Restrukturierungsplan Das große Eingeständnis der Commerzbank

In Deutschland streicht die Commerzbank jeden dritten Arbeitsplatz. Quelle: REUTERS

Früher als geplant gibt die Commerzbank die Eckpunkte ihrer neuen Strategie bekannt: Sie will Tausende entlassen und Milliarden sparen. Das belegt: Die Banken verabschieden sich so langsam von ihrem Wachstumsmantra.

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In Stuttgart in der Rotebühlstraße 125 haben sie früh verstanden, wie die Zukunft des Bankgeschäfts aussieht – nämlich karg. In dem nüchternen Zweckbau sitzt die Südwestbank, eine einstmals feine Adresse. Doch vor einigen Jahren kaufte die österreichische Bawag die deutsche Privatbank, hinter dem Austria-Institut standen damals vor allem Finanzinvestoren unter anderem aus den USA. Der neue Eigner ließ den Glanz vergangener Tage rasch verblasen, es folgte ein rigider Sparkurs: Am Stuttgarter Hauptsitz stand nicht einmal mehr ein Mitarbeiter hinter dem Empfangstresen, die Stelle war wegrationalisiert worden.

Zwar dürfte der Empfang der in Frankfurt beheimateten Commerzbank weiter besetzt bleiben, aber ein ähnlich harter Sparkurs erwartet jetzt auch den MDax-Konzern, wie er an diesem Donnerstag selbst bekannt gab. Deutschlands zweitgrößte Privatbank hat vorzeitig die Eckpunkte ihrer neuen Strategie veröffentlicht und steht damit für einen Wandel der Zunft: Eine Branche trägt ihr Wachstumsmantra zu Grabe – und beginnt damit, härter zu sparen. Das deutsche Bankwesen ist endgültig im Schrumpfmodus angekommen.

Tatsächlich plant der seit Jahresbeginn amtierende Commerzbankchef Manfred Knof sehr weitgehende Einschnitte. Die halten viele Beobachter für dringend notwendig: Schließlich befindet sich die Bank seit der Finanzkrise in einer Art Dauerkrise.

Die Commerzbank tritt hart auf die Bremse. Tausende Stellen und Hunderte Filialen in Deutschland stehen auf der Kippe. Noch sind die Sparpläne aber nicht final.

Vorstandschef Knof will jetzt bis 2024 1,4 Milliarden Euro einsparen. Das bedeutet konkret, dass 10.000 Stellen wegfallen sollen, in Deutschland streicht die Bank jeden dritten Arbeitsplatz. Zudem will sie von 800 Filialen beinahe die Hälfte schließen. Angesichts dieser Zahlen gehen andere bedeutende Sätze in der Mitteilung der Bank fast unter, dabei zeugen sie von dem Wandel.

So heißt es dort: „Die Bank stellt künftig konsequent Profitabilität vor Wachstum“, dabei gehe es beispielsweise um „die leistungsadäquate Bepreisung von Produkten und Dienstleistungen“. Die Sätze stehen für die alte Strategie der Commerzbank, sich mit großzügigen Prämien Kunden einzukaufen und so aus ihren hohen Kosten rauszuwachsen. Auch viele andere in der Branche haben versucht, diesen Weg zu gehen – richtig erfolgreich war kaum einer. Die Wachstumsphantasien haben sich oft als Tagträume entpuppt.

Vielmehr hat sich die Branche lange in einer Materialschlacht verstrickt. Das betraf längst nicht nur den Markt für Privatkunden, auch bei Unternehmen rangelten die Banken um neue Kunden. Sie wollten irgendwie Geschäft machen – und neue Kundenzahlen posaunten die Institute voller Stolz in die Weltgeschichte. Einerseits waren die Geldhäuser dazu genötigt, sich derart zu verkämpfen. Schließlich sind ihre Margen wegen der niedrigen Zinsen geschmolzen, diese Einbußen mussten sie mit neuem Geschäft ausgleichen. Andererseits verschärften sie ihr Leid durch das Gerangel nur weiter.

Die deutschen Banken konnten sich in der Coronakrise bisher als Retter inszenieren. Nun zeigt die Commerzbank, warum die Geldhäuser zum Problemfall werden – und wieso Profit kein Selbstzweck ist.
von Lukas Zdrzalek

Derweil haben andere Institute längst den Weg eingeschlagen, den die Commerzbank erst noch gehen will: So hat die deutsche ING ihr kosten- und bedingungsloses Konto ebenso gekippt wie ihr Ziel von 10 Millionen Kunden hierzulande. Der hiesige Statthalter der niederländischen Bank spricht gerne von „profitablem Wachstum“.

Allerdings ist mehr als fraglich, ob Banken überhaupt noch wachsen werden. In der Commerzbank-Mitteilung jedenfalls findet sich ein Hinweis darauf, dass die Chancen gering sind. So erwartet der Konzern in den kommenden Jahren nur „weitgehend“ stabile Einnahmen. Allerdings ist diese Aussage bereits ambitioniert. Die Coronapandemie hat dazu geführt, dass sich die Null- und Minuszinsen manifestiert haben, die Einnahmen der Banken im so wichtigen Geschäft mit Krediten dürften jetzt noch mal stärker bröckeln.

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Klar, allerorten versuchen die Banken, Gebühren anzuheben. Auch die Wörter „leistungsadäquate Bepreisung“ in der Commerzbank-Mitteilung lassen darauf schließen, dass die Bank ihren Kunden höhere Gebühren abverlangen wird. Jedoch lassen sich diese auch nicht ständig in immer neue Höhen heben. Viele Bankprodukte sind austauschbar: Ein Konto ist kein Porsche, 1000 Euro sind 1000 Euro – ganz gleich, wer sie einem leiht.

Das bedeutet für die allermeisten Banken: Sie kommen gar nicht drumherum, kräftig zu sparen. Ausgaben zu reduzieren, das ist die neue Königsdisziplin im Geldgeschäft.

In Stuttgart waren sie da Vorreiter.

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