
Am kommenden Freitag kommt der Aufsichtsrat der Bremer Landesbank zusammen. Es ist ein turnusmäßiges Treffen, das aber im Lichte der jüngsten Entwicklung enorm an Bedeutung gewonnen hat. Für eine besondere Dramatik sorgt die Einschätzung von Moody’s am Mittwoch. Die Fähigkeit, aus eigener Kraft Verbindlichkeiten zu bedienen respektive eine Insolvenz zu vermeiden („standalone baseline credit assessment”), wurde um vier Stufen von B1 auf Caa2 gesenkt. Danach sind nur bei günstiger Entwicklung keine Ausfälle zu erwarten. Die Bank unterhält allerdings mit Moody’s seit Anfang 2014 keine vertraglichen Beziehungen mehr. Die Bank hat sich bislang nicht zu diesem Ratingurteil geäußert.
Für ihre Einstufung griffen die Bonitätswächter auf allgemein zugängliche Informationsquellen zurück. So erwartet die Bank im laufenden Jahr Einzelwertberichtungen auf Schiffskredite im hohen dreistelligen Millionenbereich. Der daraus resultierende Verlust soll sich im mittleren dreistelligen Millionenbereich bewegen. „Maßnahmen zur Stärkung des Eigenkapitals sind eingeleitet“, berichtete die Bank Anfang Juni 2016. Der Kapitalbedarf soll sich im mittleren dreistelligen Millionenbereich bewegen. „Die Bank braucht ausreichende Kapitalpuffer über den regulatorischen Anforderungen hinaus“, urteilt Moody‘s.
Weniger drastisch fällt die Abstufung aus, wenn Moody’s die mögliche Hilfe des Mehrheitsgesellschafters NordLB und die Einlagensicherung der Sparkassenfinanzgruppe berücksichtigt. Da Hilfsmaßnahmen als sehr wahrscheinlich angesehen werden, sinkt die Bonität unter dieser Prämisse um zwei Stufen auf b1. Damit gelten Anlagen bei der BLB als hochspekulativ. Was für eine Landesbank auch nicht gerade ein Qualitätsurteil darstellt.
Die wichtigsten Antworten zur Bremer Landesbank
Bei der Bremer Landesbank (BLB) ist eine Bombe hochgegangen: Für 2016 erwartet die Bank bei an die Schiffsbranche vergebenen Krediten unerwartete Abschreibungen massiver Art; es geht um einen hohen dreistelligen Millionenbetrag, also um weit mehr als eine halbe Milliarde Euro. Das Spezialgebiet Schiffsfinanzierung ist Teil der DNA bei der maritim geprägten BLB. Der Auslöser der Wertberichtigungen: „anhaltend schwierige Marktbedingungen“, wie die BLB kürzlich berichtete.
Die sind zwar noch nicht absehbar. Doch fest steht: Die BLB benötigt dringend frisches Geld, und das nicht zu knapp. Doch was sie selber wenig konkret als „Maßnahmen zur Stärkung des Eigenkapitals“ bezeichnet, wirft Fragen auf. Denn hinter dem Geldhaus steht das Land Bremen mit einem Anteil von 41 Prozent und vor allem die Landesbank NordLB mit 55 Prozent, die mehrheitlich Niedersachsen gehört. Das birgt Sprengstoff: Wer soll und darf bei der Misere einspringen und zu welchem Preis? Die BLB müsste womöglich Teile ihrer Eigenständigkeit aufgeben.
Für gewöhnlich müssten die Träger Geld nachschießen. Doch das hätte gleich mehrfach einen Haken: Bremen ist hoch verschuldet und Stützen aus der Hansestadt wären offensichtlich eine laut EU-Recht verbotene Beihilfe, die dem fairen Wettbewerb zuwiderliefe. Theoretisch könnte die NordLB die Sache übernehmen, die Stütze überweisen und das Geld bei sich abschreiben. Doch sie steckt selber in der Krise und hat nichts zu verschenken, zumal ihre Dividende zuletzt öfter ausfiel. Alternativen wären eine Komplettübernahme oder eine Fusion. Doch das benötigte nicht zuletzt auch den politischen Rückhalt beider Länder.
In den Schiffsfinanzierungen steckten bei der BLB Ende 2015 fast 8 Milliarden Euro Vermögen. Bei ihrer Bilanzsumme von insgesamt rund 30 Milliarden Euro ist das gut ein Viertel. Das Segment ist schon länger verlustbringend: 153 Millionen Euro Zinsgewinnen standen 2015 fast 390 Millionen Euro Risikovorsorge für Kreditausfälle entgegen. Auch 2014 war der Bereich dick im Minus, als es zwar 129 Millionen Euro Zinsgewinn gab, aber 216 Millionen Euro Risikopuffer. Zum Vergleich die weitaus größere Bilanzsumme der NordLB: 181 Milliarden Euro.
In einer Mitteilung an die Finanzmärkte schreibt das Geldhaus: „Damit reagiert die Bremer Landesbank auf ihre veränderte Einschätzung des Marktes für Schiffsfinanzierungen, der sich nach Erwartung der Bremer Landesbank mittelfristig nicht signifikant erholen wird.“ BLB-Chef Stephan-Andreas Kaulvers ließ erklären, dass die „Bereinigung und der Abbau des Schiffsportfolios mit hohen Wertberichtigungen verbunden sein werden (...) Das ist für uns herausfordernd, aber beherrschbar.“
Nein, die Schiffsbranche steckt seit Jahren tief in der Krise. Auch die große NordLB musste im Startquartal 2016 wegen maroder Kredite einen neuen Risikopuffer über 435 Millionen Euro bilden, was unterm Strich mit 84 Millionen Euro Verlust brachte. „Wir erwarten auch in den kommenden Quartalen keine Verbesserung der Lage an den Schiffsmärkten“, sagte NordLB-Chef Gunter Dunkel Mitte Mai. Das Jahr 2016 soll daher auch bei der NordLB mit einem Verlust enden.
Offensichtlich sah sie lange Hoffnung für Licht am Ende des Tunnels. Zwar schrieb sie in der Bilanz für 2015 von „weiterhin erheblichen Belastungen“ im Schiffssegment. Auch bestünden durch den Schwerpunkt in dem Segment generell „hohe Konzentrationsrisiken“ und „eine nachhaltige Erholung des Schifffahrtssektors ist aufgrund hoher Überkapazitäten weiter unsicher“. Doch für das Gesamtbild gelte: „Die grundlegende Ertragskraft der Bank wird weiter insgesamt als zufriedenstellend erachtet und bietet eine Grundlage, um den Herausforderungen im Schiffssegment (...) zu begegnen.“
Das entscheidet die BLB nicht alleine. Sie muss Vorschriften zufolge die Lage so gut wie möglich einschätzen. Dabei bedient sie sich nach eigener Aussage „externer Prognosen des Bewertungssachverständigen Weselmann sowie der führenden Marktforschungsinstitute Marsoft und MSI“. Das Ergebnis hielt den Wirtschaftsprüfern von KPMG stand, die der Bilanz 2015 attestierten, „keine Einwendungen“ zu haben.
Die CDU-Opposition in der Bremer Bürgerschaft wirft Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) Blauäugigkeit vor. Sie leitet bei der BLB den Aufsichtsrat. „Es sieht aus, als habe sie bei ihrer Kontrollfunktion versagt“, kritisierte der finanzpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Jens Eckhoff. Ebenso wie die Opposition in Niedersachsens Landtag will sie die Lage zum Thema im Parlament machen.
Ein Sprecher sagte am Montag: „Die BLB beobachtet rechtzeitig und fortlaufend die risikoorientierte Entwicklung sämtlicher Kreditportfolien.“ Auf der Schiffskrise liege dabei ein besonderer Fokus. Die nun bekanntgegebenen riesigen Abschreibungen begründete der Sprecher mit dem „Reifegrad der zugrundeliegenden Erkenntnisse“. Von einer zögerlichen Haltung könne keine Rede sein. „Über den Status des Portfolios und die Maßnahmen des Vorstandes wurde und wird in den Gremien der Bank seit Jahren regelmäßig berichtet.“ Der Sprecher sagte zudem, dass diese Woche Aufsichtsrat und Risikoausschuss tagen.
In Niedersachsen, das Land ist Mehrheitseigner der NordLB, hält man sich mit Vorschlägen zurück. Schließlich hält das Land Bremen seit jeher große Stücke auf die Eigenständigkeit der BLB, an der der Stadtstaat mit 41 Prozent und die NordLB mit 55 Prozent beteiligt ist. Doch in Finanzkreisen ist die Sache klar. Die Risikotragfähigkeit der Bremer Landesbank lässt sich nur unter einem Konzernschirm sicherstellen. Ähnlich wie die Deutsche Hypothekenbank könnte die BLB eine hundertprozentige Tochter der NordLB werden, die einen eigenständigen Markenauftritt hat, aber ansonsten eng an den Konzern angebunden ist. Das Land Bremen wiederum könnte sich dann am Konzern beteiligen.
Moody’s warnt indes vor Geldspritzen des Landes. Auch wenn die finanzielle Lage Bremens dies kaum erlaubt, wäre ein Beihilfeverfahren der EU-Kommission wohl das Ergebnis - mit entsprechenden Folgen. Am Schluss könnte die Abwicklung stehen, fürchtet die Ratingagentur.