
Frankfurt Die deutschen Großbanken schienen beim „Blitz-Stresstest“ der EU-Bankenaufsicht glimpflich davongekommen zu sein. Doch nun müssen sie sich möglicherweise deutlich mehr frisches Kapital beschaffen als die vor zwei Wochen ermittelten 5,2 Milliarden Euro, um die geforderten Kapitalquoten bis Mitte 2012 zu erfüllen. Nachdem die Aufsichtsbehörde EBA ihre Berechnungen auf eine neue Basis gestellt und neue Daten von den größten 70 Banken in Europa angefordert hat, könnte die Lücke leicht auf mehr als zehn Milliarden Euro steigen, sagten zwei Insider der Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag. „Es ist nicht wenig, was noch drauf kommt“, warnte einer von ihnen. „Da könnte eine negative Überraschung auf viele Banken zukommen.“
Bundesbank-Vizepräsidentin Sabine Lautenschläger, die für die Bankenaufsicht zuständig ist, hatte noch vergangene Woche Entwarnung für die deutschen Institute geben. Der Kapitalbedarf für die vier betroffenen Geldhäuser - Commerzbank, Deutsche Bank, LBBW und NordLB - werde nicht viel höher ausfallen, wenn die endgültigen Zahlen vorlägen. Die Bundesbank wollte sich dazu am Donnerstag nicht mehr dazu äußern. Die Commerzbank kämpft ohnehin schon mit drastischen Sparmaßnahmen darum, die bisher auf 2,9 Milliarden Euro veranschlagte Lücke ohne erneute Staatshilfe zu schließen.
Die Führung der EBA beriet am Donnerstag in London über das Vorgehen. Sie soll im Auftrag der EU-Staaten ermitteln, welche Banken wie viel Kapital brauchen, um auf neun Prozent hartes Kernkapital zu kommen. Damit wollen die Politiker das Vertrauen der Märkte in die Finanzbranche stärken. Erst Ende Oktober war die EBA auf Basis der Geschäftszahlen zum zweiten Quartal auf einen Bedarf von 106 Milliarden Euro gekommen.
Banken müssen wieder zittern
Nun könnten es deutlich mehr werden: Denn die Aufsicht hat von den Banken nicht nur wie angekündigt aktualisierte Zahlen per Ende September verlangt, sondern nach Informationen aus Aufsichts- und aus Bankenkreisen auch die Bedingungen verschärft. „Wir haben den Eindruck, dass das eine Art neuer Blitz-Stresstest ist, mit neuen Annahmen und mehr Papieren, die einbezogen werden“, sagte ein Banker. Zwar haben viele Häuser im dritten Quartal ihre Bestände an Staatsanleihen aus den Schuldenstaaten abgebaut, Abschreibungen auf die Papiere und Verluste drückten jedoch auf ihre Kapitalausstattung.
Damit müssen auch die neun der 13 größten deutschen Banken wieder um ihre Kapitalausstattung zittern, denen die EBA keine Lücke attestiert hatte. Anders als geplant dürfen die Institute die Wertverluste ihrer Staatsanleihen aus Griechenland, Italien und anderen Staaten am Rand der Euro-Zone nicht mehr voll mit vorübergehenden Wertzuwächsen von deutschen Bundesanleihen oder britischen Gilts verrechnen. Das bringt vor allem die deutschen Banken unter Druck. Zudem hat die EBA Finanzkreisen zufolge die Bewertung der Marktpreisrisiken verändert, die die Institute ab Januar 2012 anders ermitteln müssen als bisher. Das hatte am Donnerstag auch die „Börsen-Zeitung“ berichtet. EBA-Chef Andrea Enria hat die endgültigen Zahlen bis Ende des Monats in Aussicht gestellt.
Banker bezweifeln ohnehin, ob die Kapitalaufstockung in der Branche die Vertrauenskrise lösen kann. „Die EBA ruft auf dem falschen Bein Hurra“, hatte DZ-Bank-Chef Wolfgang Kirsch gesagt. Die Maßnahmen würden den Abschwung eher verstärken, da es die Banken schwer hätten, neue Investoren zu finden. Viele dürften daher eher die Kreditvergabe einschränken.