
Rainer Gottwald aus Landsberg am Lech ist im Ruhestand, aber ein gefragter Mann. Der 70-Jährige mit dem silbernen Haar und den dunklen Augenbrauen hat in monatelanger Arbeit die Bilanzdaten der 71 bayrischen Sparkassen aus der staatlichen Datenplattform Bundesanzeiger herausgeflöht. Und er hat nachgerechnet, wie viel Gewinn sie ausschütten könnten, wenn sie denn wollten. Seitdem reist er durchs Land und besucht Gemeinden, die sich brennend für seine Zahlen interessieren.
Anders als dem tabellenaffinen Ex-Controller fehlen vielen Kommunalpolitikern Bilanzkenntnisse und Zeit, diese Daten auszuwerten. Nach Landshut stehen jetzt Erlangen, Aschaffenburg, Hof und Garmisch auf Gottwalds Reiseplan. Kontakt besteht auch zum Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel, der bereits im Clinch mit seiner Sparkasse liegt. Die lässt durchblicken, der Kommune nun wohl immerhin fünf Prozent Ausschüttung vom Gewinn gönnen zu wollen.





Doch die Frage, ob Sparkassen mehr Geld an darbende Kommunen ausschütten oder lieber Rücklagen für schlechte Zeiten bilden sollten, ist nur der Anfang. Bürger wie Gottwald und ehrgeizige Kommunalpolitiker wie Geisel wollen das Gefälligkeitskartell zwischen Bürgermeistern und Sparkassenchefs aufbrechen. Die gemütliche, aber politisch und wirtschaftlich fragwürdige Symbiose der Gemeinden mit ihren Sparkassen bekommt erste Risse. Die Ziele der Opponenten sind eine strengere Kontrolle der Sparkassen durch ihre Träger, weniger Kungelei zwischen Rathaus und Vorstand sowie mehr Transparenz. Die Geldhäuser mit dem weißen S auf rotem Grund zwingen die Kampagne zu Reformen, wie sie angesichts kommender Herausforderungen dringend nötig sind.
Noch wächst das Geschäft der 415 deutschen Sparkassen, die 2014 schon das fünfte Jahr in Folge zwei Milliarden Gewinn erwirtschafteten. Doch vor ihnen liegt eine Durststrecke. Wegen der niedrigen Zinsen verdienen sie immer weniger an den Krediten, die sie mit den Einlagen ihrer Sparer refinanzieren. Strengere Regeln zum Anlegerschutz, etwa die gefürchteten Beratungsprotokolle, erhöhen die Kosten. Zugleich sind Investitionen in digitale Bankgeschäfte nötig, um Konkurrenten aus dem Internet abzuwehren.

Zudem läuft den kommunalen Kreditinstituten außerhalb der Ballungsräume wegen der Landflucht die Kundschaft weg. Trotzdem müssen sie auch dort – mit hohen Kosten – die Versorgung mit Finanzdiensten sicherstellen. So will es das Sparkassengesetz.
Klüngelwirtschaft ist nicht mehr zeitgemäß
Angesichts all dieser Probleme können sich Sparkassen und Kommunen die bisherige Klüngelwirtschaft aus üppigen Vorstandsgehältern und Pensionsverträgen sowie Gefälligkeitskrediten nicht mehr leisten. Der unausgesprochene Deal, dass die Sparkasse nichts auszuschütten braucht, solange sie großzügig spendet und Verwaltungsräte mit Krediten versorgt, ist nicht mehr zeitgemäß. Zugleich zeigt die europaweite Bankenaufsicht für die Privilegien deutscher Sparkassen immer weniger Verständnis. So brauchen sie untereinander verliehenes Geld bisher nicht mit Haftkapital abzusichern.