
Oberstaatsanwalt Torsten Elschenbroich hat schon mehr als drei Stunden geredet, als er richtig deutlich wird. Die einstigen Sal.Oppenheim-Topbanker hätten ihre eigenen Fachabteilungen „dumm gehalten“. Sie hätten „Kontrollen ab- und Risiko aufgebaut“ und seien nach der Devise verfahren „Wer nicht fragt, erfährt auch nichts“. Gegenüber der Bankenaufsicht hätten sie nur zugegeben, was sich nicht mehr geheim halten ließ und immer neue Nebelkerzen geschmissen. „Sie haben ab 2005 ein Lügengebäude errichtet, dass ab 2008 einstürzte“, sagt der Staatsanwalt. Es sind harte Worte, die letztlich in einer hohen Strafforderung gipfeln.
Mit dem Plädoyer der Strafverfolger geht einer der längsten und spektakulärsten deutschen Wirtschaftsprozesse nach mehr als zwei Jahren seinem Ende entgegen. Der Vortrag hat – wie in diesem an Verzögerungen reichen Verfahren eigentlich schon zu erwarten war, mit Verspätung angefangen. Der Anwalt des einst für das Risikomanagement zuständigen Gesellschafters Friedrich Carl Janssen hatte erklärt, dass dieser aus gesundheitlichen Gründen schon länger nicht verhandlungsfähig gewesen sei. Nach einer kurzen Pause lehnt die Vorsitzende Richterin Sabine Grobecker den Antrag ab. Um 10.42 Uhr schließt sie nach mehr als 120 Verhandlungstagen die Beweisaufnahme. Elschenbroich kann loslegen.
Gleich zu Beginn stellt er klar, dass es nicht der Sinn des Prozesses gewesen sei, die Gründe für den Niedergang der einst florierenden Bank zu ermitteln. Doch der ist untrennbar mit den Vorwürfen der Strafverfolger verbunden und wird auch von Elschenbroich detailliert beschrieben. Beispielhaft nennt er eine gesteigerte Risikobereitschaft, die Vermischung von persönlichen Interessen mit denen der Bank und die Vernachlässigung von Informationspflichten.
Noch einmal skizziert er zudem, wie der ebenfalls angeklagte Immobilienentwickler Josef Esch seinen Einfluss in der Bank immer weiter ausdehnte. Die von ihm mit der Bank aufgelegten Fonds entwickelten sich zum Anlageschlager für Superreiche, die davon ebenso wie die Bank und Esch selbst profitierten. Damit das Modell funktionierte, benötigten Sal. Oppenheim und Esch Nachschub an geeigneten Immobilien. Und Nutzer, die für diese überdurchschnittliche Mieten zahlten.
Die fünf Angeklagten im Sal. Oppenheim-Prozess
... ist mit den Oppenheims verschwägert und war seit 1998 der Sprecher der vier persönlich haftenden Gesellschafter - und somit eine Art Vorstandschef. Kurz vor der Übernahme von Sal. Oppenheim durch die Deutsche Bank schied er 2009 aus. Seinem Anwalt zufolge übernimmt er im unternehmerischen Sinne die Verantwortung für seine Entscheidungen, sieht aber keine strafrechtliche Relevanz. Durch die Beinahe-Pleite habe auch er selbst den Großteil seines eigenen Vermögens verloren.
... war ebenfalls persönlich haftender Gesellschafter. Der frühere Wirtschaftsprüfer kam 2002 zu Sal. Oppenheim, war ab 2004 für das Risikomanagement verantwortlich. Vier Jahre später wurde er vorübergehend Aufsichtsratschef beim später pleitegegangenen Karstadt-Mutterkonzern Arcandor. Im Strafprozess hat er sich als einen erst spät Hinzugekommenen „ohne Führungsanspruch“ dargestellt. Im Nachhinein werte er seinen Wechsel zu Sal. Oppenheim als „Fehler“.
... war Chef des Investmentbankings. In den Krisenjahren machte das Investmentgeschäft Riesenverluste. Auch er hat im Strafverfahren seine Rolle als eher klein dargestellt.
... war der Namensträger im früheren Topmanagement, er ist Ururururenkel des Bankengründers. CvO war zuständig für das exklusive Privatkunden-Geschäft. Er wollte das Geldhaus in Krisenzeiten radikal verkleinern, um die Unabhängigkeit zu wahren. Das dafür nötige Kapital fehlte aber. Janssen und Pfundt sagten im Strafprozess aus, die eigentliche Macht habe bei CvO und dem Grafen gelegen. Doch von Oppenheim selbst sah sich nach eigener Aussage zunehmend von Entscheidungsprozessen abgeschnitten.
... ist ein Immobilienunternehmer aus Troisdorf bei Bonn. Zusammen mit der Bank legte der gelernte Maurerpolier Dutzende Fonds auf. Im Prozess präsentierte er sich als Außenstehender, der in die inneren Bankvorgänge nicht einbezogen gewesen sei. Dagegen schilderten ihn Zeugen wie der frühere Arcandor-Chef Thomas Middelhoff und die Großaktionärin Madeleine Schickedanz als zentralen Entscheidungsträger.
Wie der Versuch, die Immobilien des damals Arcandor heißenden Mutterkonzerns des Handelskonzerns Karstadt dafür zu nutzen, zum Fiasko für die Bank geriet, stellt Elschenbroich in den nächsten Stunden detailliert dar. Es ist die Geschichte einer grandios gescheiterten Spekulation – und schier unglaublicher Leichtsinnigkeit. Für den Staatsanwalt ist klar, dass Esch und der damalige Chef der Bank Matthias Graf von Krockow schon ab 2001 den Plan verfolgten, die Warenhäuser für ihre Zwecke zu nutzen.
Auf 60 Immobilien hätten sie es abgesehen gehabt, doch die Details des Plans blieben weitgehend geheim. Immer wieder führt Elschenbroich aus, wie Bedenken der zuständigen Fachabteilungen der Bank ignoriert und diese bewusst im Unklaren gelassen wurden. Die gab es reichlich. Denn schon damals war Karstadt alles andere als ein florierendes Unternehmen. Trotzdem baute die Bank ihr Engagement mit immer neuen und zudem unzureichend besicherten Krediten an die Großaktionärin und Esch-Kundin Madeleine Schickedanz immer weiter aus.