüchte von neuen privaten Ankerinvestoren die Runde: Mal sollte es JP Morgan sein, mal der staatliche Investmentfonds aus Qatar.

Eine Kapitalerhöhung aus privaten Quellen aber scheiterte diese Woche. Nicht ganz zwei Milliarden bekam die Bankspitze um Vorstandschef Marco Morelli zusammen. Zu wenig.

Und noch schlimmer: Nach Monaten der Diskussionen über die Stabilität der Bank, sind auch die Kunden – die Bank hat auch das drittgrößte Privatkundengeschäft in Italien – verunsichert und ziehen ihr Geld ab. So leidet die Bank nicht mehr nur unter ausfallbedrohten Krediten (die in Italien anders als in Deutschland ohnehin erst nach 250 Tagen statt 90 Tagen Zahlungsverzug auf „faul“ gestellt werden müssen), sondern auch unter einem akuten Liquiditätsengpass. Normalerweise, hieß es am Donnerstag in Rom, reiche die Kapitalausstattung für elf Monate, mittlerweile nur noch für vier.

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