Sparen, schrumpfen, stutzen Wie geht es Deutschlands Banken?

Für deutsche Banken sieht es nicht gut aus – nun hat es auch die Commerzbank erwischt. Quelle: dpa

Deutschlands Banken sind auf Schrumpfkurs. Niedrigzinsen, harter Wettbewerb und die Digitalisierung machen der Branche zu schaffen. Mit günstigeren Bedingungen ist nicht zu rechnen. Braucht es noch radikalere Schritte?

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Sparen, schrumpfen, stutzen – viel mehr scheint Bankmanagern im Dauerzinstief nicht mehr einzufallen. Nun auch bei der Commerzbank: Deutschlands zweitgrößte Privatbank weiß sich in der Branchenkrise nicht anders zu helfen und baut Tausende Stellen ab. 200 Geschäftsstellen und damit ein Fünftel seines Filialnetzes will der MDax-Konzern schließen und seine jährlichen Kosten um 600 Millionen Euro senken.

4300 Jobs stehen bei der Commerzbank auf der Streichliste. Bei der Deutschen Bank sind es sogar 18.000. Die Sparkassentochter Dekabank hat den Abbau von 400 Jobs angekündigt und damit jeder zehnten Stelle im Haus, Deutschlands drittgrößte Landesbank Helaba rechnet einen „spürbaren Personalabbau“ durch. Aus der Fläche haben sich viele Institute längst zurückgezogen, seit Jahren schrumpft die Zahl der Filialen.

Die Wut auf den Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, ist groß. Unter der Ägide des Italieners hat die EZB die Zinsen im Euroraum nicht nur abgeschafft, sondern belastet die Banken auch noch mit Negativzinsen auf Geld, das sie bei der Notenbank bunkern. Der Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken, Hans-Walter Peters, spricht von einer „Art Strafsteuer“, die die Branche jährlich Milliarden koste. Auch die Commerzbank rechnet nicht mit baldiger Besserung beim Zinsniveau, oder wie Finanzchef Stephan Engels es formuliert: „Es gibt null Unterstützung vom Umfeld.“

„Langfristig ruinieren diese Niedrigzinsen das Finanzsystem“, schimpfte Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing Anfang September ungewohnt deutlich – und das war bevor die EZB ihren Kurs nochmals verschärfte. Selbst Raimund Röseler, oberster Bankenaufseher der Finanzaufsicht Bafin, sprach kürzlich von einer „zerstörerischen Wirkung“ des Niedrigzinsumfeldes: „Irgendwann leben die Institute nur noch von der Substanz und das schaffen sie unterschiedlich lange.“

Drastisch bringt es ein Frankfurter Banker auf den Punkt: In fünf Jahren müsse es vorbei sein mit dem Zinstief, „sonst kollabieren wir.“ Die Bafin hat bereits ihre Kräfte zur Betreuung kriselnder Banken gebündelt – und Röseler geht davon aus, dass die Spezialeinheit in den nächsten Jahren spürbar mehr zu tun haben wird.

Ein Problem des deutschen Marktes: Es gibt relativ viele Banken, die sich auf Privatkunden und Mittelstand stürzen. Ende vergangenen Jahres waren es nach Bundesbank-Zahlen 1783 Institute. Auch wenn es von Jahr zu Jahr weniger werden – der harte Wettbewerb drückt die Preise. Was für Kunden gut ist, schmälert für Banken den Gewinn.

Dem Megatrend Digitalisierung kann sich die Branche zudem nicht entziehen – und muss sich überlegen, wie lange sie sich noch ein teures Filialnetz leistet, wenn immer mehr Kunden Bankgeschäfte am heimischen Computer oder per Smartphone-App erledigen. Bei der Commerzbank sind es schon 30 Millionen App-Aufrufe im Monat.

Zielke will das mobile Banking daher weiter ausbauen. 750 Millionen Euro sollen in die Digitalisierung der Geschäfte fließen, 2000 Jobs in zukunftsträchtigen Bereichen wie IT und Vertrieb entstehen. Und die Online-Tochter Comdirect, die ganz ohne Filialen auskommt und als einer der Innovationstreiber in der Branche gilt, möchte Zielke komplett mit der Commerzbank verschmelzen.

„Die Filiale ist eine Last und nicht eine Lust“, urteilte Anfang 2017 der damalige Chef der Direktbank ING-Diba, Roland Boekhout. Zum 1. Januar 2020 wird der Niederländer neuer Firmenkundenvorstand der Commerzbank – just zu einer Zeit, in der das Institut ihr dichtes Filialnetz entgegen früherer Beteuerungen zusammenstreicht. Es ist ein Schritt, den die Konkurrenz – etwa Hypovereinsbank und Deutsche Bank - längst getan hat.

Seit Jahren sinkt die Zahl der Bankfilialen in Deutschland. 2018 verringerte sich die Zahl der Zweigstellen laut Bundesbank um 2239 auf 27.887 Filialen. 2007 waren es noch rund 40.000. Auch die Zahl der Beschäftigten im hiesigen Kreditgewerbe sinkt seit der Jahrtausendwende stetig. Ende vergangenen Jahres zählte die Branche 571.700 Beschäftigte, so der Arbeitgeberverband des privaten Bankgewerbes. Zu Hochzeiten Mitte der 1990er waren es fast 780.000.

Ist die Lage in der Branche tatsächlich so aussichtslos? Oder ist die Kritik von Bafin-Chef Felix Hufeld gerechtfertigt, der im September Bankern eine „Opfermentalität“ bescheinigte? Das aktuelle Umfeld und die „Erosion der Profitabilität“ im deutschen Bankensystem bereiteten ihm durchaus Sorge, sagte Deutschlands oberster Bankenaufseher.

Hufeld gefällt auch nicht, „wenn seitens führender Vertreter der Bankenindustrie primär aus der Attitüde einer Opfermentalität gesprochen“ werde. In Deutschland sähe es schlimmer aus, wenn Branchen wie die Energiewirtschaft oder die Automobilindustrie Umwälzungen mit der Attitüde der Banken angegangen wären. Hufelds Appell: „Packt die Themen an. Packt sie an der Wurzel an.“

Am Ende liege es immer auch am Management, wenn eine Bank in Probleme gerate, schrieb Bafin-Bankenaufseher Röseler der Branche jüngst ins Stammbuch. So gebe es in allen Gruppen – Privatbanken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken – Institute, die trotz niedriger Zinsen profitabel seien. Zu diesen Häusern will auch die Commerzbank weiter zählen.

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