Es gab schon schönere Zeiten für Angestellte der Deutschen Bank. Kaum eine Woche vergeht ohne, dass es neue Schlagzeilen über Strafen gegen die Bank gibt, wie zuletzt wegen der Manipulation des Referenzzinssatzes Isdafix. Zudem musste das Institut am Freitag zum dritten Mal in Folge ein Verlustjahr verkünden. Um das Image der Bank in der Öffentlichkeit stand es auch schon mal besser.
Damit die Führungskräfte und Investmentbanker nicht das Weite suchen, schüttet die Deutsche Bank trotz Verluste etwa eine Milliarde Euro an Boni aus. „Die diesjährige variable Vergütung ist eine einmalige Investition, um der neuen Führung unserer Unternehmens- und Investmentbank die Chance zu geben, unsere Marktposition zu sichern und auf ausgewählten Geschäftsfeldern auszubauen“, verteidigte Konzernchef John Cryan die umstrittenen Ausschüttungen.
Unbestritten, Geld hat seinen Reiz. Doch reicht es alleine aus, um Mitarbeiter für sich zu gewinnen? Headhunter Thore Behrens von Banking Consultant hat da seine Zweifel. „Natürlich ist die Bezahlung wichtig. Niemand sitzt dort nur zum Spaß, doch andere Dinge wie social benefits bekommen eine immer größere Bedeutung.“ Banken, die ihren Mitarbeitern keine Zusatzleistungen wie Sprachreisen, ein Fitnessstudio am Arbeitsplatz oder eine gute betriebliche Altersvorsorge bieten könnten, hätten auf dem Arbeitsmarkt schlechte Karten.
Wie wichtig Zusatzleistungen für Bewerber bei Banken sind, verdeutlicht ein Beispiel aus dem Arbeitsalltag von Behrens. Bei der Suche nach Kandidaten darf der Headhunter die social benefits gar nicht erwähnen. Auch die Bank nennt sie in den ersten Gesprächen nicht, sondern erst am Ende des Bewerbungsprozesses. Damit möchten die Banken verhindern, dass sich die Arbeitnehmer nur an den Zusatzleistungen orientieren und andere Dinge wie die Stellenbeschreibung oder die zukünftigen Kollegen in den Hintergrund geraten.
Junge Banker haben andere Anforderungen
Kann eine Bank mit solchen Zusatzleistungen nicht aufwarten, hat sie ein Problem. Als der Asset-Manager einer großen französischen Bank die Rentenversicherung für seine Mitarbeiter in Frankfurt aussetzte, war der Aufschrei der Angestellten so groß, dass die Bank wieder zurückrudern musste.
Gerade jüngere Angestellte sind zunehmend bereit, Geld gegen immaterielle Dinge einzutauschen. „Die jüngere Generation erkauft sich ihre Freizeit“, sagt Behrens. Flexible Arbeitszeiten und die Möglichkeit, auch mal von zu Hause zu arbeiten, werden immer wichtiger. „Das ist der Knackpunkt. Hier hängt Deutschland noch hinterher“, sagt Behrens.
Auch die Möglichkeit weniger zu arbeiten, helfe, Fachkräfte an sich zu binden. Als Angestellter bei einer Großbank im Bereich Mergers & Acquisitions verbringt man häufig mindestens 80 Stunden in der Woche auf der Arbeit. „Den Leuten kann man kaum empfehlen eine Familie zu gründen. Die sehen ihre Kinder ja gar nicht“, sagt Behrens. Eine andere Möglichkeit die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern, ist ein Firmenkindergarten. „Jede Großbank sollte eine Kinderbetreuung anbieten.“
Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie scheint insbesondere für Nachwuchskräfte eine große Rolle zu spielen. Die jüngere Generation erwarte laut Stephan Bahns vom Personaldienstleister Robert Half International eine andere Führung bei Banken. Dazu gehörten mehr Mitbestimmungsrechte und eine Work-Life-Balance. Tut sich hier nichts, befürchtet Bahns in Zukunft einen Fachkräftemangel bei Banken. Banken müssten bei der Mitarbeiterbindung kreativer werden.
Das muss die Deutsche Bank 2018 alles meistern
Der Wertpapierhandel und das Geschäft mit Börsengängen, Fusionen und Übernahmen war einst die Vorzeigesparte der Deutschen Bank. Nach der Finanzkrise und erst recht nach dem Abgang des ehemaligen Star-Investmentbankers Anshu Jain sanken jedoch die Erträge und das Institut läuft den großen US-Häusern hinterher. Die neue Doppelspitze aus Marcus Schenck und Garth Ritchie steht unter Druck, schnell Kunden zurückzugewinnen. Unlängst bat das neue Duo die Investoren öffentlich um Geduld; der Umbau der Investmentbank werde noch zwei bis drei Jahre in Anspruch nehmen.
Helmut Hipper, Fondsmanager bei Union Investment, einem der größeren Aktionäre der Bank, geht hart ins Gericht: "Die Deutsche Bank hat bei den Investoren zu hohe Erwartungen geweckt." Sie habe sich schlechter geschlagen als die Konkurrenz und müsse nun schnellstens aufholen. "Sonst muss man sich schon fragen: Funktioniert der Business-Plan?"
Wahrscheinlich komplexester Teil der von Cryan im Frühjahr ausgegebenen Strategie ist die Integration der Postbank. Nachdem der Verkauf des Bonner Instituts nicht gelungen war, soll sie nun mit der Privatkundensparte der Deutschen Bank verschmolzen werden. Damit entsteht mit rund 20 Millionen Kunden und einem Kundenvermögen von 325 Milliarden Euro ein neuer Riese auf dem deutschen Markt.
Mitte 2018 ist die rechtliche Zusammenführung geplant. Der Fusion werden in den kommenden Jahren Tausende Stellen zum Opfer fallen, vor allem bei der Postbank - wie viele ist noch unklar. Aber die Deutsche Bank hat kurz vor Weihnachten ein Freiwilligenprogramm aus der Taufe gehoben und will zunächst bis zu 1000 Mitarbeiter über Altersteilzeit und Abfindungen loswerden. Kündigungen sind bis 2021 ausgeschlossen.
Ein weiterer wichtiger Baustein in Cryans Strategie ist der Teil-Börsengang der Vermögensverwaltung, der im ersten Halbjahr 2018 über die Bühne gehen dürfte. Schätzungen von Analysten zufolge könnte der Verkauf von einem Viertel der Aktien der Deutschen Asset Management (DAM) zwei Milliarden Euro bringen.
Das erste Feedback potenzieller Investoren war verhalten, weil sich die Bank über das rechtliche Konstrukt der Kommanditgesellschaft auf Aktien Einfluss auch für den Fall gesichert hat, dass ihr Anteil sinkt. Das Team um DAM-Chef Nicolas Moreau wird einiges an Überzeugungsarbeit leisten müssen, damit der Börsengang ein Erfolg wird.
Auf Cryans persönliche To-do-Liste dürfte Aufsichtsratschef Paul Achleitner für 2018 Treffen mit den Großaktionären geschrieben haben. Das Emirat Katar, der hierzulande misstrauisch beäugte chinesische Mischkonzern HNA, der weltgrößte Vermögensverwalter Blackrock und der US-Investor Cerberus wollen umgarnt werden. Nachdem Cryan unlängst schon Ärger mit Achleitner bekam, weil er es terminlich nicht schaffte, zum Antrittsbesuch bei den Chinesen vorbeizuschauen, sollte ihm ein solcher Fauxpas nicht nochmal passieren. Zu deutlich wurde seitens der großen Geldgeber schon Kritik an Cryan laut als das Achleitner diese überhören könnte.
Aus dem Umfeld eines der größeren Anteilseigner sind deshalb warnende Töne zu hören - wenn auch hinter vorgehaltener Hand: "Achleitner hat einen Pakt mit den Großinvestoren geschlossen und wenn die ihm sagen, er soll Cryan fallenlassen, dann wird er das auch tun."
Die Veränderungen bei den Bedürfnissen der Bankführungskräfte beobachtet auch Behrens. War früher der Dienstwagen wichtig, verliert er bei jüngeren Menschen an Bedeutung. Als Statussymbol habe das Auto an Strahlkraft verloren. Wer bei seinen Nachwuchskräften punkten will, solle lieber auf Flugreisen setzen. Ein Businessflug erzeuge mehr Eindruck als ein schicker Wagen. Auch mit Titeln könne man die jüngere Generation nicht mehr so locken, wie ihre älteren Kollegen. Ein neuer Titel anstelle einer Gehaltserhöhung, wie es früher bei Banken zum Teil vorkam, sei heute nahezu unmöglich.
Nicht immer hat es die Bank selbst in der Hand, ob sie attraktiv für ihre Arbeitskräfte ist. Manchmal ist es auch einfach eine Frage des Standorts. Es häufen sich die Meldungen über Banker, die nach dem Brexit lieber nicht von London nach Frankfurt ziehen wollen, sondern nach Paris oder in die USA. Behrens führt das auf das im Vergleich kleine Angebot von Bars und Clubs in der Stadt und die geringere Internationalität Frankfurts zurück. Hier sind den Banken die Hände gebunden.