Oddo-Seydler-Bankchef "Mr. Shorty" und der Mittelstand

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"Teil des Risikos"

  • Aufsicht, Börse oder Staatsanwaltschaft machten der Bank Ärger, etwa wegen verbotener Kreisgeschäfte: Mehrere Händler der Bank hatten dafür gesorgt, dass Aktien zwischen dem Börsenparkett und dem elektronischen Handelssystem Xetra im Kreis hin und her gehandelt wurden. Teils wurden binnen zwei Minuten mehr Aktien gehandelt als sonst an einem Tag üblich. Kreisgeschäfte täuschen Anlegern Liquidität vor; obendrein können sie Aktienindizes wie den SDax oder MDax verfälschen. Der Umsatz, der mit einer Aktie gemacht wird, ist ein Kriterium für die Aufnahme in die Indizes. 2013 ermittelte die Staatsanwaltschaft Frankfurt wegen künstlicher Umsätze in der vwd-Aktie. Das Verfahren stellte die Behörde gegen Geldauflage ein. 2015 verdonnert der Sanktionsausschuss der Börse Frankfurt die Bank zu 20.000 Euro Ordnungsgeld. Fünf Händler hatten fünf Aktien im Kreis gehandelt. Die Bank sagt dazu, sie habe auf „Basis eines Rechtsgutachtens“ in gutem Glauben gehandelt. Auch habe die Deutsche Börse damals „ihre Interpretation“ ihres Regulariums „geändert“.
  • Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt im Fall Xing wegen möglicher Marktmanipulation. Einem Xing-Mitarbeiter wurde laut Staatsanwaltschaft zur Last gelegt, „den ebenfalls beschuldigten Mitarbeiter der (...) Bank (...) zur Manipulation des Kurses der (...) Xing-Aktie angestiftet zu haben“. Er musste „einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung“ zahlen, Ermittlungen gegen ihn wurden eingestellt; jene gegen den Banker aber dauern an.
  • Das Berliner Unternehmen YOC, das sich mit Handywerbung beschäftigt, hat schwere Vorwürfe gegen Oddo Seydler erhoben, die den Verdacht auf Insiderhandel und Marktmanipulation nähren. YOC hatte die Bank beauftragt, eine Kapitalerhöhung zu machen. Doch bevor neue Aktien ausgegeben wurden, sackte der Kurs ab; YOC musste neue Aktien billiger verkaufen und erlöste weniger Geld als geplant. Den Kurssturz soll den Vorwürfen zufolge Seydler verursacht haben, indem die Bank Short-Verkäufe getätigt und mindestens einem Aktionär zum Verkauf der Aktie geraten habe. Bei Short-Geschäften verkaufen Börsenhändler Aktien, die sie nicht besitzen, etwa um Aufträge zu bedienen und so den Handel flüssig zu halten oder um sie später billiger zurückkaufen zu können. Wer den Auftrag für eine Kapitalerhöhung hat und short geht, schadet dem Kunden, weil der seine neuen Aktien zu tieferen Kursen ausgeben muss. Die Bank habe den Vertrag durch „Short-Verkäufe“ verletzt, trug YOC beim Landgericht Frankfurt vor. Manch einer in Frankfurt hat Parmantier deswegen schon „Mr. Shorty“ getauft. Das Institut, so YOC laut dem Gericht, habe „vertrauliche Informationen“ verwendet, um „Zusatzerträge zu generieren“.
Provisionserträge der Oddo Seydler Bank. (zum Vergrößern bitte anklicken) Quelle: Thomson Reuters; Geschäftsberichte

Die Bank sagt dazu, dies sei zu keinem Zeitpunkt der Fall gewesen, und sie habe keine Short-Verkäufe getätigt. Sie führt den gesunkenen Aktienkurs vielmehr auf Researchberichte zurück, die in diesem Zeitraum veröffentlicht worden sein sollen. Für eine Verkaufsempfehlung eines Mitarbeiters habe sie auch „keine Anhaltspunkte“ gefunden. Ihre Mitarbeiter hätten aber auch „eine individuelle Meinung zu Wertpapieren und beraten ihre Kunden dahingehend“.

Die Verhandlung dazu, vom Landgericht Frankfurt für den 14. Januar 2016 terminiert, wurde abgesagt: Parmantiers Bank hatte sich mit YOC verglichen; die Berliner bekamen 750.000 Euro. Oddo Seydler will das nicht als Schuldeingeständnis gewertet wissen. Der Vergleich sei geschlossen worden, um die Übernahme der Bank durch Oddo abzuschließen.

Allerdings wurde der Vergleich im August 2015 geschlossen, die Übernahme der Bank aber wurde bereits sieben Monate zuvor finalisiert. So hieß es in einer Pressemitteilung von Oddo Seydler am 7. Januar 2015, dass die Übernahme „nach Zustimmung aller Aufsichtsbehörden erfolgreich abgeschlossen worden“ sei.

Wetten gegen die geheimen Champions

Zweifelhaft ist auch Parmantiers frühere Rolle als Präsident des Verwaltungsrats der Schweizer Ffm Mittelstand AG. Ffm, schreibt ein damaliger Mitstreiter, sollte einen Hedgefonds auf Malta auflegen, der auf fallende und steigende Kurse der „Hidden Champions“ im deutschen Mittelstand wetten sollte. Wirklich aktiv wurde der Fonds nie: Heute ist die Firma gelöscht. Das Projekt sei beendet worden, „ohne je dafür externe Gelder eingeworben zu haben“, bestätigt die Bank.

Parmantiers Engagement bei der Vorbereitung des Fonds wirft dennoch Fragen auf: Wenn der Chef einer mittelständischen Investmentbank sich federführend in einem Hedgefonds engagiert, der auf fallende Kurse mittelständischer Firmen wettet, kann ein Interessenkonflikt entstehen, wenn er gegen die eigenen Kunden spekuliert.

Bank-Eigner Oddo hält an Parmantier fest. Der soll ihm beim Frühstück – nach eigener Darstellung in Abstimmung mit den damaligen Eigentümern – gesagt haben, dass die Bank zu haben sei. „Ich will, dass du die Bank kaufst“, soll Parmantier zu Oddo gesagt haben, berichtete der Franzose im Juli 2015 vor Journalisten. „Dank René“ sei der Deal ein Erfolg geworden. Oddo zahlte 46,5 Millionen Euro für die Bank. Branchenkenner hatten den fairen Wert auf 25 bis 30 Millionen Euro taxiert. „Ich vertraue ihm“, sagt Oddo über „René“. Nur einmal erstarrte der sonst so charmante Franzose: als ihn jemand aus der Journalistenrunde nach den Kreisgeschäften der Bank fragte. Nach einer Pause antwortete Oddo: „Wenn man eine Firma kauft, dann kauft man gute und schlechte Dinge. Das ist Teil des Risikos.“

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