Nach dem Zweiten Weltkrieg ließen sich Matthias Graf von Krockows aus Pommern geflüchteten Eltern in ihrer neuen Heimat bei Trier nieder und bauten sich mit Eiern aus dem heimischen Hühnerstall eine neue Existenz auf.
Nun erlebt die Familie erneut das Drama von Verfall und Neubeginn. Denn der Reichtum, den von Krockow als Sprecher der persönlich haftenden Gesellschafter der Kölner Privatbank repräsentierte, ist größtenteils perdu. In dem adligen Frontmann selbst sehen viele den Hauptschuldigen für das Ende von Europas einst größter unabhängiger Privatbank. Deren Untergang verhinderte 2009 nur die von Politik und Bankenaufsicht forcierte Notübernahme durch die Deutsche Bank. Sal. Oppenheim lebt als Tochterunternehmen fort, aber die früheren Eigentümer haben bei dem Institut nichts mehr zu sagen.
Villen, Kunstwerke und Statussysmbole
Rund 40 Gesellschafter hatte die Bank zum Zeitpunkt ihres Nahtods. Einige haben mit dem Institut ihre Existenzgrundlage verloren. Zwar zahlte die Deutsche Bank rund eine Milliarde Euro Kaufpreis an die Altgesellschafter. Jedoch übernahm sie zugleich hohe Kredite, die die Bank ihren Alteigentümern gewährt hatte. Viele Villen, Kunstwerke und Statussymbole dienen nun als Sicherheiten für die vor dem Niedergang angehäuften Verbindlichkeiten.
Über Jahrzehnte lieferte das 1789 gegründete Institut verlässlich Millionengewinne, überstand Kriege und Revolutionen. Das ermöglichte seinen Eigentümern ein Leben zwischen Galopprennen, Kunstsammlung und Geschäftsdinner. Mit einem Vermögen in Milliardenhöhe rangierten sie in den Ranglisten der reichsten Deutschen stets weit oben. Dieser Glanz sollte auch auf die Oppenheim-Kunden abfärben. Sie erhielten Zutritt zu einer Parallelwelt des unbescheidenen Reichtums. Zu von der Bank gesponserten Poloturnieren flogen indische Maharadschas ein, die Gartenfeste, die bis zu eine Million Euro gekostet haben sollen, bekochten Spitzengastronomen. Sogar Ehen sollen mithilfe der Bank gestiftet worden sein.
Finanziell schwierig
Mit der Herrlichkeit ist es für die ehemaligen Gesellschafter vorbei. Zwar wohnen die meisten noch in ihren angestammten Villen, leben viele, als wäre nichts geschehen. Doch: „Für alle, die kein Einkommen neben der Bank oder nicht reich geheiratet haben, sieht es finanziell schwierig aus“, sagt ein Insider. Denn bei vielen übersteigen die aufgenommenen Kredite das vorhandene Vermögen deutlich. Im Grunde sind etliche Familienangehörige wohl längst Kandidaten für eine Privatinsolvenz. Dass es dazu bisher nicht kam, ist der zögerlichen Verwertung der Sicherheiten durch die Deutsche Bank zu verdanken. Doch die Folgen sind allseits spürbar. Schon werden erste Villen und Kunstwerke verkauft.
Sal. Oppenheim war für beteiligte Familien wie von Oppenheim, Ullmann, Pferdmenges, Marx, Strasoldo und von Wrede mehr als eine materielle Versorgungsgrundlage. Die Bank war auch Identitätsstifter, ihre wechselvolle, aber letztlich stets erfolgreiche Geschichte verlieh den Eigentümern eine Aura der Unverwundbarkeit.
Wappennutzung verkauft
Der Schmerz über den Verlust sitzt tief, Zerwürfnisse sind offenkundig. Einige Gesellschafter, so ein Wegbegleiter, reden längst nicht mehr miteinander. Die Verbindung der Sippe zur Bank hat die neue Eigentümerin radikal gekappt. Als der seit 2010 amtierende Bankchef Wilhelm von Haller in der vergangenen Woche seinen 60. Geburtstag feierte, beehrte zwar viel Kölner Prominenz das Ereignis. Doch die früheren Oppenheim-Bankiers mussten bis auf wenige Ausnahmen wie Clemens von Wrede alle draußen bleiben.
Von Wrede ist als einziges nicht in die Machenschaften der Ex-Verantwortlichen verstricktes Familienmitglied als Brückenbauer zwischen neuer und alter Bankwelt weiter bei Sal. Oppenheim beschäftigt. Er hält Verbindungen zu besonders vermögenden Altkunden. Selbst das Archiv, das die Geschicke des Instituts und der Familie dokumentiert, gehört nun der Deutschen Bank. Oppenheim-Insider berichten, dass die Familie auch die Nutzung ihres Wappens, das in der Bank viele Kaffeetassen ziert, an die Deutsche Bank verkauft hat.
Institution wie Karneval
Aus erzwungener Entfernung blicken die Ex-Eigentümer mit großem Interesse auf die Entwicklung ihres früheren Besitzes. Denn sie haben mit der Deutschen Bank eine Vereinbarung geschlossen, die ihnen 2014 eine Nachzahlung auf den Kaufpreis in Millionenhöhe in Aussicht stellt. Dazu kommt es jedoch nur, wenn Sal. Oppenheim Gewinne schreibt und nicht zu hohe Verluste aus der Zusammenarbeit mit dem Troisdorfer Immobilienentwickler Josef Esch anfallen. Ob das gelingt, ist fraglich. Und so grummelt es im Clan, werden Vorwürfe gegen die früheren Verantwortlichen laut. Selbst juristische Scharmützel innerhalb der Familie sind nicht mehr auszuschließen.
Auch die feine Kölner Gesellschaft hat den Fall des Hauses Oppenheim noch nicht verkraftet. Die Bank war dort eine Institution wie Karneval und Dom. Als Wohltäter waren die Oppenheims ihrer Heimatstadt eng verbunden. Der Bau der ersten Eisenbahnlinien, die Entstehung des Botanischen Gartens und des Zoos gehen auf Initiativen der Oppenheims zurück. Auch bei der Gründung des Dombau-Vereins 1842 und beim Wiederaufbau der Universität nach dem Zweiten Weltkrieg war die Familie dabei. Dem Wallraf-Richartz-Museum schenkte sie Gemälde. Noch vor fünf Jahren schien es unvorstellbar, dass diese Beziehung einmal zu Ende gehen könnte.
Sal. Oppenheim
1789 gründet Salomon Oppenheim jr. in Bonn eine Bank.
1798 zieht die Bank nach Köln. Sie engagiert sich bei der Eisenbahnfinanzierung und dem Aufbau der Colonia Versicherung.
Unter Alfred von Oppenheim konzentriert sich die Bank ab den Sechzigerjahren auf Vermögensverwaltung für reiche Kunden.
Mit Übernahme der BHF-Bank 2005 wird Sal. Oppenheim zur größten unabhängigen Privatbank Europas.
Wegen Ungereimtheiten beim gemeinsam mit dem Immobilienunternehmer Esch finanzierten Neubau der Kölner Messe 2006 leidet der Ruf der Bank ernsthaft. Die enge Verquickung mit Esch sorgt in den Folgejahren immer wieder für Negativschlagzeilen.
2008 schreibt Sal. Oppenheim erstmals in der Geschichte des Bankhauses rote Zahlen.
Das Ende der Unabhängigkeit besiegelt die Insolvenz des Handelskonzerns Arcandor 2009. Die Bank hatte über Scheingesellschaften unzureichend besicherte Kredite an Hauptaktionärin Madeleine Schickedanz gewährt und sich als größter Eigner beteiligt.
Sal. Oppenheim gerät in ernste Schieflage und wird 2010 komplett von der Deutschen Bank übernommen.
Missliche finanzielle Lage
Ex-Bankchef von Krockow zählt zu denen, die die Pleite am schwersten getroffen hat. Wo man auch hinhört, wird seine finanzielle Lage als misslich eingeschätzt. Denn er ging, so heißt es, tatsächlich mit gutem Beispiel voran und investierte einen Großteil seines Vermögens in geschlossene Fonds, die Sal. Oppenheim gemeinsam mit dem Immobilienentwickler Esch aufgelegt hatte. Für diese nahm auch er Kredite bei dem Institut auf, zudem bürgte er für Darlehen an die Quelle-Erbin und Oppenheim-Kundin Madeleine Schickedanz. Die Höhe der Verbindlichkeiten, so heißt es im Umfeld der Bank, dürfte sein Vermögen deutlich übersteigen.
Gelegentlich sehen ihn alte Bekannte noch in Frankfurter oder Kölner Restaurants mit einem seiner wenigen verbliebenen Vertrauten speisen, doch das gesellschaftliche Leben findet längst ohne den Fast-zwei-Meter-Mann statt. Im Förderkreis des Vereins Brühler Schlosskonzerte etwa hat ihn sein Nachfolger von Haller ersetzt. Und mit dem Aufsichtsratsvorsitz bei Fiat Deutschland hat der 63-Jährige, wie das Unternehmen bestätigt, im Februar sein letztes Amt aufgegeben.
"Gespenstische Auftritte"
In der Bank, für die er 25 Jahre arbeitete und die er mehr als ein Jahrzehnt führte, taucht von Krockow schon lange nicht mehr auf. Sein Büro durfte er nach der Übernahme nur wenige Wochen behalten, gelegentlich schaute er später noch als Kunde vorbei. Ein Mitarbeiter spricht von „gespenstischen Auftritten“. Die adligen Ex-Eigentümer der Bank, in deren Kreis von Krockow durch die Heirat mit Ilona Baronin von Ullmann aufrückte, gehen auf Distanz. In der Kirche blieben bei der Beerdigung von Krockows Mutter viele Plätze frei, es kamen kaum Angehörige der Stämme Ullmann und Oppenheim sowie der ehemaligen Miteigner Pferdmenges, Strasoldo und von Wrede.
Dabei steht von Krockow und anderen früheren Top-Managern die schwerste Demütigung noch bevor. Kurz vor Weihnachten 2011 erreichte sie die erste Anklage der Kölner Staatsanwaltschaft. Für die Betroffenen war das ein Schock. Bis dahin hätten sie den Verlust der Bank zwar bedauert, sich aber schuldlos gefühlt. „Sie haben die Realität völlig verleugnet“, sagt selbst ein Vertrauter von Krockows. Inzwischen gibt es noch eine weitere Anklage, und in Justizkreisen gilt als sicher, dass es nicht dabei bleiben wird. Gefängnis statt Luxusvilla? Viele Beobachter gehen davon aus, dass der bisherige Niedergang nur eine Teilstrecke auf dem Weg nach unten ist.
Alte, heile Welt in Quadrath-Ichendorf
Die alte, heile Oppenheim-Welt – in Quadrath-Ichendorf, rund 20 Autominuten außerhalb Kölns lässt sie sich noch besichtigen. Auf den sattgrünen Wiesen des 1869 von einem Vorfahren gegründeten Gestüts Schlenderhan tollen Vollblutpferde, zwischen sanften Hügeln duckt sich ein hufeisenförmiges Stallgebäude. Das kameragesicherte Einfahrtstor erlaubt auserwählten Besuchern die Zufahrt, nur vom Friedhof der Kirche St. Laurentius lässt sich ein Blick auf das zum Gestüt gehörende Schloss erhaschen. Hier bleibt man unter sich, was Mythen nährt. Die Pferdeboxen seien zum Teil aus Ebenholz, raunt man im Ort. Zumindest hier kann die Familie noch Siege feiern: Auf der Erfolgsliste des Direktoriums für Vollblutzüchter und Rennen steht das Gestüt regelmäßig auf Platz eins.
Hier residierte bis zu ihrem Tod 2009 Karin von Ullmann, die große alte Dame der Familie. Ihr Sohn Georg sollte eigentlich als Aufsichtsratsvorsitzender über die Umtriebe seines Schwagers von Krockow wachen, fühlte sich aber mehr zum Lebemann berufen. Mit seiner wohlhabend geborenen Frau Corinna fuhr er ins britische Ascot zum Pferderennen und kaufte mit einem Kompagnon eine Zigarrenfabrik in der Dominikanischen Republik. Seine „Baron Ullmann Cigars“ ließ er als „Das Beste vom Besten – mit den Besten“ bewerben.
Der gewohnte Lebensstil
Ob die Familie das Gestüt behalten kann, ist unklar. Wenn die Deutsche Bank Ernst macht und auf der Rückzahlung sämtlicher Kredite besteht, dürfte es kaum zu halten sein, weil es als Sicherheit dient. Schon jetzt, so heißt es, engagiert sich Ullmanns Schwiegervater, der Düsseldorfer Unternehmer und Ehrenbürger Udo van Meeteren, finanziell, um seiner Tochter den gewohnten Lebensstil bieten zu können. Ebenfalls unklar ist die Zukunft des Luxushotels Château Béla in der Slowakei, das Georgs Schwester Ilona in einer Sommerresidenz der Familie eröffnet hat.
Wie schnell die alten Zeiten vorbei sein können, erfährt derzeit Jeane Freifrau von Oppenheim. Die 71-Jährige, die bis heute für die CDU als „sachkundige Einwohnerin“ im Kölner Kulturausschuss sitzt, bereitet ihren Abschied aus der Villa in der Marienburger Straße vor, in die sie nach dem Tod ihres Mannes Alfred gezogen ist. Der Besitzer, die Deutsche Bank, will die aufwendig sanierte Luxusimmobilie verkaufen, heißt es aus Jeanes Umfeld. Die Baronin suche derzeit nach einem schicken Apartment in der Kölner City, sagt ein Eingeweihter. Für Kunst wird dort wohl nur eingeschränkt Platz sein. Von einem großen Teil ihrer Sammlung von Fotografien und Grafiken werde sie sich deshalb trennen müssen.
In Sachen Villa
In Sachen Villa ermitteln auch die Kölner Staatsanwälte. Sal. Oppenheim hatte die Immobilie für 3,9 Millionen Euro erworben und für 8,4 Millionen umgebaut. Nach dem Einzug bezahlte Sohn Christopher Miete für seine Mutter, die nur halb so hoch war, wie sie hätte sein müssen. Die Staatsanwaltschaft sieht das als Untreue.
Mittwoch, 14. März 2012: Die Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Köln lädt zur Vollversammlung – und anders als sonst fehlt Christopher von Oppenheim. Er wird hier immer noch als Vertreter des Bankhauses begrüßt, obwohl er alle Führungsposten räumen musste.
Feine Kölner Kreise
Als letzter Namensträger der Adelsfamilie geht der Freiherr bis heute in den feinen Kölner Kreisen ein und aus. Wegen seines unscheinbaren Auftretens gilt Christopher vielen eher als Opfer denn als Mitverantwortlicher. Der Freiherr sei, so eine These, von den übrigen, mit dominantem Naturell ausgestatteten Gesellschaftern zu dubiosen Machenschaften gedrängt worden. Gegenüber Kunden soll Christopher damit kokettiert haben, Volkswagen zu fahren. Dass dies ein Luxusmodell Marke Phaeton war, blieb unerwähnt.
„CvO“ – wie er oft abgekürzt genannt wird – „wird sehr anständig in Köln behandelt“, erzählt ein langjähriger Weggefährte. In wichtigen Klüngel-Runden der Stadt wie den Kuratorien der Fritz Thyssen Stiftung und der Universität war er bis zuletzt aktiv. Langjährige Freunde wie der Industrielle Arend Oetker lassen den Freiherrn nicht über Nacht fallen. Auch die Deutsche Bank tritt „bewusst gesichtswahrend gegenüber Christopher von Oppenheim auf“, wie es aus dem Umfeld heißt. Sie stattete ihn trotz laufender Ermittlungen mit einem Vertrag als Berater aus, der Ende März auslief.
Einkaufen bei Aldi
Ändern wird sich das, wenn der Strafprozess gegen ihn eröffnet wird. Christopher, so sein Anwalt Klaus Volk, werde die Vorwürfe zurückweisen. Als Schatzmeister der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik wäre er wohl dennoch nicht mehr tragbar. Und bei der Wahl in zwei Jahren, heißt es, werde er seinen Abgeordnetenposten bei der IHK verlieren. Zudem macht auch er die Erfahrung schwindenden Wohlstands. Um ihrer Tochter nebst Familie weiter ein angemessenes Zuhause bieten zu können, haben seine Schwiegereltern, die Vorwerk-Eigentümer Mittelsten Scheid, seine Villa in der Lindenallee gekauft.
Das ist einigen Familienangehörigen als Strafe für begangene Missetaten zu wenig. Eine Altgesellschafterin, deren Wut auf die Ex-Chefs der Bank sich nicht ansatzweise gelegt hat, ist Henriette Gräfin Strasoldo. Sie wohnt auf der Burg Gudenau in Wachtberg, südlich von Bonn. Viel mehr als die im 13. Jahrhundert erbaute Wasserburg ist ihr nicht geblieben. „Vor der Pleite habe ich nie einen Fuß in einen Aldi gesetzt“, gesteht sie. Jetzt kauft sie dort regelmäßig ein.
Bank als Selbstbedienungsladen
Für den Verlust ihres Vermögens macht die Gräfin das Ex-Führungsquartett verantwortlich – Matthias von Krockow, Christopher von Oppenheim, Friedrich Carl Janssen und Dieter Pfundt. „Sie haben die Bank als Selbstbedienungsladen genutzt und gehören hinter Gitter“, schimpft Strasoldo und macht keinen Hehl daraus, dass die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen eine Genugtuung für sie sind: „Keiner konnte sich vorstellen, dass die Bank pleitegeht und das gesamte Vermögen weg ist.“
Der Riss geht tief durch die einstmals eng befreundeten Adelshäuser. Nicht bei Sal. Oppenheim aktive Altgesellschafter wie Nicolaus Freiherr von Oppenheim, die Familien Pferdmenges, Marx, Marquardt, Strasoldo und von Wrede haben gegen die familienfremden früheren Top-Manager Janssen und Pfundt Strafanzeige wegen Betrugs gestellt. Die beiden hatten 2009 ihre Bankanteile für je 18 Millionen Euro an die übrigen Aktionäre verkauft. Da in der Bilanz 2008 die vorhandenen Risiken bewusst viel zu niedrig angesetzt gewesen seien, tauge diese nicht als Grundlage für die Auszahlung. Die Alteigner wollen deshalb zivilrechtlich je rund sechs Millionen Euro von Janssen und Pfundt zurückfordern. Die Klage wird ihr Anwalt Hans-Michael Pott von der Kanzlei Sernetz Schäfer wohl im Sommer einreichen. Pfundt weist die Vorwürfe zurück: „Der Rücknahmepreis der Aktienanteile war nicht verhandelbar.“
Sal. Oppenheim und Esch
Ab wann die Bilanz und damit auch die Bewertung von Sal. Oppenheim falsch war, spielt auch in einer anderen möglichen Auseinandersetzung eine wichtige Rolle. Henri Pferdmenges, dessen Vater kurz vor der Beinahe-Pleite verstarb, will einen Teil der Erbschaftsteuer für seine angeblich zu hoch bewerteten Sal.-Oppenheim-Anteile vom Land Nordrhein-Westfalen zurückfordern. Hätte die Bank die Risiken korrekt in der Bilanz 2008 ausgewiesen, wäre sein Erbe beim Tod des Vaters viel weniger wert gewesen – und die Steuer deutlich niedriger. Wenige Tage nach dem Erbfall waren Pferdmenges’ Anteile de facto wertlos. Trotzdem musste er einen Millionenbetrag an den Staat zahlen.
Der Zorn vieler Kunden trifft nicht Sal. Oppenheim allein. Zu eng waren die Geschicke des Geldhauses mit denen des Immobilienentwicklers Esch verwoben. Gemeinsam mit der Bank hatte er geschlossene Immobilienfonds konzipiert, die den Bankkunden als Steuersparmodell und sichere Investments offeriert wurden. 65 solcher Fonds gibt es. Sal. Oppenheim verdiente über die Finanzierung mit, zudem zeichneten die Bankiers oft selbst die Fonds – was bei der Akquise reicher Investoren für zusätzliches Vertrauen sorgte.
Wütende Kunden
Heute läuft etwa ein Drittel der Fonds schlecht. So platzierte Esch fünf Fonds mit dem Hauptmieter Karstadt. Nach der Pleite des Warenhauskonzerns wurden auch die Mietzahlungen angepasst. Zuvor gerieten Großprojekte wie die Kölnarena und der Bau der neuen Kölner Messehallen zum Skandal. Die EU-Kommission will das Messeprojekt wegen fehlender Ausschreibungen rückabwickeln. Bei den schlecht laufenden Fonds reichen die Ausschüttungen nicht aus, um die beim Bankhaus aufgenommenen Kredite zu bedienen. Einige Kunden gehen juristisch gegen Sal. Oppenheim und Esch vor, klagen auf Rückabwicklung oder versuchen Esch aus der Geschäftsführung einzelner Fonds zu drängen. Die Oppenheim-Familien halten sich dabei zurück. Das mag daran liegen, dass die Protagonisten bis heute verbandelt sind. Gemeinsam mit von Krockow betreibt Esch weiter den Jetverleih Challenge Air. Das Duo teilt sich ein Anwesen auf Ibiza, das Kölner Wohnhaus des Grafen gehört Esch.
Von tiefem Vertrauen in die Fertigkeiten des Troisdorfers waren ein knappes Dutzend Unternehmer, Erben und Manager beseelt, unter ihnen Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz und der spätere KarstadtQuelle-Frontmann Thomas Middelhoff. Letzterer steckte mit seiner Frau Cornelie rund 155 Millionen Euro – zum Großteil über Schulden finanziert – in acht Fonds, darunter pikanterweise vier Karstadt-Immobilien.
Schulden begleichen
Middelhoff fühlt sich mittlerweile von Esch geschröpft und droht mit Klage. Sein Anwalt Winfried Holtermüller spricht von zu hohen Planungskosten und -gebühren. Eschs engste Mitarbeiter Lothar Ruschmeier und Dirk Froese halten dagegen. „Die Diskussion ist absurd“, sagt Froese. Derlei Aufwendungen entstünden bei jedem Immobilienprojekt. „Ohne Planung und Baugenehmigung kann man nicht einmal ein Einfamilienhäuschen bauen“, argumentiert Ruschmeier, der frühere Kölner Oberstadtdirektor. Im Übrigen sei der Versuch, die Steuerlast zu senken, für „viele Anleger ein zentrales Anlagemotiv“ gewesen. Damit die Idee aufgeht, hätten die Steuerersparnisse aber für die Tilgung der Kredite eingesetzt werden sollen. „Wer diese Anlagedisziplin nicht aufbringt, bekommt zwangsläufig irgendwann Probleme“, sagt Ruschmeier.
Im Klartext soll das wohl heißen: Statt ihre Steuerrückzahlungen zu verjubeln, hätten die Middelhoffs erst mal ihre Schulden begleichen sollen. Ohnehin sieht Ruschmeier die Probleme einiger Fonds direkt mit der Person Middelhoff verbunden. „Er ist mitverantwortlich dafür, dass die Karstadt-Fonds nicht gut laufen. Er kann sich nicht davon freisprechen, dass er an der Pleite beteiligt war.“ Beim Karstadt-Warenhaus in Potsdam, an dem Middelhoff privat beteiligt ist, darf er seine Managementkünste nun erneut unter Beweis stellen. Nach Informationen der WirtschaftsWoche ließ er sich vor wenigen Monaten zum Esch-Nachfolger als Geschäftsführer des Fonds küren.
Deichmann und Schickedanz
Auch Esch zerrt Middelhoff vor den Kadi. Vor dem Landgericht Bielefeld fordere Esch in mehreren Klagen rund zwei Millionen Euro, sagt Middelhoffs Anwalt Holtermüller. Bei dem Streit geht es um die Frage, ob Middelhoff den Pachtzins für eine Yacht vom Typ Mangusta 108 samt Hafengebühren und Crewkosten sowie die Ausgaben für diverse kostspielige Flüge tragen müsse. Holtermüller sagt, sein Mandant „schuldet Esch nichts“, alle Verträge seien rechtzeitig gekündigt worden.
Auch andere Oppenheim-Esch-Kunden machen mobil. Der Schuhhandelsclan Deichmann geht gegen die Esch-Gruppe vor, auch Maxdata-Gründer Holger Lampatz steht vor rechtlichen Schritten. Großkundin Schickedanz macht ihren früheren Vermögensverwalter gar für den Verlust ihres Milliardenerbes verantwortlich. „Dass die wirtschaftliche Lage von Frau Schickedanz so prekär ist wie von ihr dargestellt, wage ich zu bezweifeln“, sagt Ruschmeier. „Sie versucht sich jetzt als verarmte, vertrauensselige Erbin zu inszenieren. Tatsächlich war sie immer informiert und hat ihre eigenen Entscheidungen getroffen.“
Überschaubare Probleme
Ohnehin hält die Esch-Seite die Probleme für überschaubar. Ruschmeier spricht von einer „lautstarken Gruppe“, die Rabatz mache. Die Mehrheit unterstütze in vielen Fonds die bisherige Geschäftsführung. Fragt sich nur, wie lange noch. In etlichen Fonds würden die Anteilseigner in den kommenden Monaten rebellieren, erwartet ein Vertreter mehrerer Anleger.
Esch hat derweil vorgebaut. Gemeinsam mit Ruschmeier, Froese und seinem Stiefsohn Thomas Walter hat er die E & RFW Gesellschaft für Immobiliendienstleistungen gegründet. Über das Unternehmen sollen offenbar neue Projekte für Wohnimmobilien vorbereitet werden – wenn auch eine Nummer kleiner als zu Oppenheim-Zeiten. „Das Volumen beginnt bei 20 bis 25 Millionen Euro“, sagt Ruschmeier.
Die Marke Oppenheim
Für die ehemaligen Bank-Eigentümer sind diese Streitereien deshalb wichtig, weil ihre mögliche Nachzahlung auch vom Ergebnis der Esch-Fonds abhängt. Das Schicksal der Bank ist weiter eng mit Esch verknüpft, auch wenn Bankchef von Haller offiziell jede Verbindung gekappt hat. Doch die Kredite für die Investitionen bei Esch kamen fast immer von Sal. Oppenheim. Die Bank hält die Risiken für beherrschbar und hat Rückstellungen gebildet.
Nach Milliardenverlusten in den ersten Jahren ist die Bank zwar nun offiziell gut unterwegs, aber intern, so heißt es, regieren Durchhalteparolen. Die Fluktuation von Mitarbeitern liegt bei niedrigen 2,5 Prozent im Jahr, aber es gibt weiter viele Abgänge. Der Leiter des Portfoliomanagements Reinhard Pfingsten hat gerade gekündigt, ebenso ein Team in München. Vor allem aber geht trotz anderslautender Bekenntnisse die Angst um, dass die Deutsche Bank die Marke irgendwann aufgibt, weil diese mit zu vielen Makeln behaftet ist und das eigene Angebot dem der Tochter sehr ähnlich ist. Das wäre dann das endgültig unrühmliche Ende einer langen Geschichte.