Sal. Oppenheim Der tiefe Sturz der Oppenheims

Der Prozess nähert sich dem Ende, den früheren Chefs der Kölner Privatbank Sal. Oppenheim drohen Gefängnis und wirtschaftlicher Ruin. Die Macht? Das Geld? Der gute Ruf? Alles verloren. Der tragische Fall einer großen Unternehmer-Familie.

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Quelle: Robert Poorten für WirtschaftsWoche

Um ihn ist alles braun, mausbraun, tiefbraun, holzbraun, der Teppichboden, die Sesselpolster, die Wandvertäfelung. Mittendrin in dieser Gerichts-Tristesse sitzt Matthias Graf von Krockow und weiß nicht, wie ihm geschieht. Einst hat er Masse und Macht in einer Person verkörpert, jetzt ist nur noch Masse übrig. Der graue Anzug sitzt schlecht, das Hemd rutscht ihm beim Aufstehen aus der Hose, sein Gang ist schwer. Manchmal nur, für ein paar Momente, ist er fast der Alte, jener Banker, der so gerne flotte Sprüche klopfte. Dann blitzen seine Augen auf, suchen, aber sie finden nichts. Früher haben sich alle um ihn geschart, aber jetzt, da er auf der Anklagebank sitzt, erwidert niemand den Blick. Und in der Pause steht der Graf allein auf dem Flur und wartet, dass sein Prozess weitergeht.

Drinnen, im Saal 210 des Kölner Landgerichts, versucht Richterin Sabine Grobecker seit mehr als zwei Jahren zu klären, wie von Krockow und seine vier Mitangeklagten jene Bank heruntergewirtschaftet haben, die als unzerstörbar galt: Sal. Oppenheim, 1789 gegründet, unbeschadet durch Kriege und Revolutionen gegangen und dann 2009 spektakulär knapp an der Pleite vorbeigeschrammt. Die Deutsche Bank musste die nach eigenem Bekunden damals größte Privatbank Europas retten, auf einmal war diese nicht mehr selbstständig.

Die fatale Beziehung zwischen Karstadt-Quelle und der Sal. Oppenheim

Jeder kämpft für sich allein

220 Jahre unabhängige Bank- und Familiengeschichte waren ausradiert, das steckt man nicht so einfach weg. Allseitige Abneigung ist im Gerichtssaal, wo der Bankclan sich jetzt regelmäßig trifft, spürbar. Jeder kämpft für sich allein: Ex-Bankchef von Krockow, die anderen früheren Top-Manager Christopher von Oppenheim, Friedrich Carl Janssen und Dieter Pfundt und auch der mit angeklagte Immobilienunternehmer Josef Esch. Die Nerven liegen blank, nicht nur bei ihnen. Das Verfahren hat eine traumatisierende Wirkung auf alle Beteiligten. Angeklagte, Angehörige. Selbst Staatsanwälte und Richterin. Sie alle sehnen schon lange das Ende herbei.

In den kommenden Wochen beginnen die Plädoyers, möglichst noch im Mai will Richterin Grobecker das Urteil verkünden. Sie hat schon erklärt, dass sie die Bankiers für schuldig hält, die Strafen sollen zwischen 20 Monaten und drei Jahren liegen, von Krockow muss wohl am längsten büßen. Wenn er Glück hat, kommt er gerade so mit Bewährung davon, doch die Staatsanwälte wollen ihn im Gefängnis sehen. Im Zweifel gehen sie dafür in Berufung.

Die Geschichte ist eigentlich auch zu groß und zu tragisch, um einfach auszuklingen.

Sal. Oppenheim war ja nicht nur das bevorzugte Geldhaus der Reichen und Mächtigen. Bank und Familie waren seit Jahrhunderten eine Kölner Institution. Sie hatten mitgewirkt beim Bau der ersten Eisenbahn, der Gründung des Zoos, dem Aufbau des Dombauvereins. Sie waren Wohltäter, förderten Kunst und Kultur, aber am wohltätigsten waren sie doch zu sich selbst. Ihr Fall ist der Stoff, aus dem aufwendige TV-Mehrteiler sind. Wo steckt eigentlich Dieter Wedel, wenn er mal gebraucht wird?

Distanz zwischen früheren Kollegen

Der Niedergang ist auch ein Lehrbeispiel dafür, was mit Familiendynastien passiert, wenn ihre Tugenden zu Sünden pervertieren. Dann wird die Nähe so groß, dass es keine wirksamen Kontrollen mehr gibt, dann vermengen sich persönliche Interessen so sehr mit denen des Unternehmens, dass sie diesen schließlich entgegenstehen. Und das Erreichte gilt als so selbstverständlich, dass man es laufen lässt, bis es auf einmal weg ist. Für immer.

Seine eigene Vergangenheit trifft Krockow heute nur noch vor Gericht. Aus der Bank selbst haben die neuen Eigentümer von der Deutschen Bank ihn und seine Kollegen nach der Übernahme schnell vertrieben. Nun sehen sie sich immer mittwochs und donnerstags um Punkt zehn Uhr im Gericht. Krockow hat der Niedergang ebenso sichtbar mitgenommen wie von Oppenheim, Abkömmling der einst dominierenden Eignersippe. Auch die beiden familienfremden Ex-Top-Manager Janssen und Pfundt sind angespannt, sie bemühen sich um Distanz zu ihren früheren Kollegen, denen sie die Hauptschuld zuschieben wollen.

Der gute Ruf ist dahin

Sie hören aufmerksam zu, was all die Gutachter und Zeugen so über sie erzählen. In der Mittagspause sitzen sie auch mal auf Holzklappstühlen draußen in der Sonne, jeder mit seinen Anwälten an einem Tisch für sich. Miteinander reden sie kaum. Um sie herum liegt eine Wüstenei aus Behördenbeton, sie essen ein Würstchen vom „Snack-Mac“, und neben ihnen rauchen die Sacharbeiter des benachbarten Arbeitsamts.

Der Abstieg lässt jene, die ihn miterlebt haben, immer noch nicht kalt. Sie waren ja keine schlechten Chefs, keine bösen Menschen, sie haben ihre Angestellten gut behandelt und bestens bezahlt. Man hatte einen Ruf: dass man sich nicht dem Diktat der Quartalsberichte unterwerfe, sondern in Generationen denke.

Aufstieg und Niedergang von Sal. Oppenheim

Dass man den Kunden Anlagen bot, die sonst nirgendwo zu bekommen waren. „Wir empfehlen nichts, worin wir nicht auch selbst investieren“, warb Krockow und freute sich, wenn seine Kunden nicht nur von seinen Angeboten, sondern auch von den livrierten Etagenboten und den Urahnen in Öl an den Wänden des Kölner Stammhauses beeindruckt waren.

Die Ölbilder sind abgehängt, statt 4500 Mitarbeiter arbeiten heute knapp 500 für die Bank, die Mutter Deutsche Bank taxiert den Wert der Marke Oppenheim noch auf läppische 27 Millionen Euro, und der Ruf ist auch dahin. Was Gier und unterschätzte Risiken, zu viel Nähe, Druck, Erwartungen – das ganze Buddenbrooks-Zeug eben – halt so anrichten.

Deutschlands traditionsreichste Privatbanken
Mit ihrem Geld wurden Könige gewählt und Kriege finanziert. Privatbankiers haben zum Teil schon vor 500 Jahren große Vermögen verwaltet. Heute kümmern sich die exklusiven Geldhäuser hauptsächlich um die Gelder von betuchten Privatkunden. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts ist die Zahl der unabhängigen Institute in Deutschland von über 1300 auf rund ein Dutzend zurückgegangen. Und mit der Notübernahme von Sal. Oppenheim durch die Deutsche Bank verliert das prominenteste und finanzstärkste private Institut in Deutschland seine Unabhängigkeit. Foto: PR
Sal. OppenheimMit 40 000 Talern in bar und 50 000 Talern in Wertpapieren gründete der 17-jährige Salomon Oppenheim Jr. im Jahr 1789 ein Kommissions- und Wechselhaus in Bonn. 220 Jahre und zwei Umzüge später sitzt die Privatbank nun in Luxemburg und beschäftigt rund 4300 Mitarbeiter. Mit einer Bilanzsumme von 41,4 Milliarden Euro (Stand November 2009) zählt sie zu den größten unabhängigen Privatbanken Europas. Im Jahr 2008 schrieb die Bank zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg rote Zahlen. Foto: PR
Berenberg-BankUm ihr Vermögen müssen die persönlich haftenden Gesellschafter der Berenberg Bank nicht bangen: Eine Eigenkapitalrendite von 45,3 Prozent und ein Überschuss von 62 Millionen Euro im vergangenen Jahr (2010) dürfte sie ruhig schlafen lassen. Die Berenberg Bank nennt sich selbst die älteste Privatbank Deutschlands. Sie ging aus einem familiengeführten Hamburger Handelshaus hervor, das 1590 gegründet wurde. Sie verfügt über eine Bilanzsumme von 3,2 Milliarden Euro (2010) und verwaltet über 25 Mrd. Euro. Ende 2010 beschäftigte die "Joh. Berenberg, Gossler & Co. KG" 977 Mitarbeiter an 17 Standorten. Größte Gesellschafter sind die Familie sowie die persönlich haftenden Gesellschafter. Foto: PR
Hauck & Aufhäuser PrivatbankiersKnapp acht Prozent von Hauck & Aufhäuser gehören dem Kuwaitischen Königshaus. Die Gründerfamilie Hauck hält ebenfalls ein Aktienpaket, rund 80 Prozent der Anteile sind im Besitz privater Unternehmerfamilien. Der Bilanzgewinn lag 2010 bei 9,1 Millionen Euro, die Bilanzsumme betrug 3,2 Milliarden Euro. Hauck & Aufhäuser beschäftigt derzeit rund 600 Mitarbeiter. Foto: PR
Bankhaus LampeDas Motto des Bankhaus Lampe lautet "Für Wenige Besonderes leisten". Dem bleibt die Bank auch treu: Wenige, dafür wohlhabende Kunden bilden das Klientel. Gegründet wurde das heute in Bielefeld ansässige Unternehmen 1852 in Minden. Mittlerweile hat das Bankhaus Lampe 580 Mitarbeiter an 12 Standorten, darunter Dresden, Hamburg, Berlin und München. Hatte das Institut 2007 noch 24 Millionen Euro Jahresüberschuss, schrieb es 2008 zwölf Millionen Euro Verluste. Foto: PR
Fürstlich Castell'sche Bank, Credit-Casse AGDie älteste Bank Bayerns wurde 1774 als "Gräflich Castell-Remlingen´sche Landes-Kredit-Casse" gegründet. Nach der Erhebung in den Fürstenstand und der Übernahme einer anderen Castell`schen Bank heißt das Institut heute "Fürstlich Castell´sche Bank, Credit-Casse". Der Hauptsitz ist mittlerweile in Würzburg. Die Bank befindet sich im alleinigen Besitz der Fürstenhäuser Castell-Rüdenhausen und Castell-Castell. Die Bilanzsumme liegt bei 1,1 Milliarden Euro (Stand November 2009). Beschäftigt werden 270 Mitarbeiter in 15 Filialen. Foto: PR
Merkur-BankDie Merkur-Bank engagierte sich in den 90er-Jahren in der Republik Mosambik, was ihrem damaligen Vorsitzenden Siegfried Lingel den Titel Honorarkonsul von Mosambik einbrachte. Gegründet wurde die Bank 1959 von Zanwel Horowicz zusammen mit seiner Frau und seinem Bruder. 1986 stieg dann eine Investorengruppe um Siegfried Lingel ein. Der Bilanzgewinn sank im Jahr 2008 auf 282 000 Euro im Vergleich zu 956 000 Euro in 2007. Foto: PR

Gesellschafter für Führung wenig geeignet

Zwei Drittel der Bank gehörten zwei Familienstämmen, den Oppenheims und den Ullmanns. Die entsandten je einen der Ihren als persönlich haftenden Gesellschafter in die Geschäftsführung, um ihr Erbe zu hegen und zu mehren. Ob diese Familienvertreter dafür geeignet waren, prüften sie nicht allzu genau, schauten vielleicht auch weg. „In anderen Unternehmen wären beide nie so weit nach oben gekommen“, sagt ein früherer ranghoher Oppenheim-Banker.

Das gilt für den Grafen von Krockow, einen Abkömmling alten pommerschen Adels, dessen Familie nach ihrer Flucht am Ende des Zweiten Weltkriegs weitgehend mittellos war, der sich dann bei anderen Banken mühsam hocharbeitete und schließlich die gestrenge Bankerbin Ilona von Ullmann ehelichte. Er ist ein netter Kerl, eine bis zum Niedergang unverdrossene Frohnatur, aber der Großbanker, den er gerne darstellen wollte, den auch seine Frau so gern ihn ihm sah, war er nicht. Er habe Entscheidungen auf unzureichender Grundlage getroffen und Bedenken von Mitarbeitern ignoriert, gab der Graf im Prozess zu.

von Jürgen Berke, Henryk Hielscher, Cornelius Welp

Das gilt noch mehr für Christopher von Oppenheim, die tragischste Figur dieser Tragödie. Er sieht auch mit fast 50 Jahren noch aus wie ein Junge, der sich den Anzug übergezogen hat, um Erwachsensein zu spielen. Aufgewachsen ist er mit der Familiengeschichte, Stunde um Stunde hat er im Archiv der Bank verbracht. Er wäre wohl gerne Historiker geworden, aber da war sein 2005 verstorbener Vater Alfred vor.

Die Last der Jahrhunderte

Sein Sohn, bis zum Untergang Chefbetreuer der vermögenden Kunden, hat im Verfahren einen Einblick gewährt in die Dynamiken, die in dieser Familie wirkten. Da hat er erzählt, wie ihn der Großvater bei seiner Konfirmation zur Seite nahm und ihm eröffnete, dass er „irgendwann in der Bank tätig sein und die Familientradition fortsetzen werde“. Eine privilegierte Geburt ist eben oft mehr Last als Gnade, vor allem, wenn diese Last Jahrhunderte wiegt.

Christopher hat in Jahrhunderten gelebt und gedacht. Er habe die Bank bis zur 250-Jahr-Feier im Jahr 2039 prägen wollen, hat er gesagt. Mit der Gegenwart hatte er es nicht so, sie ist ja auch anstrengend mit all den Zahlenkolonnen und Risikoberichten. Einen Blackberry hatte er nicht, E-Mails blieben oft tagelang ungelesen. „Er weiß, dass er etwas falsch gemacht hat“, sagt ein Vertrauter, „aber er weiß nicht genau, was.“

Einstieg bei Karstadt war ein Fehler

Er und die anderen haben verdammt viel falsch gemacht, meinen jedenfalls die Staatsanwälte. Der Prozess konzentriert sich derzeit auf zwei Fehler aus dem Jahr 2008: eine zweifelhafte Immobilientransaktion in Frankfurt und den ebenso zweifelhaften Einstieg beim später in Arcandor umbenannten Karstadt-Konzern, den ihre damaligen Stammkunden Madeleine Schickedanz und Thomas Middelhoff regierten.

Gegen das adlige Bankdoppel laufen aber noch rund 20 weitere Ermittlungsverfahren, heißt es in Justizkreisen. Weitere Anklagen sind möglich.

Die fünf Angeklagten im Sal. Oppenheim-Prozess

Die Banker sollen ein Gebäude in Köln zu teuer gekauft und für den Bauauftrag der neuen Zentrale in Luxemburg zu viel gezahlt haben. Angeblich statteten sie den von ihnen 2009 an der Arcandor-Spitze abgelösten Middelhoff mit einem viel zu üppigen Beratervertrag aus und dessen Nachfolger Karl-Gerhard Eick mit einer zu hohen Antrittsprämie. Außerdem sollen sie die ihnen damals gehörende BHF-Bank gedrängt haben, ihnen mit einem Notkredit aus der Patsche zu helfen. Fragwürdig sind zudem Kredite, die sie günstig und in großem Stil bei ihrer eigenen Bank aufnahmen. Es geht da immer um Untreue zulasten des ihnen anvertrauten Instituts.

Schwerreiche Kunden fühlen sich betrogen

Auch rund zehn Kunden, die die Bank einst mit Jagdgesellschaften und Poloturnieren umschmeichelte, haben ihre einstigen Vermögensverwalter angezeigt. Es sind die richtig Reichen, nur sie durften in die rund 70 Immobilienfonds einzahlen, die Sal. Oppenheim mit dem Bauunternehmer Esch aufgelegt hatte. Die Beteiligungen versprachen hohe Renditen, und da sie die Anleger mit Krediten finanzierten, konnten sie noch Steuern sparen. Etliche Fonds laufen schlecht, die Kunden fühlen sich betrogen.

Rund ein Dutzend Kunden wollen deshalb Geld zurück, auf maximal 1,1 Milliarden Euro beziffert die Deutsche Bank die Forderungen in ihrem Geschäftsbericht. Ob die Kläger damit durchdringen, ist offen, die Gerichte haben unterschiedlich entschieden.

Mit den Fonds wuchs Eschs Einfluss

Esch, immer wieder Esch, der Name ist aufs Innigste mit dem Niedergang der Bank verbunden. Die Beziehung zu dem gelernten Maurer begann noch zu der Zeit, als Alfred von Oppenheim und der frühere Bundesbank-Chef Karl Otto Pöhl in der Bank das Sagen hatten. Sie legten gemeinsam einen ersten Fonds auf, einen zweiten und dann immer mehr. Mit dem wachsenden Fondsgeschäft wuchs auch der Einfluss Eschs im Bankhaus. Vor allem mit von Krockow war er aufs Allerengste verbunden, die beiden waren Freunde fürs Leben und noch mehr: Schon 1993 erteilte der Banker dem Bauunternehmer eine Generalvollmacht, die sogar über seinen Tod hinaus gelten sollte.

Dieser Esch sitzt vor Gericht jetzt in der hintersten Bank, stabil und stramm, er nimmt immer mal wieder einen kräftigen Schluck Cola Light, die man ihm nicht ansieht, der Anzug spannt, eine tiefe Nackenfalte teilt den kahlen Schädel. Ihm haben sie alle vertraut, die Milliardäre und auch der alte Adel, neben von Krockow stellten sein Schwager Georg Baron von Ullmann und dessen Mutter Karin dem ehemaligen Polier umfassende Vollmachten aus.

Sal. Oppenheim hing zu sehr von Arcandor ab

Und ausgerechnet er wird Saal 210 nun mit der geringsten Strafe verlassen. Sechs Millionen Euro zahlt er, dafür stellen die Staatsanwälte das Verfahren ein.

Dabei sind beide Transaktionen, die jetzt in Köln verhandelt werden, ohne Esch undenkbar. Bei der ersten geht es um ein Gebäude in Frankfurt, in das die Investmentbanker von Sal. Oppenheim einziehen sollten. Für dessen Kauf und seinen aufwendigen Umbau gründeten Esch und einige Familienangehörige eine Gesellschaft, genehmigten sich Millionenkredite von ihrer eigenen Bank und verkauften es dieser wenige Monate später Ende 2008 für 123 Millionen Euro. Das war viel zu teuer, meinen die Staatsanwälte.

Die Geschichte von Sal. Oppenheim

Beim zweiten geht es um jenes dramatische Wochenende des 26. bis 28. September 2008, als Arcandor erstmals vor der Pleite stand. Für Sal. Oppenheim wäre das ein Desaster gewesen. Die Bank hatte ihrer Kundin Schickedanz hohe Kredite gewährt, die ausschließlich mit Arcandor-Aktien besichert waren. Rund 150 Kunden hatten zudem in Esch-Fonds investiert, deren Wohl allein von den Mietzahlungen des Handelskonzerns abhing.

"Ich sah keinen Anlass für Zweifel"

Und auch die Banker selbst hätte die Pleite übel getroffen, denn sie hatten persönlich für die Kredite gebürgt, mit denen Schickedanz 2005 ihren Anteil an Arcandor aufstockte. Also stieg die Bank über eine Kapitalerhöhung als Großaktionär bei dem trudelnden Konzern ein und gewährte ihm zusätzlich noch einen Millionenkredit. Das geschah, ohne die wirtschaftliche Lage des Unternehmens ausreichend zu prüfen, so der Vorwurf der Ankläger.

Von Krockow und von Oppenheim haben Verfehlungen eingeräumt. Aber ihre früheren Kollegen in der Geschäftsführung, die nicht aus der Familie stammten, wehren sich nach Kräften. Manches ist durchaus nachvollziehbar. Doch Richterin Grobecker wirkt, als würde sie die Detailarbeit nur noch nerven.

Je mehr man eintaucht in diese Welt, desto mehr fragt man sich, warum keiner etwas gemerkt hat, warum so viele Beteiligte nichts sehen wollten oder konnten. „Ich hatte keinen Zugang zu Esch, ich sah keinen Anlass für Zweifel, ich habe mich nicht eingemischt“, sagte der für das Risikomanagement zuständige Ex-Top-Manager Janssen gleich zu Beginn des Prozesses.

Und dann tritt vor Gericht eine Figur wie Henri Pferdmenges auf, und man weiß, wie es so weit kommen konnte.

Die ältesten Geldhäuser der Welt
10. Bank of New York Mellon, 1784 gegründetNachdem Alexander Hamilton an der Verfassung die Vereinigten Staaten mitschrieb, gründete er die Bank of New York. Es war das erste Unternehmen, das im New York Stock Exchange gelistet wurde. Der Börsenindex wurde 1792 ins Leben gerufen. 2007 wurde das Traditionsinstitut schließlich von der Mellon Financial Corporation übernommen - es entstand die heutige Bank of New York Mellon. Quelle: AP
9. Halifax Bank of Scottland, 1695 gegründetDen Schotten wird bekannterweise ein gutes Händchen für Geld zugeschrieben. Die Bank of Scottland dürfte ihren Beitrag dazu geleistet haben. Während die Bank of England vor allem dem Staat finanziell unter die Arme greifen sollte, war die Bank of Scottland überwiegend für Betriebe und Geschäft da. Es ist die älteste existierende Bank im Vereinigten Königreich. Aus der Fusion mit der Halifax Bank ging 2001 die Halifax Bank of Scottland hervor. Quelle: dpa-tmn
8. Bank of England, 1694 gegründetAuch ein Schotte soll die Idee zur Gründung der englischen Zentralbank gehabt haben. Die Bank verhalf dem Vereinigten Königreich zum Aufstieg der führenden Seemächte im 18. und 19. Jahrhundert. Es ist nach der schwedischen Riksbank die zweitälteste Zentralbank der Welt. Quelle: dapd
7. Coutts & Co, 1692 gegründetDer Gründer und Schmied John Campbell of Lundie versorgte seine schottischen Landsleute in London mit Silbertellern und Juwellen. Nebenbei kümmerte er sich auch um das Finanzgeschäft seiner Kunden. Seitdem ist das Kerngeschäft die private Vermögensberatung. Im Jahr 2000 ging die Bank in den Besitz der Royal Bank of Scottland über und gehört zum Bereich Privatgeschäft der RBS Group. Quelle: dpa
6. Barclays Bank, 1690 gegründetDie heute drittgrößte Bank Großbritanniens wurde von Quäkern gegründet. 1967 stellte sie den ersten Geldautomat der Welt auf. Quelle: dpa
5. C. Hoare & Co., 1672 gegründetEs ist die letzte Privatbank aus der Riege der Institute, die im 17. und 18. Jahrhundert gegründet wurden. Das Geldhaus wird heute noch von einem der Nachfahren von Sir Richard Hoare geführt. Seit 1690 befinden sich die Räumlichkeiten der Bank in der Fleet Street und damit im Herzen der City of London - british tradition at its best. Quelle: Screenshot
4. Sveriges Riksbank, 1668 gegründetDas Gebäude sieht modern aus, doch der Schein trügt. Die schwedische Zentralbank ist die älteste Zentralbank der Welt. Erst 1904 erhielt sie das Monopol fürs Gelddrucken, seit 1999 ist sie im Bereich der Geldpolitik völlig unabhängig. Quelle: Presse

Sein Großvater Robert war von 1929 bis 1953 Teilhaber der Bank. Während der Nazizeit lieh er dem Bankhaus seinen Namen. Die Oppenheims waren schon Mitte des 19. Jahrhunderts zum Christentum konvertiert, ihr Name klang jedoch weiterhin jüdisch. Enkel Henri hat einen Anteil geerbt, die Kölner Wurzeln jedoch schon lange gekappt. Vier Mal im Jahr flog er aus dem Ausland zu den Sitzungen der Kontrollorgane ein, um nach dem Rechten zu sehen.

Kritik ziemte sich nicht

Oder auch nicht. „Ich habe am wenigsten gefragt, mein Deutsch ist nicht sehr gut“, sagt er. Zwei Gremien wachten über das Treiben der persönlich haftenden Gesellschafter: der Aktionärsausschuss und der Aufsichtsrat. Wie die sich unterschieden, weiß Pferdmenges nicht mehr so genau. Vor den Sitzungen bekam er dicke Mappen zugeschickt mit Unterlagen zur Verfassung der Bank, viele Papiere „klein und eng bedruckt“. Er braucht es nicht zu sagen, man ahnt auch so, dass er da nicht allzu genau reingeschaut hat.

Warum sollte er dem Führungspersonal auch misstrauen? „Die traten sehr professionell auf und wirkten gut vorbereitet“, sagt Pferdmenges, der mit von Krockow und von Oppenheim „seit Jugendtagen eng befreundet“ ist. Sie bildeten die „Bankfamilie“, trafen sich jedes Jahr zum Weihnachtsessen. Als der aufmüpfige Nicolaus von Oppenheim, der das kommende Unheil wenigstens ahnte, bei einer Sitzung ausfallend wurde, wies man ihn zurecht und tilgte die „emotionalen Passagen“ aus dem Sitzungsprotokoll. Kritik ziemte sich nicht. So einfach ist das. Warum sollten sie auch fragen, solange die Millionen flossen, mit denen sie es krachen lassen konnten?

Der wirtschaftliche Abstieg geht weiter

Das fing bei Christophers Mutter Jeane an, die sich beim Umbau einer von ihr genutzten Kölner Villa auf das Nötigste beschränken wollte und dabei eine Rechnung von mehr als acht Millionen Euro produzierte. Der Aufsichtsratsvorsitzende Georg Baron von Ullmann legte sich neben dem Reitsport eine nach ihm benannte Zigarrenmarke zu. Und gemeinsam mit einigen Kunden jetteten Familienmitglieder mit dem Privatflieger zu Feiern nach Ibiza. Da wirken die noblen Oppenheims dann gar nicht mehr so nobel, sondern wie die bloß etwas stilvollere Variante ihrer Nachfolger als berühmteste Kölner Millionäre – der trashigen TV-Familie Geiss.

Der Familienfrieden ist durch den Niedergang brüchig, aber man rauft sich zusammen. In zwei Gremien, Pool und Konsortium, stimmen die einstigen Eigentümer ihre Interessen ab.

Kürzlich haben sie sogar einen bescheidenen Erfolg erzielt. Die Deutsche Bank zahlt nach Informationen der WirtschaftsWoche aufgrund einer bei der Übernahme getroffenen Vereinbarung einen Nachschlag auf den Kaufpreis für die Bank. Ein zweistelliger Millionenbetrag fließt in die Taschen der Sippe. Allerdings nicht in alle: Die Ullmanns und von Oppenheims haben zugunsten der anderen früheren Teilhaber auf ihren Anteil verzichtet, so vermeiden sie, dass diese sie auf Schadensersatz verklagen.

Der wirtschaftliche Abstieg hängt dennoch weiterhin über dem großzügigen Anwesen mit der Backsteinfassade im Kölner Stadtteil Marienburg. Und auch über dem Gestüt Schlenderhan, dessen Stallungen so manch edles Ross entsprungen ist.

"Ihre Nachkommen werden mal richtig arbeiten müssen"

Noch hält die Familie an vielen Insignien einstiger Größe fest. Christopher von Oppenheim hat die 42-Meter-Yacht Passepartout verkauft und auch ein Haus am Tegernsee. Das Geld liegt auf einem Sperrkonto und wartet auf seine Gläubiger. Ansprüche gibt es reichlich. Die Bürgschaften für den Schickedanz-Kredit sind fällig, dazu kommen Nachforderungen aus schlecht laufenden Immobilienfonds. Mehr als 500 Millionen Euro hatten sich die vier Banker zudem von ihrem eigenen Institut geliehen, auch die müssen sie zurückzahlen. Das hässliche Wort Vollstreckung macht in Köln die Runde.

Dabei ist Christopher noch ganz gut dran. Er hat seine finanziellen Verhältnisse in guten Tagen mittels Heirat diversifiziert. Seine Gattin stammt aus der Familie Mittelsten Scheid, die es mit Vorwerk-Staubsaugern zu einem Milliardenvermögen brachte.

Für das Paar von Krockow-Ullmann sieht es düsterer aus. Außer ihren Beteiligungen an der Bank und Esch-Fonds haben sie nur wenig angehäuft. Ein paar Immobilien sind da, aber die Forderungen gegen sie sind gewaltig. Das ist nicht gleichbedeutend mit der Privatinsolvenz, aber: „Ihre Nachkommen werden mal richtig arbeiten müssen“, sagt ein Verfahrensbeteiligter.

Auf die Milde der Deutschen Bank können sie kaum zählen, sie wird sich weigern, ihnen ein Schonvermögen von ein paar Millionen Euro zu lassen. Wie sollte sie auch angesichts all dieser lästigen Vorschriften zu Regulierung, Compliance, Controlling, die das Bankerleben heute so unerfreulich machen? Das ist nicht mehr die Welt der Oppenheims, in der die Millionen locker saßen, Kunden Kumpel waren und der Schein mehr als das Sein das Bewusstsein bestimmte.

Ihre Zeit ist vorbei, sie kommt nie wieder. Aber zu Ende, das ist ihre Geschichte noch lange nicht.

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