Oppenheim-Prozess Madeleine und die bösen Banker

Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz präsentiert sich im Sal.-Oppenheim-Prozess als naive Hausfrau, die Verträge blind unterschrieb. Wie glaubwürdig ist die Zeugin?

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Madeleine Schickedanz auf dem Weg zu ihrer Aussage als Zeugin im Oppenheim-Prozess. Quelle: REUTERS



Die Milliardärin a.D. lässt auf sich warten. „Die Zeugin Schickedanz bitte auf Saal 210“, schallt es im Strafverfahren um den Niedergang des Bankhauses Sal. Oppenheim auf den Gerichtsflur. Kurze Zeit später wiederholt die Vorsitzende Richterin Sabine Grobecker ihre Durchsage. „Sie ist unterwegs“, gibt ein Justizbeamter zurück und wenig später betritt eine zierliche Frau mit brauner Tasche und grauem Kostüm den Saal: Madeleine Schickedanz, Erbin des Versandhauses Quelle, ehemalige Großaktionärin des Handelskonzerns Arcandor und bis 2009 eine der reichsten Frauen der Republik. „Geboren am 20. Oktober 1943", „Beruf Hausfrau", beginnt sie mit zittriger Stimme ihre Aussage. Und diese Fakten dürften im Grunde noch die verlässlichsten Informationen der Zeugin sein. An zentrale Abläufe, Unterlagen und Unterschriften, die für das Verfahren von Belang sind, kann oder will sich Schickedanz vor Gericht nicht erinnern.
Es entsteht das Bild einer in Geschäftsdingen heillos überforderten Frau, die Papiere blanko unterschrieb und den Beratern in ihrer Umgebung blind vertraute. Doch wie glaubhaft ist die Naivität, oder steht hinter den angeblichen Erinnerungslücken nicht doch Kalkül? Schließlich steht auch für Schickedanz viel auf dem Spiel. Zwar ist sie in dem Strafverfahren nur als Zeugin geladen. Doch in einem zivilrechtlichen Verfahren fordert sie von Sal. Oppenheim 1,9 Milliarden Euro Schadenersatz. Ihr Kernvorwurf: Sie sei von den Bankiers und dem mit Sal-Oppenheim eng verbandelten Immobilienunternehmer Josef Esch, de facto über den Tisch gezogen worden.
Richterin Grobecker tastet sich mit Fragen vor. In welcher Beziehung die 70-Jährige zu dem Traditionsbankhaus stand und welche Kredite sie dort aufgenommen hatte, will sie von Schickedanz wissen. „Der erste Kredit, den ich bei Sal. Oppenheim aufgenommen habe, war 2001“, sagt die Quelle-Erbin, „das so genannte Krimhild-Darlehen“, das sie für Aktienzukäufe bei dem Handelskonzern Arcandor einsetzte. Anfang 2002 trat dann Esch in ihr Leben - er besuchte sie in St. Moritz. Esch habe gesagt, man müsse Vertrauen aufbauen. Esch sei dann immer öfter vorbeigekommen. Im Laufe der Zeit habe sie immer mehr Dokumente unterzeichnet – „ich weiß es nicht mehr, was ich alles unterschrieben habe", resümiert Schickedanz. Sie habe sich vielmehr um ihre schwerkranke Tochter kümmern müssen und habe Esch und dem Bankhaus vertraut. Ihr finanzielles Engagement bei Arcandor stieg immer weiter. An einzelne Kredite könne sie sich aber „weiß Gott" nicht mehr erinnern.

Die Geschichte von Sal. Oppenheim

"Das kann ich nicht beschwören", "den genauen Zeitpunkt weiß ich nicht", "das sollten sie besser meinen Mann fragen" sind weitere Standardformulierungen von Schickedanz. Und immer wieder: "Da hab ich mich ganz auf ihn verlassen", sagt Schickedanz und meint damit Esch, der nur wenige Meter neben ihr sitzt und keine Miene verzieht.
Von besonderem Interesse ist vor Gericht vor allem ein Darlehen, das laut Schickedanz aber gar keines war. Im Frühjahr 2005 lieh sie sich einen Betrag von mehr als 300 Millionen Euro – wieder für ein Engagement bei Arcandor. Sal. Oppenheim kam zu diesem Zeitpunkt als Kreditgeber nicht infrage - zumindest offiziell. Hätte die Bank ihrer Kundin ein weiteres Darlehen gewährt, wäre wohl die Bankaufsicht eingeschritten. Also wurde eine Gesellschaft namens ADG Allfinanz zwischengeschaltet: Sie bekam von Sal. Oppenheim einen Großteil des Kredits und gab ihn an Schickedanz weiter. Vor Gericht behauptet Schickedanz, dass sie nur als „Strohfrau“ agierte. Die Bankiers hätten demnach nur den Namen der Quelle-Erbin genutzt, um sich heimlich selbst an Arcandor beteiligen zu können und kein formelles Übernahmeangebot unterbreiten zu müssen. Für sie sollte es keine Risiken geben, hieß es damals, beteuert Schickedanz. Verträge habe sie „in der Regel“ unterschrieben, ohne sie überhaupt richtig zu lesen, so Schickedanz, die mehrfach betont wie tief das Vertrauen in ihre Berater war. Die Aussage ist relevant – vor allem für das Zivilverfahren. Denn in einem der Papiere stellt sie ihre „sämtlichen Vermögenswerte“ zur „Absicherung der gewährten Darlehen zur Verfügung“. Kann Schickedanz die Gerichte davon überzeugen, dass es sich lediglich um eine Art Scheinvertrag handelte und sie nie die Absicht hatte, mit ihrem Vermögen zu haften, steigen auch die Chancen für ihre Schadenersatzklage.
Ein Vorstoß von Norbert Scharf, Verteidiger von Christopher Freiherr von Oppenheim, bringt die Zeugin indes in einige Verlegenheit. Er bringt ein Interview von Schickedanz mit der „Bild am Sonntag“ direkt nach der Arcandor-Insolvenz ins Spiel. „Wenn die Rettung von Arcandor scheitert und die Banken die Kredite fällig stellen“, wurde sie damals zitiert, „verliere ich alles – Häuser, Aktien, Beteiligungen an anderen Firmen. Ich bekäme mit meinen 65 Jahren noch nicht einmal Rente.“ Wusste Schickedanz also doch um die Details und Risiken des Darlehens, war sie mehr als eine Strohfrau?
Es könnte ein teures Interview für Schickedanz werden.

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