Riskante Strategie Wie die Commerzbank ihr Geschäft mit dem Mittelstand demontiert

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„Über Jahre war die Mittelstandsbank intern die Nummer eins“

Das Selbstverständnis vieler Beschäftigter hat unter dem Umbau gelitten. „Über Jahre war die Mittelstandsbank intern die Nummer eins“, sagt einer. Unter dem ehemaligen Privatkundenchef Zielke hat sich der Fokus verschoben. Zudem habe der Umbau auch einige Kunden verunsichert. So konnten Mittelständler teilweise gewünschte Produkte gar nicht kaufen, weil die Systeme noch nicht umgestellt waren. Die Bank erklärt, dass die Überleitung der Kunden erfolgreich war.

Im ersten Halbjahr hat sie mit ihren Firmenkunden fast 30 Prozent weniger als im Vorjahr verdient. Wenn sie am kommenden Donnerstag die Zahlen für das dritte Quartal vorstellt, dürfte sie keine Trendwende vermelden. Zielke hat angekündigt, dass die Erträge in dem Segment 2018 anders als erwartet nicht steigen, sondern sinken werden.

Schuld daran ist auch der enorme Wettbewerb. Gerade größere Unternehmen werden umgarnt wie nie, die durchschnittliche Marge bei einem Firmenkredit lag zuletzt bei gerade mal 1,3 Prozent. Die französischen Großbanken BNP Paribas und Crédit Agricole sind ebenso auf dem Vormarsch wie die niederländische ING-DiBa. Sie werben mit internationaler Präsenz und günstigen Konditionen, die sie sich angesichts ihrer deutlich höheren Profitabilität leisten können. Da viele Unternehmen zudem auf mehrere Bankverbindungen setzen, können die Angreifer teils erstaunliche Erfolge vorweisen.

Die Commerzbank hält nach Kräften dagegen. 2016 hat Zielke das Ziel ausgegeben, bis zum Jahr 2020 10 000 neue Kunden zu gewinnen. Mehr als 7500 hat sie schon erreicht. Preislich kommt sie den Unternehmen teilweise weit entgegen. Die Bank erklärt, dass sie die Konditionen selektiv und zeitlich begrenzt verringere.

In den vergangenen Wochen haben Bankenaufseher mehrfach vor den Risiken allzu exzessiver Kreditvergabe gewarnt. Die Commerzbank verweist darauf, dass die Unternehmen ihre Eigenkapitalquoten in den vergangenen Jahren deutlich erhöht haben und deshalb gut auf einen möglichen Konjunkturrückgang vorbereitet seien. Dieter Hein, unabhängiger Analyst von Fairesearch, macht jedoch vor allem die niedrige Risikovorsorge der Bank Sorgen. Im ersten Halbjahr ist das Polster für schlechte Zeiten gegenüber dem Vorjahr um 55 Prozent auf nur noch 161 Millionen Euro gesunken – ein historischer Tiefstwert. Sobald die Wirtschaft nicht mehr so wachse wie in den vergangenen Jahren könnten schnell bis zu zwei Milliarden Euro Risikovorsorge notwendig werden. Tiefrote Zahlen wären wohl die Folge. „Die Commerzbank ist auf einen Konjunkturabschwung schlecht vorbereitet“, sagt Hein.

Das weiß auch Jörg Kukies. Als früherer Deutschlandchef von Goldman Sachs kennt sich der Staatssekretär im Finanzministerium mit größeren Transaktionen aus. Wie Insider berichten, hat er in einem internen Papier einen Zusammenschluss der Commerzbank mit der französischen Großbank BNP Paribas durchrechnen lassen. Die Kombination könnte ein Signal einer vertieften deutsch-französischen Allianz sein. Da die Commerzbank in dieser wegen ihres niedrigen Börsenwerts verschwindend klein wäre, könnte sie laut dem Konzept zunächst mit einer Landesbank fusionieren. Tatsächlich hat sie ein unverbindliches Gebot für die Nord/LB abgegeben.

Käufer aus dem Ausland sollen derzeit eher verhalten interessiert sein. In Finanzkrisen heißt es, dass die Regulierung in den einzelnen Ländern aktuell noch zu uneinheitlich sei. Bankchef Zielke soll ohnehin den Zusammenschluss mit der Deutschen Bank favorisieren. Der Wunschpartner aber zögert. Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing ließ Führungskräfte gerade erst wissen, dass sie sich weniger um solchen „Bullshit“ als um ihr Geschäft kümmern sollten. Die Commerzbank aber könnte die Schwäche der Deutschen Bank nutzen, um bei einem Zusammenschluss mehr Gewicht zu erzielen. Viel besser als jetzt dürfte es für sie kaum werden.

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