
Brüssel/Frankfurt/Paris Die Deutsche Börse und die New Yorker Nyse müssen trotz Zugeständnissen an die Wettbewerbshüter weiter um ihre geplante Fusion bangen. Manager beider Unternehmen versuchten am Dienstag in Brüssel erneut, die Bedenken der EU-Kommission gegen den neun Milliarden Dollar schweren Zusammenschluss auszuräumen. Laut der französischen Zeitung „Le Monde“ will die Behörde die Fusion zum weltgrößten Börsenbetreiber verbieten, wenn die Konzerne dafür nicht mehr Firmenteile verkaufen als bisher angeboten.
Ein Sprecher der Deutschen Börse bezeichnete den Bericht als hochspekulativ. Zum Stand der Verhandlungen äußerte er sich wie sein Nyse-Kollege nicht. Deutsche-Börse-Aktien gaben etwas nach und notierten rund 1,5 Prozent schwächer.
Eine Person aus dem Umfeld der Deutschen Börse sagte, der Konzern könnte in den Verhandlungen noch weitere Zugeständnisse einräumen. „Die Verhandlungen sind in vollem Gange - auf beiden Seiten wird gefeilscht.“ Nach den Gesprächen mit der EU-Kommission haben die Börsenbetreiber EU-Kreisen zufolge bis zur dritten Dezember-Woche Zeit, um mit einem „Angebot auf den letzten Drücker“ (“last gasp offer“) das Ruder herumzureißen. Die Behörde will bis zum 23. Januar endgültig über den Zusammenschluss entscheiden.
Nyse und Deutsche Börse hatten der EU Mitte November angeboten, sich von einem Teil des Europa-Geschäfts mit Aktienderivaten zu trennen und deren Abwicklung (Clearing) über die Tochter Eurex auch anderen Börsenbetreibern zu ermöglichen. EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia holte anschließend die Meinung von Wettbewerbern und Kunden zum Angebot der Börsenbetreiber ein und besprach diese am Dienstag erstmals mit Vertretern von Deutscher Börse und Nyse.
Angst vor Doppel-Monopol
Konkurrenten und einige Analysten sind der Meinung, dass beide Unternehmen weitere Zugeständnisse im Handel mit Optionen und anderen Derivate-Papieren anbieten müssen, um grünes Licht aus Brüssel zu erhalten. Laut „Le Monde“ befürchtet die EU, dass es trotz der angebotenen Verkäufe von Firmenteilen durch einen Zusammenschluss zu einem Doppel-Monopol kommen könnte - im europäischen Derivate-Handel sowie dem Derivate-Clearing. Auf der anderen Seite gebe es im Management der Deutsche-Börse-Tochter Eurex Sorgen, dass die Konzernführung zu große Zugeständnisse im Handel und der Abwicklung von Derivaten mache, sagte die Person aus dem Umfeld der Deutschen Börse.
Der Widerstand der EU gilt als größte Hürde auf dem Weg zu der vor rund neun Monaten angekündigten Börsenfusion. Den Wettbewerbshütern stößt vor allem die dominierende Rolle der Deutsche-Börse-Tochter Eurex und der zu Nyse gehörenden Londoner Derivatebörse Liffe auf, die im europäischen Derivatehandel zusammen auf einen Marktanteil von über 90 Prozent kommen würden.
Börsen-Chef Reto Francioni argumentiert dagegen, dass der Handel mit den hochspekulativen Derivaten - Wetten auf die Entwicklung bestimmter Papiere oder Märkte - längst ein globales Geschäft sei und die wahre Konkurrenz zudem in außerbörslichen, kaum regulierten Handelsplätzen liege, über die mehr als vier Fünftel des Handels abgewickelt werden. Die EU will allerdings in den nächsten Jahren Teile des Handels und der Abwicklung an die regulierten Börsen zurückbringen.