Rücktrittsforderungen Barclays-Chef nach Zinsskandal unter Beschuss

Es ist ein Bankenskandal fürs Rekordbuch. Nach der Rekordstrafe für Barclays wegen Manipulation des Interbanken-Handels steht Vorstandschef Diamond unter Druck. Forderungen nach Rücktritt und Strafprozess werden laut.

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Wirtschaftsexperten und Politiker forderten öffentlich den Rücktritt von Barclays-Chef Diamond. Quelle: AFP

London Nach der Rekordstrafe für die britische Großbank Barclays wegen versuchter Zinsmanipulationen sind Rücktrittsforderungen an Vorstandschef Bob Diamond laut geworden. Die dubiosen Geschäfte eines der führenden Kreditinstitute der Londoner City haben zugleich die Diskussion über mangelnde Regulierung der Akteure im größten Finanzzentrum Europas neu entfacht.

Barclays muss an die Finanzaufsichtsbehörden in den USA und Großbritannien sowie an das US-Justizministerium die Rekordsumme von 290 Millionen Pfund (rund 345 Millionen Euro) zahlen. Die Einigung ist Teil einer Untersuchung, die mehrere große Banken in Europa und den USA betrifft. Unter anderem soll auch die Deutsche Bank im Visier der Aufsichtsbehörden sein. Die Barclays-Aktien verloren am Donnerstag phasenweise um bis zu 17 Prozent. Auch andere Bankenwerte gaben nach.

Barclays soll versucht haben, den sogenannten Liborsatz zu beeinflussen. Er gibt den Zinssatz an, zu dem sich Banken gegenseitig Geld leihen. Er wird aber auch als Benchmark für den Derivatehandel verwendet, bei dem Papiere im Buchwert von weit über 300 Billionen US-Dollar bewegt werden - mehr als das Bruttoinlandsprodukt aller Länder der Welt. Eine winzige Veränderung des Zinssatzes kann enorme Schwankungen auslösen. Außerdem habe Barclays versucht, mit einem künstlich niedrigen Liborsatz die eigene Kreditwürdigkeit in Zeiten der Finanzkrise zu schönen.

Mehrere britische Politiker und Wirtschaftsexperten forderten Diamond offen auf, seinen Hut zu nehmen. „Wenn der Barclays-Aufsichtsrat auch nur ein bisschen Rückgrat hat, dann werfen sie ihn raus“, sagte der liberaldemokratische Finanzexperte Lord Matthew Oakeshott.

Premierminister David Cameron sagte, der gesamte Vorstand habe „sehr ernste Fragen zu beantworten“. Er sei entschlossen, „dass alle Lektionen des Skandals gelernt werden“, sagte Cameron am Rande des EU-Gipfels in Brüssel. Diese Verantwortlichen müssten zeigen, dass sie bereit sind, für ihre Taten einzustehen. „Es ist wichtig, dass das bis in die Spitze dieser Organisation geht“, fügte Cameron hinzu.

Oppositionsführer Ed Miliband forderte strafrechtliche Ermittlungen gegen die Verantwortlichen. Der sozialdemokratische Abgeordnete Tony Baldry sagte, der Barclays-Skandal sollte „als Weckruf für jeden einzelnen und jede Institution in der City of London dienen“. „Was wir hier sehen ist Straßenräuberei“, fügte er hinzu. Es gebe eine Kultur nach dem Motto „alles geht und keiner weiß was“. Der Vorstand von Barclays hatte schon am Mittwoch auf seine millionenschweren Bonuszahlungen verzichtet, für die Diamond bis vor kurzem noch erbittert gestritten hatte.

Der Skandal um die Großbank ist nur ein weiterer Meilenstein in der Reihe der Verfehlungen führender Londoner Banker. Barclays hatte bereits im Februar 500 Millionen Pfund an den Staat zahlen müssen, weil die Bank ihrer Steuerpflicht nicht ausreichend nachgekommen war. Dem ehemaligen Vorstandschef der Royal Bank of Scotland, Fred Goodwin, entzog die Queen sogar die Ritterehre wegen seiner unwürdigen Rolle während der Finanzkrise.

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