Sechs Antworten Das macht den Fall der Silicon Valley Bank so gefährlich

Quelle: imago images

Schock in den USA: Die Aufsichtsbehörden haben die in Schieflage geratene Silicon Valley Bank dichtgemacht. Das schürt Ängste vor einer neuen Finanzkrise. Ist die Sorge berechtigt? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

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Die Website der Silicon Valley Bank strotzt nur so vor wichtigtuerischen Floskeln: Das Geldhaus schreibt, seine Mitarbeiter würden Empathie für Kunden aufbringen. Das Institut verspricht auch, die Angestellten erledigten ihre Arbeit mit „Integrität“. Und als Unternehmensziel nennt die Bank, Innovationen voranbringen zu wollen: „for a better world“.

Diesem Anspruch wird die SVB jedenfalls momentan nicht mehr gerecht: Eine US-Behörde hat das Institut am Freitag geschlossen, der Schritt markiert den schwerwiegendsten Kollaps einer US-Bank seit der Finanzkrise. Die SVB steht deshalb im Zentrum einer neuen Vertrauenskrise in die globale Bankenbranche.

Vor der Schließung waren die Aktien der Silicon Valley Bank um 80 Prozent gefallen – mit der Folge, dass auch die Papiere anderer Geldhäuser in den USA und Europa ins Taumeln gerieten.

Es ist der Gipfel der Ironie. Die Silicon Valley Bank – Hausbank der Tech-Gründer – stürzte ab, weil sie Risiken minimieren wollte. Panische Kunden besorgten den Rest.
von Matthias Hohensee

Was ist die Silicon Valley Bank für ein Geldhaus? Warum geriet das Institut gerade jetzt in Schwierigkeiten, weshalb ist die Situation so gefährlich? Und drohen ähnliche Probleme auch in Deutschland? Die WirtschaftsWoche beantwortet die sechs wichtigsten Fragen.

Wer ist die Silicon Valley Bank?

Das bereits in den 1980er-Jahren gegründete Geldhaus ist auf Hightech-Unternehmen und Start-ups spezialisiert und finanziert diese. Passend dazu logiert das Institut im kalifornischen Santa Clara; die Stadt ist das Zentrum des Silicon Valleys, das als Mekka der US-amerikanischen Start-up-Szene gilt. Parallel zum Aufstieg vieler junger Techfirmen ist auch die Silicon Valley Bank immer bedeutsamer geworden. Inzwischen zählt sie in den Vereinigten Staaten zu den 20 größten Geldhäusern. Die Bank ist zudem in immer mehr Länder expandiert, 2018 eröffnete das Institut etwa eine Dependance in Frankfurt. Deshalb könnten auch einige deutsche Start-ups zu den Kunden gehören. 

Warum steckt die Bank in Schwierigkeiten?

Das Geldhaus braucht überraschend frisches Geld von seinen Investoren, um seine Reserven zu stärken. Der Schritt ist notwendig, um Verluste von knapp zwei Milliarden US-Dollar auszugleichen, die das Institut beim Verkauf von Anleihen erlitten hat.

Warum ist die Situation so gefährlich?

Offenbar war die Bank gezwungen, die Anleihen zu veräußern. Genau vor einer solchen Situation fürchten sich Finanzaufseher seit Jahren, weil Notverkäufe Investoren verunsichern, Bankkunden in Panik versetzen und ein Institut blitzartig in Schieflage bringen können – so wie jetzt bei der Silicon Valley Bank. 

Aus einer solchen Situation kann auch rasch eine Gefahr für das gesamte Finanzsystem erwachsen, weil Investoren und Kunden plötzlich anzweifeln, wie stabil andere Banken sind. Und diese Sorge haben Investoren inzwischen tatsächlich, anderenfalls würden sie nicht auch die Aktien anderer Geldhäuser verkaufen. Sie haben etwa die Papiere der US-Institute JP Morgan und Bank of America sowie die europäischer Häuser wie der Credit Suisse losgeschlagen.  

Wieso musste die Bank Anleihen verkaufen?

Offenbar haben die Kunden die Bank zu den Notverkäufen gezwungen. Die Krise des Geldhauses ist deshalb ein Symptom für die Probleme vieler Start-ups.

Anscheinend brauchen Start-ups und Hightechfirmen zurzeit besonders viel Geld. Anders als in den vergangenen Jahren ist dieses nun aber schwer zu bekommen. So kommt es wegen des Ukrainekrieges und der unsicheren Weltlage kaum noch zu Börsengängen, über die sich Start-ups Kapital besorgen könnten. Zudem geben ihnen Investoren seltener frisches Geld – oder verlangen dafür höhere Zinsen, weil die Notenbanken wie die US-amerikanische Fed die Leitzinsen angehoben haben.

Die Folge der Geldknappheit: Die jungen Firmen haben ihre Einlagen aufgezehrt, die sie bei der Silicon Valley Bank geparkt haben – mit der Konsequenz, dass die Bank Anleihen verkaufen musste. Denn Geldhäuser wie die Silicon Valley Bank investieren einen Teil der Kundeneinlagen in Anleihen, um damit Geld zu verdienen. 

Das Problem: Zurzeit sind solche Notverkäufe nur mit Verlusten möglich. Denn die Zinserhöhungen der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) und anderer Zentralbanken haben zu fallenden Anleihekursen geführt. Schließlich können Investoren bei diesen Papieren nur die niedrigen Zinsen einstreichen, die bis zu den Zinserhöhungen der Notenbanken üblich waren. 

Lesen Sie auch: Das müssen Einsteiger beim Anleihekauf beachten



Drohen vielen anderen Banken ähnliche Schwierigkeiten?

Jein. Einerseits sind die Probleme der Silicon Valley Bank einzigartig, hängen diese doch mit ihrer besonderen Rolle als Start-up-Finanzierer zusammen. „Das Risiko eines solchen Geschäftsmodells ist sehr hoch“, sagt Experte Brühl. Denn viele der jungen Firmen verdienen noch kein Geld und geraten deshalb eher als etablierte Unternehmen in Probleme, wenn Geldquellen versiegen. „Die meisten anderen Banken finanzieren deshalb keine Start-ups“, sagt Brühl. 

Andererseits erinnern die Probleme der Silicon Valley Bank daran, dass die stark gestiegenen Zinsen nicht nur positiv für Geldhäuser sind. Offenbar hat diese eigentlich triviale Erkenntnis etliche Investoren überrascht: Sie haben in den vergangenen Monaten massenhaft Bankaktien gekauft, weil steigende Zinsen mittel- und langfristig zu höheren Einnahmen bei Banken führen. Allerdings hatten sie kurzfristig auftretende Probleme in ihrem Kaufrausch außer Acht gelassen – und wollen sich nun umso rascher von Bankaktien trennen. 

Hinzu kommt: Die Probleme der Silicon Valley Bank könnten ein Indikator für eine schlechter werdende US-Wirtschaftslage sein, die sämtliche Banken träfe. Schwierigkeiten im Start-up-Sektor könnten die amerikanische Konjunktur belasten, was zu mehr Pleiten auch in anderen Branchen führen könnte.

Hat die Krise der Silicon Valley Bank auch Folgen für Deutschland?

Nein, bisher nicht. Aber auch in Deutschland leiden Geldhäuser, vor allem die Sparkassen und die Volks- und Raiffeisenbanken, unter der Zinswende und den gefallenen Anleihekursen. Auch sie haben einen Teil ihrer Einlagen in Anleihen investiert und mussten deshalb bereits Milliarden Euro abschreiben. In manchen Fällen hat das bereits zur Schieflage von Instituten geführt, etwa bei der Sparkasse Zwickau (lesen Sie hier die WiWo-Geschichte). Viele Institute konnten die Abschreibungen jedoch ausgleichen, weil sie über üppige Reserven verfügten. Vor allem Sparkassenmanager geben sich deshalb demonstrativ gelassen. Noch.

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In vertraulichen Gesprächen sorgen sie sich, dass weitere Abschreibungen drohen könnten, wenn die Zinsen wie erwartet weiter steigen sollten. Dann könnten deutlich mehr Sparkassen und Banken in Bedrängnis geraten.

Hinweis: Dieser Beitrag erschien zuerst am 10. März 2023. Er wurde überarbeitet und aktualisiert.

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