Die Commerzbank hat Berufung gegen ein Urteil eingelegt, laut dem sie ihre frühere Wirecard-Analystin Heike Pauls wieder einstellen muss. Das sagte eine Sprecherin des Hessischen Landesarbeitsgerichts der WirtschaftsWoche. Das Institut hatte Pauls wegen zu großer Nähe zu dem insolventen Zahlungsdienstleister zu Jahresbeginn gekündigt.
Sie hatte gegen ihren Rauswurf geklagt und im Juli vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main Recht bekommen. Wann das Hessische Landesarbeitsgericht die Berufung (19 Sa 957/21) verhandelt, ist noch unklar, sagte eine Sprecherin der Behörde. Die Commerzbank bestätigte, Berufung eingelegt zu haben, wollte den Schritt aber nicht begründen.
Pauls gehört zu den zentralen Figuren des Wirecard-Skandals, die nie für den insolventen Zahlungsdienstleister gearbeitet haben: Sie hatte Wirecard so aggressiv gegen Vorwürfe verteidigt wie kaum eine andere Analystin, einen kritischen Bericht der „Financial Times“ hatte sie als „Fake News“ bezeichnet. Zudem hatte sie immer neue hohe Kursziele für die Aktie des mittlerweile insolventen Zahlungsdienstleisters ausgerufen.
Es ist fraglich, wie gut die Chancen der Commerzbank stehen, in der Berufung zu siegen. In der Urteilsbegründung des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main heißt es: „Nach Auffassung der Kammer ist die außerordentliche Kündigung unverhältnismäßig.“ Die Commerzbank hätte Pauls „vorrangig abmahnen müssen“. Das hatte das Geldhaus jedoch nicht getan.
Zwar habe Pauls ihre „Rücksichtnahmepflicht“ gegenüber der Commerzbank verletzt. Tatsächlich, so zeigen es öffentlich gewordene Mails, soll Pauls Wirecard davor gewarnt haben, dass ein Hedgefonds den Zahlungsdienstleister des Betruges verdächtigte. Wirecards Bilanz, kabelte Pauls an den Konzern, habe der Fonds schlicht für zu gut gehalten, zumal eine Partnerschaft des Konzerns aufgebauscht worden sei. Ihre Mail schickte Pauls direkt an Wirecards Finanzvorstand und die langjährige Investor-Relations-Chefin des Konzerns, die Pauls mit Vorname anredete.
Pauls habe mit den Mails gegen die „wesentlichen Grundsätze der Objektivität, Neutralität und Unabhängigkeit“ des Analystenberufes verstoßen, heißt es in der Urteilsbegründung. Pauls‘ Verhalten sei grenzüberschreitend gewesen. Eine Abmahnung hätte aber nur entfallen können, wenn absehbar gewesen wäre, dass sich Pauls' Verhalten trotz der Warnung nicht geändert hätte oder sie ihre Pflichten noch schwerwiegender verletzt hätte.
Zudem habe Pauls durch ihr Handeln keinen eigenen Vorteil erlangt. Obendrein spreche zumindest gegen eine außerordentliche Kündigung, dass Pauls viele Jahre für das Geldhaus gearbeitet habe und die Commerzbank ihre Arbeit nie zuvor beanstandet habe.
Mehr zum Thema: Die Commerzbank hatte der Wirecard-Analystin Heike Pauls Anfang 2021 gekündigt. Pauls klagte dagegen - und gewann. Die Urteilsbegründung liegt der WirtschaftsWoche vor – und zeigt, wie hoch Pauls' Abfindung ausfallen könnte.