
Jean-Claude Trichet fühlt sich sichtlich wohl in seiner neuen Rolle. Statt selbst den Euro retten und das Bankensystem stabilisieren zu müssen, gibt der Ex-Chef der Europäischen Zentralbank nun weise Ratschläge an Europas Politiker und an Bankenchefs weltweit.
Zwei hochkarätige Jobs hat der Franzose jüngst übernommen. Er ist Verwaltungsratsvorsitzender des politisch einflussreichen Brüsseler Forschungsinstituts Bruegel, das ökonomische Forschung betreibt, und das dank der Vernetzung seiner Mitglieder auch tatsächlich über politischen Einfluss verfügt.
Ein zweiter Job ist wohl noch illustrer. Trichet ist seit November vergangenen Jahres Chairman der Group of Thirty. Die private Organisation, die seit 1978 existiert, ist eine Gruppe hochrangiger internationaler Finanzführer mit Sitz in Washington. Mitglieder sind etwa der Chairman der US-Großbank JP Morgan, Jacob Frankl, Paul Volcker, Ex-US-Notenbank-Chef oder Bill Rhodes, Ex-Senior Vice-Chairman der Citigroup. Auch Axel Weber, Ex-Bundesbank-Präsident gehört der illustren Runde an.
Vier Jahre nach der Finanzkrise übt die Gruppe der weisen Ex-Finanzführer nun Kritik an der eigenen Zunft. In einem 92-Seiten umfassenden Report „Toward Effective Governance of Financial Institutions“, den sie in New York vorstellte, kommt sie zu einer späten, wenig verblüffenden, Erkenntnis: Zur Finanzkrise sei es vor allem deshalb gekommen, weil in den Banken zu wenig Wert auf gute Unternehmensführung gelegt werde. Bis zum heutigen Tag habe sich diesbezüglich nicht viel zum Guten verändert.
Die Banken müssten dringend ihre corporate governance verbessern, damit es nicht wieder zu einer Krise komme und das Finanzsystem stabilisiert werde, sagte Trichet.
Zwar führten die Banken strengere gesetzliche Regeln der Finanzaufsichtsbehörden ein, führt der Ex-EZBler aus. Doch nur neue Regeln und Prozesse zu implementieren, das reiche nicht. An der Kultur, an den alten Mustern, hätte sich in den vergangenen vier Jahren nicht viel geändert in den Banktürmen. „Es gibt noch viel zu tun“, forderte Trichet die Finanzinstitute auf.





Dass ausgerechnet die G30 ziemlich kritisch mit der eigenen Zunft umgeht ist interessant. Dass sie diese Erkenntnis erst mehr als vier Jahre nach der Finanzkrise erlangt und den verantwortlichen Bank-Chefs weltweit mehr oder wenig Untätigkeit vorwirft, eine vertrauensvolle, integre Kultur, mit einer nach außen wie innen transparenten Unternehmenspolitik, zu schaffen – das ist umso überraschender.
Doch wie geht es weiter? Machen die klugen Herren konkrete Vorschläge oder Empfehlungen? Was verstehen sie unter guter oder schlechter Kultur bei einem Finanzinstitut? Welche Beispiele haben sie? Da bleiben die Herren Finanzexperten konkrete Antworten schuldig. Auf einzelne Institute möchten sie natürlich erst nicht eingehen.
Nur so viel wagten sie fordern: Strikt müsste etwa die Position des Aufsichtsrates von der des Vorstandschefs getrennt werden, so David Walker, Ex-Chairman von Morgan Stanley. Das ist aber ausgerechnet bei US-Großbanken nicht der Fall. Ein hochqualitatives Risikomanagement sei wichtig, eines, das nicht nur kurzfristig, sondern langfristig die Unternehmensziele prüfen müsse. Krisenzeichen müssten dank eines guten Risikomanagements frühzeitig erkannt werden. Auch die Qualität der Entscheidungsfindung auf der obersten Führungsebene müsse verbessert werden, sagt Ex-Morgan-Stanley-Chairman Walker. Nur wie genau?
Die Kultur zu verbessern, habe allerdings nichts mit Ethik oder Moral zu tun und auch nichts mit guten oder schlechten Finanzprodukten, beeilt sich Roger Ferguson, Chef des New Yorker Finanzinstitutes TIAA-Cerf, zu versichern. „Aber der Ton an der Spitze eines Finanzinstitutes spielt eine wichtige Rolle.“
Immerhin 36 Finanzinstitute hat die G30 für ihren Report abgeklappert, rund 150 Interviews mit Managern sind geführt worden. Viel Fleißarbeit hat die Gruppe da geleistet – doch es fehlen leider wirklich neue konkrete Vorschläge und Empfehlungen, wie sich die Bankenkultur zukünftig ändern sollte.