Sal.-Oppenheim-Prozess Das Schweigen des Thomas Middelhoff

Im Untreue-Prozess gegen ehemalige Sal.-Oppenheim-Banker wird Ex-Arcandor-Chef Middelhoff vorerst nicht für Aufklärung sorgen. Als Grund nennt er einen Medienbericht – die Staatsanwaltschaft reagiert fassungslos.

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Der ehemalige Arcandor-Chef Thomas Middelhoff verweigerte im Sal. Oppenheim-Prozess die Aussage. Quelle: dpa

Gut gebräunt, bestens gelaunt – bei seinem Auftritt im Saal 210 des Kölner Landgerichts genießt Thomas Middelhoff, einst einer der wichtigsten Wirtschaftsführer der Republik, sichtlich das Blitzlicht der Kameras. Nur sagen will der damalige Arcandorchef nicht viel. Eigentlich sollte er Licht ins Dunkel bringen und dem Gericht Fragen zur Pleite des Handelsriesen im Jahr 2009 und der Rolle der Kölner Privatbank Sal. Oppenheim beantworten.

Die Spitzenbanker des Instituts, das durch den Niedergang von Arcandor fast mit in die Pleite gerutscht wäre, müssen sich vor dem Gericht wegen Untreue verantworten. Graf von Krockow, Christopher Freiherr von Oppenheim, Friedrich Carl Janssen, Dieter Pfundt und der Immobilienentwickler Josef Esch sollen jahrelang ihre eigenen Interessen mit denen der Bank vermischt haben. Mit der Vergabe eines rettenden Kredits für Arcandor im Jahr 2009 war der Bank ein Schaden von 80 Millionen Euro entstanden, so beziffert ihn jedenfalls die Staatsanwaltschaft. Am Ende musste die einst stolze Privatbank durch die Deutsche Bank gerettet werden.

Doch kurz bevor Middelhoff seine Zeugenaussage machen kann, überraschen seine Anwälte die rund zwei Dutzend anwesenden Juristen und etliche Pressevertreter mit einer Erklärung: Man wolle umfassend vom Zeugnisverweigerungsrecht nach Paragraph 55 Strafprozessordnung Gebrauch machen, kündigte sein Anwalt Winfried Holtermüller an.

Die Geschichte von Sal. Oppenheim

Ein Bericht des „Focus“ vom Sonntag erhebe Vorwürfe gegen seinen Mandanten, die in einem Verfahren gegen Middelhoff relevant sein könnte. Es geht um Insolvenzverschleppung. Am Dienstag steht der ehemalige Arcandor-Chef selbst wegen Untreueverdachts vor einem Essener Gericht.

Richterin Sabine Grobecker reagierte überrascht: Bei der Terminabstimmung im Vorfeld habe man immer betont, eine Aussage zu machen. Staatsanwalt Torsten Elschenbroich findet deutlichere Worte: „Was Sie heute hier machen, lässt jeden Respekt gegenüber Gericht, der Staatsanwaltschaft und Ihrem Mandanten vermissen“. Die Aussage zu verweigern, sei zwar berechtigt. Doch es sei „erbärmlich und unglaubwürdig“ sich wegen eines Zeitungsberichts erst am Tag der Aussage auf diese Möglichkeit zurückzuziehen. „Schade, dass es keine Missbrauchsgebühr gibt“, so Elschenbroich weiter.

Zuvor hatte die Vorsitzende Richterin versucht, den Arcandor-Chef trotzdem zum Innenverhältnis der Bank und Middelhoffs Rolle zu befragen. Doch zu fast allen Fragen verweigerte Middelhoff die Aussage.

"Am Donnerstag geht das Geld aus"


Deutschlands traditionsreichste Privatbanken
Mit ihrem Geld wurden Könige gewählt und Kriege finanziert. Privatbankiers haben zum Teil schon vor 500 Jahren große Vermögen verwaltet. Heute kümmern sich die exklusiven Geldhäuser hauptsächlich um die Gelder von betuchten Privatkunden. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts ist die Zahl der unabhängigen Institute in Deutschland von über 1300 auf rund ein Dutzend zurückgegangen. Und mit der Notübernahme von Sal. Oppenheim durch die Deutsche Bank verliert das prominenteste und finanzstärkste private Institut in Deutschland seine Unabhängigkeit. Foto: PR
Sal. OppenheimMit 40 000 Talern in bar und 50 000 Talern in Wertpapieren gründete der 17-jährige Salomon Oppenheim Jr. im Jahr 1789 ein Kommissions- und Wechselhaus in Bonn. 220 Jahre und zwei Umzüge später sitzt die Privatbank nun in Luxemburg und beschäftigt rund 4300 Mitarbeiter. Mit einer Bilanzsumme von 41,4 Milliarden Euro (Stand November 2009) zählt sie zu den größten unabhängigen Privatbanken Europas. Im Jahr 2008 schrieb die Bank zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg rote Zahlen. Foto: PR
Berenberg-BankUm ihr Vermögen müssen die persönlich haftenden Gesellschafter der Berenberg Bank nicht bangen: Eine Eigenkapitalrendite von 45,3 Prozent und ein Überschuss von 62 Millionen Euro im vergangenen Jahr (2010) dürfte sie ruhig schlafen lassen. Die Berenberg Bank nennt sich selbst die älteste Privatbank Deutschlands. Sie ging aus einem familiengeführten Hamburger Handelshaus hervor, das 1590 gegründet wurde. Sie verfügt über eine Bilanzsumme von 3,2 Milliarden Euro (2010) und verwaltet über 25 Mrd. Euro. Ende 2010 beschäftigte die "Joh. Berenberg, Gossler & Co. KG" 977 Mitarbeiter an 17 Standorten. Größte Gesellschafter sind die Familie sowie die persönlich haftenden Gesellschafter. Foto: PR
Hauck & Aufhäuser PrivatbankiersKnapp acht Prozent von Hauck & Aufhäuser gehören dem Kuwaitischen Königshaus. Die Gründerfamilie Hauck hält ebenfalls ein Aktienpaket, rund 80 Prozent der Anteile sind im Besitz privater Unternehmerfamilien. Der Bilanzgewinn lag 2010 bei 9,1 Millionen Euro, die Bilanzsumme betrug 3,2 Milliarden Euro. Hauck & Aufhäuser beschäftigt derzeit rund 600 Mitarbeiter. Foto: PR
Bankhaus LampeDas Motto des Bankhaus Lampe lautet "Für Wenige Besonderes leisten". Dem bleibt die Bank auch treu: Wenige, dafür wohlhabende Kunden bilden das Klientel. Gegründet wurde das heute in Bielefeld ansässige Unternehmen 1852 in Minden. Mittlerweile hat das Bankhaus Lampe 580 Mitarbeiter an 12 Standorten, darunter Dresden, Hamburg, Berlin und München. Hatte das Institut 2007 noch 24 Millionen Euro Jahresüberschuss, schrieb es 2008 zwölf Millionen Euro Verluste. Foto: PR
Fürstlich Castell'sche Bank, Credit-Casse AGDie älteste Bank Bayerns wurde 1774 als "Gräflich Castell-Remlingen´sche Landes-Kredit-Casse" gegründet. Nach der Erhebung in den Fürstenstand und der Übernahme einer anderen Castell`schen Bank heißt das Institut heute "Fürstlich Castell´sche Bank, Credit-Casse". Der Hauptsitz ist mittlerweile in Würzburg. Die Bank befindet sich im alleinigen Besitz der Fürstenhäuser Castell-Rüdenhausen und Castell-Castell. Die Bilanzsumme liegt bei 1,1 Milliarden Euro (Stand November 2009). Beschäftigt werden 270 Mitarbeiter in 15 Filialen. Foto: PR
Merkur-BankDie Merkur-Bank engagierte sich in den 90er-Jahren in der Republik Mosambik, was ihrem damaligen Vorsitzenden Siegfried Lingel den Titel Honorarkonsul von Mosambik einbrachte. Gegründet wurde die Bank 1959 von Zanwel Horowicz zusammen mit seiner Frau und seinem Bruder. 1986 stieg dann eine Investorengruppe um Siegfried Lingel ein. Der Bilanzgewinn sank im Jahr 2008 auf 282 000 Euro im Vergleich zu 956 000 Euro in 2007. Foto: PR

Dabei hätte er aufklären sollen über die bangen Stunden als im Sommer 2008, in denen klar wurde, dass Arcandor das Geld ausgehen würde. Die Royal Bank of Scotland hatte ein Konsortium verlassen, das dem Konzern eigentlich die Einkäufe für das wichtige Weihnachtsgeschäft finanzieren sollte. Nach Informationen des „Focus“ hatte Finanzvorstand Peter Diesch am 20. September an Middelhoff geschrieben: „Am Mittwoch/Donnerstag geht das Geld aus.“ Middelhoff selbst soll sich daraufhin sechs Tage später in der eigenen Rechtsabteilung nach der Möglichkeit eines Insolvenzantrags in Eigenregie erkundigt haben.

Wäre die Finanzlücke nicht durch Sal. Oppenheim und die Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz geschlossen worden, hätte Middelhoff mit Arcandor wohl schon frühzeitig den Gang zum Insolvenzrichter antreten müssen, ein entsprechender Insolvenzvertrag habe bereits in der Schublade gelegen, so das Magazin weiter. Erst im Juni 2009 stellte Arcandor schließlich Insolvenzantrag.

Für die Kammer erschließe sich der Zusammenhang zwischen dem neuen „Focus“-Bericht zum anhängigen Verfahren in Bochum dagegen nicht, so Richterin Grobecker. Den Gebrauch des Zeugnisverweigerungsrechts hätte man vorher mitteilen können, dann hätte man Middelhoff zu einem anderen Termin geladen.

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