Riskante Strategie Wie die Commerzbank ihr Geschäft mit dem Mittelstand demontiert

Die Luft wird dünner. Der Umbau der Commerzbank bringt bisher viel Unruhe und wenig Ertrag. Quelle: imago images

Das Geschäft mit Mittelständlern war einst die Vorzeigesparte der Commerzbank. Mittlerweile ist es ein Problemfall. Wenn sich die Konjunktur eintrübt, drohen hohe Verluste. Warum nur die Flucht in eine Fusion bleibt.

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Martin Zielke weiß, was die Zukunft bringt. Der Chef der Commerzbank gefällt sich in der Rolle des digitalen Welterklärers, gern und ausgiebig referiert er über „vier Megatrends“, die das Bankgeschäft in den kommenden Jahren prägen. Dass es da um Themen wie Big Data, Blockchain, künstliche Intelligenz und die Verlagerung von Daten ins Internet, in die Cloud, geht, ist als Erkenntnis mäßig originell. Zielke aber scheint sie derart zu begeistern, dass er den Vortrag unlängst gleich bei zwei Auftritten in Frankfurt abspulte. Er, so die Botschaft, ist vorbereitet und hat das, was kommt, voll im Griff.

Von der Gegenwart lässt sich das schwer behaupten. In der wirkt Zielke zunehmend gefangen in einem Konzept, das einfach nicht funktionieren will. Bei seinem Amtsantritt im Mai 2016 hatte er Kundenwachstum zur Priorität erklärt. Dafür schwimmt er gegen den Strom. Während andere Institute Gebühren erhöhen, hält die Commerzbank an der Willkommensprämie von bis zu 100 Euro für ein Girokonto fest, auch den Mittelstand lockt sie mit Rabatten für Neukunden. Dabei lässt sich mit Sparern und Kreditnehmern der niedrigen Zinsen wegen derzeit kaum Geld verdienen. Wenn aber irgendwann die Margen wieder steigen, wird die Bank stark profitieren. So die Hoffnung.

Die Zweifel, dass die Wette aufgeht, wachsen massiv. Das Vertrauen der Investoren in die Commerzbank ist derart ramponiert, dass sie wegen ihres niedrigen Börsenwerts sogar den Dax verlassen musste. Der erhoffte Zinsanstieg ist nicht in Sicht, stattdessen wachsen die Sorgen. Ein Abschwung würde die Bank empfindlich treffen. Im Geschäft mit Unternehmen sieht sie sich als Marktführer, viele Jahre galt es als Aushängeschild. Wenn aber mehr Kunden in Zahlungsschwierigkeiten geraten und die Zahl der Kreditausfälle steigt, wären hohe Verluste bei der Bank kaum zu vermeiden. Und alle Pläne dahin.

Unwahrscheinlich ist das nicht. Ein Ausweg könnte eine Fusion sein. Zielke soll dafür offen sein, und auch in Berlin wird seit Wochen mit erhöhter Intensität an dem Thema gearbeitet. Die Beamten im Finanzministerium haben erste Planspiele für die Zukunft des Instituts entworfen, an dem der Bund nach der Rettung in der Finanzkrise immer noch mit rund 15 Prozent beteiligt ist. Der Glaube, dass die Commerzbank irgendwann aus eigener Kraft wieder erblüht, ist in Regierungskreisen geschwunden.

Das Warten darauf dauert schlicht zu lang - auch intern. „Der Frust ist groß, es gibt Auflösungserscheinungen“, sagt ein Insider. Der Abbau von mehr als 7000 Stellen geht nicht spurlos an den Mitarbeitern vorbei, und auch der Aktionismus des Top-Managements zermürbt die Organisation. Die alten Strukturen in der Zentrale werden gerade aufgelöst, die Mitarbeiter in Clustern neu zusammengewürfelt. Die Arbeit in sogenannten Stämmen soll die Bank flexibel machen, macht sie aber vor allem unruhig. Viele bekommen neue Aufgaben, was das soll, sei nicht immer klar, sagt ein Banker.

Viel Aufruhr, wenig Ergebnis

Schon frühere Umbauten haben viel Aufruhr und wenig Zählbares gebracht. Vor zwei Jahren richtete die Bank das Geschäft mit Firmenkunden neu aus. Die Mittelstandsbank wurde aufgelöst, größere Kunden wurden der Investmentbank zugeschlagen, kleinere dem bisherigen Privatkundengeschäft. „Es ist unverständlich, dass Zielke das einzig funktionierende Segment ohne Not einmal durch den Mixer gedreht hat“, sagt ein Insider. Die Bank erklärt, dass sie so den „passgenauen Betreuungsansatz“ für ihre Kunden optimiert habe.

Als Folge der neuen Struktur nahm Mittelstandsvorstand Markus Beumer seinen Abschied. Er habe bei Kunden einen guten Ruf genossen und „den Laden intern zusammengehalten“, wie ein Insider sagt. Für seinen Nachfolger Michael Reuther gilt das nur bedingt. Im Kontakt mit Kunden tue sich der 59-Jährige schwer, sagt einer, der ihn gut kennt, mit Unternehmern über ihr Werksgelände zu stapfen sei nur begrenzt sein Ding. Reuthers Vertrag läuft im kommenden Herbst aus, sein Verbleib an der Spitze des Firmenkundengeschäfts gilt als fraglich.

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