
Im kleinen Saal 120 des Kölner Landgerichts geht es an diesem Freitagmorgen immer wieder heiter zu. Lacher provozieren nicht etwa die spröden Details des verhandelten Verfahrens, sondern die Ausführungen eines offenbar mäßig vorbereiteten Anwalts der Großkanzlei Freshfields. Er vertritt die Postbank, und es läuft nicht gut für ihn. Mehrmals belehrt der Richter ihn an diesem frostigen Februartag über Grundlagen des Prozessrechts. „Es geht nicht um Glaubensfragen, sondern um das, was vorgetragen wird. Sonst wären alle Urteile sehr schnell gesprochen“, sagt der Richter. Und: „Ich glaube nicht, dass Sie uns das Verständnis für die Sachlage absprechen können.“ Da freut sich das Publikum.
Dabei geht es in dem Prozess eigentlich um eine ernste Sache – und um viel Geld. Frühere Aktionäre der Postbank haben gegen das Institut geklagt, weil sie sich zu Unrecht rausgedrängt fühlen. Bis Sommer 2015 hatte die Deutsche Bank mehr als 95 Prozent der Postbank-Aktien übernommen. Um das Institut komplett unter ihre Kontrolle zu bringen und von der Börse zu nehmen, zahlte sie den verbliebenen Anteilseignern eine Abfindung von 30 Euro pro Aktie.
Auf der letzten Hauptversammlung der Postbank 2015 beschwerten sich etliche Aktionäre deshalb zum Teil heftig. Einige beließen es nicht bei dabei und verlangen nun Schadensersatz.
Die teuersten Rechtsstreitigkeiten der Deutschen Bank
In der Affäre um Geldwäsche von Kunden bei Wertpapiergeschäften in Moskau, London und New York muss die Deutsche Bank umgerechnet knapp 600 Millionen Euro an Aufsichtsbehörden in den USA und Großbritannien zahlen. Deutsche-Bank-Kunden kauften zwischen 2011 und 2015 bei der Moskauer Filiale Aktien großer Konzerne in Rubel - um diese dann an westlichen Handelsplätzen in dortiger Währung wieder zu verkaufen. So sollen rund 10 Milliarden Dollar Rubel-Schwarzgeld gewaschen worden sein. Die Deutsche Bank habe wegen Aufsichtsversagens zahlreiche Gelegenheiten ungenutzt gelassen, das Komplott zu unterbinden, urteilte die New Yorker Finanzaufsicht DFS und verhängte ein Bußgeld von 425 Millionen Dollar. An die britische Finanzaufsicht FCA muss die Deutsche Bank 163 Millionen Pfund zahlen.
Kurz vor Weihnachten einigt sich die Deutsche Bank mit den US-Behörden auf einen Vergleich über 7,2 Milliarden Dollar (6,7 Mrd Euro) für dubiose Hypothekengeschäfte aus Zeiten vor der Finanzkrise 2007/2008. 3,1 Milliarden Dollar werden als Zivilbuße fällig, 4,1 Milliarden Dollar muss die Bank über fünf Jahre verteilt an „Erleichterungen für Verbraucher“ zur Verfügung stellen. Wie sich das auf die Bilanz auswirkt, ist noch offen. US-Justizministerin Loretta Lynch kritisiert das Institut harsch: „Die Deutsche Bank hat nicht nur Investoren getäuscht, sie hat direkt zu einer internationalen Finanzkrise beigetragen.“ Ursprünglich hatte US-Justizministerium mit 14 Milliarden Dollar Strafe gedroht.
Die Deutsche Bank muss wegen ihrer Verstrickung in den Libor-Skandal um manipulierte Zinssätze eine Rekordstrafe von 2,5 Milliarden Dollar zahlen. Das Institut verständigt sich mit Behörden in den USA und Großbritannien auf einen Vergleich. Es ist die höchste bislang verhängte Buße gegen eine Bank in diesem Fall.
Die Bank zieht einen teuren Schlussstrich unter den Dauerstreit um die Pleite des Kirch-Medienkonzerns. Insgesamt 925 Millionen Euro kostet der am Oberlandesgericht München besiegelte Vergleich. Damit beendete die Bank die juristische Auseinandersetzung um eine Mitverantwortung für die Pleite des Kirch-Konzerns 2002.
Das Institut zahlt 1,9 Milliarden Dollar in einem Streit um Hypothekenpapiere in den USA. Die beiden staatlichen Immobilienfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac fühlten sich bei Hypothekengeschäften aus den Jahren 2005 bis 2007 übers Ohr gehauen.
Der Konzern steht für zwielichtige Hypotheken-Geschäfte der US-Tochter MortgageIT gerade. Um eine Klage aus der Welt zu schaffen, fließen 202 Millionen Dollar.
Das Geldhaus legt einen Streit mit der Stadt Mailand über umstrittene Zinswetten gegen eine Millionen-Zahlung bei. Insgesamt erhält die italienische Wirtschaftsmetropole 455 Millionen Euro. Die Entschädigungszahlung teilen sich vier Banken.
Ihre Chancen stehen offenbar gar nicht mal so schlecht. Das jedenfalls legen umfangreiche Unterlagen aus dem Prozess nahe, die der WirtschaftsWoche vorliegen. Demnach könnte die Deutsche Bank mit Unterstützung der Post deutlich früher als offiziell verkündet beherrschenden Einfluss auf die Postbank gewonnen haben. Gelingt der Nachweis eines solchen Zusammenspiels („Acting in Concert“), muss die Bank allen Aktionären einen Nachschlag zahlen – addiert wären dies im Extremfall wohl rund 1,5 Milliarden Euro.
Das wäre ein unerwarteter Schlag für die Deutsche Bank, die im Herbst 2008 bei der Postbank eingestiegen war. Drei Tage vor der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers feierte Vorstandschef Josef Ackermann die Transaktion als Meilenstein auf dem Weg zu einer solideren Deutschen Bank. Die Realität jedoch blieb hinter den Versprechungen zurück. Die eher halbherzig betriebene Kooperation beider Institute brachte weder bei den Kosten noch im Vertrieb durchschlagenden Erfolg. 2015 beschloss die Deutsche Bank, sich wieder von der Postbank zu trennen, brach das Projekt aber vor wenigen Wochen mangels Interessenten ab. Nun will sie das Bonner Institut integrieren.
Übernahme in Etappen
Es ist das Finale eines langen Wegs. Auf dessen erster Etappe hatte die Deutsche Bank der Post zunächst etwas weniger als 30 Prozent der Postbank-Aktien abgekauft. Sie blieb bewusst unter dieser Schwelle, weil sie sonst allen Aktionären ein Angebot hätte machen müssen. Gemessen am Durchschnittskurs der vergangenen Monate, hätte das bei ungefähr 57 Euro pro Aktie gelegen. Die Offerte holte die Bank im Oktober 2010 nach. Mittlerweile hatte sich der Aktienkurs der Postbank halbiert, Ackermann musste nur noch 25 Euro pro Aktie bieten.
Vielen Aktionären war das zu wenig. Als Erstes klagte im November 2010 die in Postbank-Aktien investierte Muttergesellschaft des Börsenbriefs „Effecten-Spiegel“. Die Forderung nach einem kräftigen Nachschlag stützte deren Anwalt darauf, dass die Deutsche Bank tatsächlich spätestens seit Anfang 2009 das Sagen bei der Postbank gehabt habe und den anderen Aktionären da schon ein Übernahmeangebot hätte machen müssen – für besagte 57 Euro pro Aktie.
Drohte der Postbank der Kollaps?
Die Anwälte der Deutschen Bank haben das stets bestritten. In einem ersten Schreiben argumentieren sie, dass es mit der Post lediglich Vereinbarungen zum gemeinsamen Vertrieb von Produkten und beim Einkauf, aber „keine Koordination“ und „keinen Einfluss auf die Stimmrechte“ der weiter von der Post gehaltenen Aktien gab. In den ersten Prozessen setzten sie sich damit durch. Doch der Bundesgerichtshof entschied, dass die Frage detailliert geklärt werden muss. Seitdem wird in Köln wieder verhandelt. Entschieden werden soll im Juni.