
Wenn Allianz-Finanzchef Paul Achleitner beim jährlichen Gipfeltreffen von Politik und Wirtschaft im Schweizer Kurort Davos Hof hält, bewegt er sich souverän und sicher im Kreis der globalen Wirtschaftselite. Dabei tritt Achleitner ohne Arroganz und Dünkel auf und nimmt sich stets Zeit für einen freundlichen Plausch auch mit den scheinbar weniger wichtigen der Gipfel-Gäste. Kein Zweifel, der Mann ist höhentauglich – nicht nur in den Schweizer Alpen. Auch die dünne Luft im Dax-Himmel kann seinem messerscharfen Verstand nicht das Geringste anhaben. Mit seinem robusten Nervenkostüm und seiner Stressresistenz ist er dem scheidenden Muster-Manager Ackermann ebenbürtig. Darüber hinaus verfügt der 55-Jährige über weitere wichtige Stärken, die er als Oberkontrolleur der designierten Doppelspitze der Deutschen Bank, Anshu Jain und Jürgen Fitschen, gut gebrauchen kann – aber auch über Schwächen, vor denen er sich hüten muss.
Erprobter Mammutjäger
Achleitner hat im Laufe seiner Karriere populäre Mammutdeals durchgezogen und genießt daher bei Unternehmern und TopManagern den Ruf eines routinierten Großwildjägers der Wirtschaft. Während seiner Zeit bei der US-Bank Goldman Sachs stemmte er 1996 den Börsengang der Deutschen Telekom und 2001 als Allianz-Manager die Übernahme der Dresdner Bank. Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise 2008 verhandelte er über den Kauf des amerikanischen Versicherungsriesen AIG, wobei sein derzeitiger Hauptarbeitgeber aus München allerdings nicht zum Zug kam. Der Allianz-Konkurrent flüchtete sich lieber in die Arme der US-Regierung, statt sich von privaten Investoren vor dem drohenden Kollaps retten zu lassen. Diese Erfahrungen verschaffen Achleitner den unerlässlichen Respekt von Jain und dessen selbstbewussten Investmentbankern in der Londoner City. Als Kenner des Geschäfts muss Achleitner nicht fürchten, von den M&A-Profis und Finanzjongleuren belächelt zu werden. Die Stimmen der Londoner Fraktion unter den Deutsche-Bank-Aktionären dürften ihm daher bei der Hauptversammlung Ende Mai 2012 sicher sein.
Agenda-Setter
Mit seinem Vorschlag, das Volumen des europäischen Euro-Rettungsschirms EFSF durch die Versicherung von Staatsanleihen zu erhöhen, hat Achleitner nicht nur mutig Stellung bezogen. Sein Konzept zur Milderung der Staatsschuldenkrise wurde in die Praxis umgesetzt. Damit hat er sich als Agenda-Setter erwiesen, der vorgibt, was getan werden muss. Ein Platz in den Wirtschaftsgeschichtsbüchern ist ihm deshalb schon jetzt sicher – egal, wie der Kampf um die Euro-Zone ausgeht.
Geschickter Diplomat
Der kluge Netzwerker Achleitner weiß, dass man sich in der Finanzbranche immer zweimal trifft und achtet daher auch in brenzligen Situationen auf den guten Ton. Ein Beispiel dafür schildert der US-Starjournalist Andrew Ross Sorkin in seinem 2009 erschienenen Enthüllungsbuch über die Praktiken an der Wall Street während der Finanzkrise: Als Achleitner in New York gemeinsam mit dem Investor Christopher Flowers um den pleitebedrohten Versicherer AIG bot, habe sein Partner dem damaligen AIG-Chef Robert Willumstad ein Mini-Angebot auf den Tisch geknallt. Schroff soll Flowers hinzugefügt haben, dass er Willumstad nach der Übernahme feuern werde. Als der AIG-Vorstand daraufhin den beiden Bietern entrüstet den Weg zur Tür wies, habe Achleitner Willumstad vorsichtig beiseite genommen und versichert, dass dies normalerweise nicht die Art von ihm und der Allianz sei, Geschäfte zu machen. Am harten Verhandlungsstil änderte das zwar nichts, trotzdem blieb Achleitner nach dem geplatzten Deal wohl in besserer Erinnerung als sein ungehobelter Partner Flowers.