
Es ist noch gar nicht lange her, dass sich Banken dafür feierten, dass Juristen im Management bei ihnen nicht mehr so viel zu sagen hatten. Die Bedenkenträger schienen abgeschüttelt, das Paragrafenkorsett gelockert, statt bürokratischer Verwalter sollten dynamische Durchstarter das Sagen haben. Eine Weile ging das scheinbar gut, nun jedoch schlägt das Pendel kräftig zurück. Längst dominieren Verfahren und Verordnungen das Geschäft mindestens ebenso stark wie die neuesten Markttrends. Das jedoch ist kaum zur Freude des größten deutschen Instituts.
Wie sehr die Rechtsverfahren die Prioritäten in der Deutschen Bank auf den Kopf gestellt haben, machen die heute veröffentlichten Zahlen zum dritten Quartal deutlich. Einst zentrale Zahlen wie die Eigenkapitalrendite spielen dort nur noch eine untergeordnete Rolle. Selbst die Gewinnentwicklung der einzelnen Segmente ist zweitrangig. Die Erträge insgesamt sind im Vergleich zum Vorjahr um zehn Prozent gesunken. Im Investmentbanking fielen sie dabei mit 24 Prozent besonders deutlich. Das Privatkundengeschäft schlug sich angesichts der niedrigen Zinsen achtbar und in der lange kriselnden Vermögensverwaltung gab es sogar ein leichtes Plus, was weniger an gestiegenem Geschäft als an gesunkenen Kosten lag. All dies sind übliche Schwankungen.
Nach Steuern verdiente die Bank dennoch gerade mal 51 Millionen Euro. Also fast nichts.
Die Kernpunkte der neuen Deutsche-Bank-Strategie
Bis 2015 sollen die jährlichen Kosten um 4,5 Milliarden Euro sinken - das ist rund ein Sechstel der Kostenbasis für 2012 von gut 27 Milliarden Euro. Von den Einsparungen sollen 2,8 Milliarden aus dem operativen Geschäft kommen, 1,9 Milliarden allein aus der Investmentbank. Das heißt: 1500 gestrichene Investmentbanker-Stellen, drastisch sinkende Boni und eine noch unbekannte Zahl von Arbeitsplätzen, die in der Vermögensverwaltung wegfallen. 1,7 Milliarden Euro soll die "Infrastruktur" der Bank beisteuern. Zunächst wird das Sparprogramm allerdings erst einmal vier Milliarden Euro kosten.
Der deutsche Branchenprimus will Risikopapiere im Wert von 135 Milliarden Euro und nicht zum Kerngeschäft zählende Anlagen in eine Art konzerninterne „Bad Bank“ schieben, wo sie möglichst ohne Verluste abgewickelt werden sollen. So soll die risikogewichtete Bilanzsumme (RWA) der Bank um mehr als ein Drittel schrumpfen, und die Eigenkapitalquote steigt auch ohne Kapitalerhöhung. 100 Milliarden Euro der Summe kommen allein aus der Investmentbank. 45 Milliarden - ein Drittel - sollen schon Ende März aus der Bilanz verschwunden sein, Ende 2013 schon 80 Milliarden Euro.
Bis 2015 wird eine Eigenkapitalrendite nach Steuern von 12 Prozent angestrebt. Im ersten Halbjahr 2012 lag sie bei 7,4 Prozent. Unter Führung von Josef Ackermann hatte die Bank sich 25 Rendite vorgenommen - vor Steuern. Die Erwartungen des neuen Vorstands entsprechen einer Vorsteuerrendite von 17 bis 18 Prozent.
Die Boni für Führungskräfte sollen sinken - und sie werden später ausbezahlt. Anstatt sie über drei Jahre in Raten ausgeschüttet zu bekommen, müssen die Banker nun fünf Jahre warten. Und nur wenn sich der Erfolg, der mit den Bonus belohnt wurde, dann als dauerhaft herausstellt, sollen die Bonus-Aktien fließen. Ein Gremium externer Experten soll regelmäßig das allgemeine Gehaltsniveau überprüfen.
Die meisten Analysten halten die Kapitalausstattung der Bank für zu niedrig. Auf 7,2 Prozent kommt sie nur, wenn Anfang 2013 die schärferen Eigenkapitalvorschriften von Basel III in Kraft treten. Bis März 2013 sollen daraus acht Prozent werden, zwei Jahre später soll das Kapitalpolster in Form von Aktien und Gewinnrücklagen auf zehn Prozent wachsen. Das wäre mehr als die rund neun Prozent, die die Deutsche Bank langfristig nach dem Willen der Aufseher haben muss. Auf Kapitalerhöhungen will das Institut weiterhin verzichten.
Wachsen will die Deutsche Bank künftig vor allem in Asien. Dort seien jährliche Zuwachsraten von mehr als 20 Prozent beim operativen Gewinn möglich, in Deutschland und Amerika immerhin noch 10 bis 20 Prozent. In Deutschland will die Bank bis 2015 zehn Milliarden Euro mehr Kredite vergeben. Dagegen rechnet die Deutsche Bank damit, dass ihr Ergebnis im Rest von Europa in den nächsten drei Jahren schrumpft.
Die Deutsche Bank will künftig nicht mehr alle Geschäfte machen, nur weil juristisch nichts dagegen einzuwenden ist. Sie war unter anderem wegen Spekulationen mit Nahrungsmittel-Rohstoffen und Rüstungsunternehmen in die Kritik geraten.
Zwei Sparten sollen kräftig zulegen: Die Sparte Asset & Wealth Management (AWM) soll den Gewinn vor Steuern bis 2015 auf 1,7 Milliarden Euro mehr als verdoppeln. Ein Verkauf großer Teile der Sparte war gescheitert. Das Global Transaction Banking (GTB) soll bis 2015 einen Gewinn von 2,4 (2011: 1,0) Milliarden Euro vor Steuern abliefern. Die Privatkundensparte (PBC) hat für einen Gewinn vor Steuern von drei Milliarden Euro nun ebenfalls bis 2015 Zeit. Für die Investmentbank gilt nun das Ziel einer Eigenkapitalrendite von 15 Prozent nach Steuern - etwas mehr als im Konzern.
Das liegt fast ausschließlich an den erneut heftigen Belastungen durch Prozesse. Wer geglaubt hatte, dass die neue Führung alle Altlasten bei ihrem Amtsantritt mit einem Schlag erledigt hätte, wird nun Quartal für Quartal eines Besseren belehrt. Bei der Deutschen Bank liegen noch einige Leichen im Keller. Vor allem die unübersehbaren Folgen zahlloser Rechtsstreitigkeiten vermasseln ihre Zahlen. Zwischen Juni und September kamen hier nochmals unerwartet hohe Rückstellungen in Höhe von 1,2 Milliarden Euro hinzu. Insgesamt liegen diese nun bei 4,1 Milliarden Euro. Hinzu kommen nochmal 1,3 Milliarden Euro an Eventualverbindlichkeiten, bei denen eine Zahlungsverpflichtung als nicht wahrscheinlich, aber möglich gilt.
Dahinter steckt ein Sammelsurium verschiedener Verfahren. Dazu zählen etwa Verfahren um die Manipulation des Leitzinses Libor, wo sich ein teurer Vergleich anbahnt. Vor allem aber geht es immer noch um Rechtsfälle im Zusammenhang mit verbrieften US-Hypotheken. Hier zählte die Bank in den Jahren vor 2008 zu den größten Spielern. Wie hoch die Belastungen letztlich insgesamt sein werden, ist völlig offen. Klar ist nur, dass die Tour der Leiden noch längst nicht zu Ende sind. So warnen die Co-Chefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen bereits, dass sie „auch in den kommenden Quartalen weitere Herausforderungen zu bewältigen haben.“
Dass sie die Probleme einigermaßen schnell in den Griff bekommen, ist für das Gelingen ihres gesamten Zukunftskonzepts entscheidend. Denn die Deutsche Bank hat weiter den Anspruch als eines von vier oder fünf Instituten weltweit in allen Geschäftsfeldern vorne mitzuspielen. Auch wenn der Renditewahn der Vergangenheit vergangen sein sollte, reicht dazu ein Gewinn in Höhe einer großen Sparkasse nicht aus. US-Banken müssen zwar auch hohe Belastungen verzeichnen, verdienen aber vielfach ein Vielfaches der Deutschen Bank. Wenn sich die Lücke weiter auftut, spielt die Deutsche Bank bald nicht mehr in der Champions League mit. Sondern allenfalls in der Mittelklasse.