Gut gebräunt, bestens gelaunt – bei seinem Auftritt im Saal 210 des Kölner Landgerichts genießt Thomas Middelhoff, einst einer der wichtigsten Wirtschaftsführer der Republik, sichtlich das Blitzlicht der Kameras. Nur sagen will der damalige Arcandorchef nicht viel. Eigentlich sollte er Licht ins Dunkel bringen und dem Gericht Fragen zur Pleite des Handelsriesen im Jahr 2009 und der Rolle der Kölner Privatbank Sal. Oppenheim beantworten.
Die Spitzenbanker des Instituts, das durch den Niedergang von Arcandor fast mit in die Pleite gerutscht wäre, müssen sich vor dem Gericht wegen Untreue verantworten. Graf von Krockow, Christopher Freiherr von Oppenheim, Friedrich Carl Janssen, Dieter Pfundt und der Immobilienentwickler Josef Esch sollen jahrelang ihre eigenen Interessen mit denen der Bank vermischt haben. Mit der Vergabe eines rettenden Kredits für Arcandor im Jahr 2009 war der Bank ein Schaden von 80 Millionen Euro entstanden, so beziffert ihn jedenfalls die Staatsanwaltschaft. Am Ende musste die einst stolze Privatbank durch die Deutsche Bank gerettet werden.
Doch kurz bevor Middelhoff seine Zeugenaussage machen kann, überraschen seine Anwälte die rund zwei Dutzend anwesenden Juristen und etliche Pressevertreter mit einer Erklärung: Man wolle umfassend vom Zeugnisverweigerungsrecht nach Paragraph 55 Strafprozessordnung Gebrauch machen, kündigte sein Anwalt Winfried Holtermüller an.
Die Geschichte von Sal. Oppenheim
Salomon Oppenheim gründet in Bonn eine Bank
Umzug nach Köln
Mit der Finanzierung von Eisenbahnen und dem Einstieg ins Versicherungsgeschäft steigt die Bank auf
Auf Druck der Nazis Umbenennung in Pferdmenges & Co. (bis 1947)
Alfred von Oppenheim (gest. 2005) wird Chef und baut die Betreuung reicher Privatkunden auf
Verkauf der Anteile an der Colonia Versicherung, Beginn der Zusammenarbeit mit Josef Esch
Ex-Bundesbank-Präsident Karl Otto Pöhl führt Sal. Oppenheim.
Matthias Graf von Krockow folgt ihm.
Mit dem Kauf der BHF Bank wird Sal. Oppenheim zur größten Privatbank Europas. Esch-Projekte wie der Neubau der Kölner Messe geraten in die Kritik.
Die Bank macht erstmals Verlust
Durch die Pleite des Handelskonzerns Arcandor, mit dem die Bank über Kredite und Aktienbeteiligung eng verbunden ist, gerät Sal. Oppenheim in eine existenzbedrohende Krise
Die Deutsche Bank übernimmt Sal. Oppenheim komplett.
Zahlreiche Prozesse von Anlegern wegen Verlusten bei Oppenheim-Esch-Fonds. Die Staatsanwaltschaft Köln erhebt Anklage gegen die Ex-Bankführung und Josef Esch, Prozessbeginn wohl Anfang 2013
Ein Bericht des „Focus“ vom Sonntag erhebe Vorwürfe gegen seinen Mandanten, die in einem Verfahren gegen Middelhoff relevant sein könnte. Es geht um Insolvenzverschleppung. Am Dienstag steht der ehemalige Arcandor-Chef selbst wegen Untreueverdachts vor einem Essener Gericht.
Richterin Sabine Grobecker reagierte überrascht: Bei der Terminabstimmung im Vorfeld habe man immer betont, eine Aussage zu machen. Staatsanwalt Torsten Elschenbroich findet deutlichere Worte: „Was Sie heute hier machen, lässt jeden Respekt gegenüber Gericht, der Staatsanwaltschaft und Ihrem Mandanten vermissen“. Die Aussage zu verweigern, sei zwar berechtigt. Doch es sei „erbärmlich und unglaubwürdig“ sich wegen eines Zeitungsberichts erst am Tag der Aussage auf diese Möglichkeit zurückzuziehen. „Schade, dass es keine Missbrauchsgebühr gibt“, so Elschenbroich weiter.
Zuvor hatte die Vorsitzende Richterin versucht, den Arcandor-Chef trotzdem zum Innenverhältnis der Bank und Middelhoffs Rolle zu befragen. Doch zu fast allen Fragen verweigerte Middelhoff die Aussage.
"Am Donnerstag geht das Geld aus"
Dabei hätte er aufklären sollen über die bangen Stunden als im Sommer 2008, in denen klar wurde, dass Arcandor das Geld ausgehen würde. Die Royal Bank of Scotland hatte ein Konsortium verlassen, das dem Konzern eigentlich die Einkäufe für das wichtige Weihnachtsgeschäft finanzieren sollte. Nach Informationen des „Focus“ hatte Finanzvorstand Peter Diesch am 20. September an Middelhoff geschrieben: „Am Mittwoch/Donnerstag geht das Geld aus.“ Middelhoff selbst soll sich daraufhin sechs Tage später in der eigenen Rechtsabteilung nach der Möglichkeit eines Insolvenzantrags in Eigenregie erkundigt haben.
Wäre die Finanzlücke nicht durch Sal. Oppenheim und die Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz geschlossen worden, hätte Middelhoff mit Arcandor wohl schon frühzeitig den Gang zum Insolvenzrichter antreten müssen, ein entsprechender Insolvenzvertrag habe bereits in der Schublade gelegen, so das Magazin weiter. Erst im Juni 2009 stellte Arcandor schließlich Insolvenzantrag.
Für die Kammer erschließe sich der Zusammenhang zwischen dem neuen „Focus“-Bericht zum anhängigen Verfahren in Bochum dagegen nicht, so Richterin Grobecker. Den Gebrauch des Zeugnisverweigerungsrechts hätte man vorher mitteilen können, dann hätte man Middelhoff zu einem anderen Termin geladen.