Sparkassenbus Letzter Halt für Bankkunden

Sparkasse nutzt Bus zur Bargeldversorgung Quelle: Dominik Reintjes für WirtschaftsWoche

In ganz Europa schließen Geschäftsbanken immer mehr Filialen. Auch in Deutschland. Viele Kunden vor Ort werden so förmlich allein gelassen. Daran werden sie sich gewöhnen müssen – trotz aller Bemühungen der Banken.

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Der Stadtteil Beeckerwerth im Nordwesten Duisburgs liegt auf den ersten Blick ziemlich idyllisch. Innerhalb weniger Minuten erreichen die mehr als 3500 Einwohner zu Fuß den Deich und können stundenlang am Rhein auf und ab spazieren. Doch wer nach dem Spaziergang am Wasser in den Ort zurückkehrt, wird die Idylle kaum noch feststellen können. Im Ortszentrum reihen sich nämlich die immer gleich aussehenden Wohnhäuser aneinander – und man sieht ihnen ihr Alter deutlich an. Viel ist in Beeckerwerth nicht los. Geschäfte und kleinere Lädchen gibt es nur wenige.      

Wo der Stadtteil im Südwesten beschaulich am Rhein liegt, da grenzt er im Nordosten an das riesige Stahlwerk von Thyssenkrupp. Nur der Verkehr auf der Autobahn 42 trennt Beeckerwerth von den Werken des deutschen Industrieriesen. Und bis auf die kilometerlange Rheinbrücke der A42 gibt es hier auch keine wirkliche Sehenswürdigkeit. Es sei denn, man besucht den Duisburger Stadtteil an einem Mittwoch oder Freitag für jeweils eine Stunde. Denn dann sticht ein roter Lkw aus dem ziemlich monotonen Stadtbild hervor. Der parkt mitten im Ort auf dem Schwalbenplatz.

Und statt etwa Pakete auszuliefern, steht der Fahrer des Lkw im Anzug samt roter Krawatte hinter einem Schalter im eigentlichen Laderaum des Fahrzeugs. Er ist kein Kurier, sondern Bankkaufmann und hilft den Menschen in Beeckerwerth bei Überweisungen, Daueraufträgen oder der Eröffnung eines neuen Kontos. Zwischen einem kleinen Bistro, einer Kirche und einem in die Jahre gekommenen Fitnessstudio entsteht so für zwei Stunden in der Woche eine Filiale der Sparkasse Duisburg. Denn hier gibt es seit ein paar Jahren weder eine Bankfiliale noch einen Geldautomaten. Aber die Sparkasse will ihre Beeckerwerther Kunden nicht ganz alleine lassen und gleichzeitig kräftig am eigenen Image feilen.

Joachim Bonn, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Duisburg (mitte, blaue Krawatte), mit Thomas Cleef, Thomas Saager und Uwe Bohsmann, den Fahrern des Sparkassenbusses (von links nach rechts) Quelle: Sparkasse Duisburg

Halbstündige Busfahrt für Bargeld – in der Großstadt

An der Außenseite des knapp acht Meter langen Sparkassenbusses, wie die Sparkasse Duisburg ihre mobile Filiale nennt, sollen die Beeckerwerther an einem herkömmlichen Geldautomaten mit Bargeld versorgt werden. Wer den hellen Innenraum des Busses durch eine Art Luke betritt, findet neben dem Sparkassenmitarbeiter noch ein SB-Terminal, an dem dann auch Überweisungen getätigt werden können. Insgesamt sechs etwas abgelegene Duisburger Stadtteile fährt der Sparkassenbus ab.

Einwohner wie etwa die Beeckerwertherin Renate Fuß sind froh, dass der Sparkassenbus zweimal die Woche vorbeikommt. Sie wohnt schon lange unmittelbar neben dem Schwalbenplatz. Von ihrer Wohnungstür aus laufe sie höchstens zwei Minuten bis zur mobilen Sparkassen-Filiale, erklärt Renate Fuß. Einmal im Bus angekommen, nutze sie in erster Linie den Überweisungsservice. Auf Online-Banking ist sie nämlich noch nicht umgestiegen.

Bis Anfang 2017 gab es in Beeckerwerth zumindest noch eine SB-Geschäftsstelle. Dass diese dichtgemacht hat, findet Renate Fuß „traurig“. Und nun bleibt ihr nicht viel übrig, als auf den Sparkassenbus zu warten, der hier zwei Mal die Woche hält. Ansonsten würde sie in die anderen Duisburger Stadtteile wie Meiderich fahren, erklärt Fuß. Mit dem Bus wäre sie dann fast eine halbe Stunde unterwegs. Eine halbe Stunde Fahrtzeit, um eine Überweisung zu erledigen und ein bisschen Bargeld abzuheben? Das klingt in einer Großstadt wie Duisburg ziemlich skurril.

Doch nicht nur in Beeckerwerth musste die Duisburger Sparkasse Filialen schließen. Die Umsetzung eines „zukunftsorientierten Standortkonzeptes“ sei in vollem Gange, erklärt Joachim Bonn. Er ist Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Duisburg. Teil dieses Standortskonzeptes ist die Schließung von schwach frequentierten Filialen, um diese anschließend an besucherstärkere Orte zu verlegen und mit den dort bereits vorhandenen Geschäftsstellen zu bündeln.
An den Orten, die bereits ohne eigene Filialen auskommen müssen, werde der Sparkassenbus vor allem von älteren und nicht mehr ganz so mobilen Kunden gerne in Anspruch genommen, erklärt Bonn. „Wir bekommen hierfür viele Komplimente, denn die Menschen wissen, dass dieser Service bei einer städtisch geprägten Sparkasse absolut unüblich ist.“

„Persönlicher Kontakt wird nicht das Geschäftsmodell der Zukunft sein“

Obwohl in zahlreichen Städten kleine Filialen geschlossen werden, ist die Sparkasse Duisburg mit einer Initiative wie dem Sparkassenbus tatsächlich noch recht allein. Rund um Berlin ist die Volksbank auf dem Land zwar mit einem beinahe baugleichen Bus unterwegs. Doch viele andere Geschäftsbanken bieten den Kunden erst gar keine Alternative an.

Dabei wäre der Bedarf dafür schon länger gegeben: „Es ist keine neue Entwicklung, dass Banken einige schwach frequentierte Filialen schließen. Dieses ‚Filialsterben‘ ist in den letzten Jahren allerdings bedeutender geworden“, erklärt Werner Neus. Er ist Professor am Lehrstuhl für Bankwirtschaft an der Universität Tübingen. „Das liegt unter anderem an neuen technischen Möglichkeiten wie dem Online-Banking. Für manche Kunden wird eine Filiale dadurch obsolet.“

Ob Kunden bereits heute auf eine Bankfiliale verzichten können, sei laut Neus eine Generationenfrage: „Wer mit neuen technischen Möglichkeiten groß geworden ist, mag auch gut ohne Bankberater klarkommen. Doch gerade ältere und nicht mehr so mobile Menschen könnten ohne Filialen in der Nähe aufgeschmissen sein.“

Und es sind tatsächlich vor allem diese Kunden, die den barrierefreien Sparkassenbus in Duisburg-Beeckerwerth nutzen. Auch wenn sich vor dem Bus keine Schlange bildet und im Inneren oft nicht mehr als zwei Kunden gleichzeitig stehen: Das Angebot kommt an. Ob so eine Initiative wie der Sparkassenbus allerdings überhaupt noch nötig ist? „Einige Untersuchungen zeigen, dass die Bindung zu den Kunden durch das Online-Banking schwächer wird. Wenig besuchte Filialen zu schließen ist nur ein weiterer Schritt, der zu dieser Entwicklung passt“, erklärt Werner Neus. „Der persönliche Kontakt wird für die Geschäftsbanken nicht das Geschäftsmodell der Zukunft sein. Die Kunden werden sich in den nächsten Jahren mehr und mehr davon verabschieden müssen.“

Selbst kleine Filialen sind für die Banken kostspielig

Auch wirtschaftlich ergibt das Sinn: An den kleinen Bankfilialen, die teilweise mit einem oder zwei Mitarbeitern auskommen, hängen viele Kosten: Neben dem Betrieb eines oder mehrerer Geldautomaten fallen Personalkosten und Raummiete an. Wenn dann nur wenige Kunden kommen, stellt sich automatisch die Frage nach der Notwendigkeit der kleinen Filialen und die Suche nach Alternativen beginnt.

„Wenn Geschäftsbanken eine Handvoll kleiner Filialen in einer Stadt schließen, dann sparen sie mindestens einen hohen sechsstelligen Betrag im Jahr ein“, schätzt Werner Neus von der Universität Tübingen.

Das dürfte auch die Duisburger Sparkasse überzeugt haben. „Natürlich ist der Sparkassenbus eine Investition, aber eine die sich rentiert. Der Bus wird an sechs Standorten gut frequentiert, an denen wir sonst sechs nicht ausgelastete, kostenintensive Geschäftsstellen unterhalten müssten“, erklärt Vorstandsvorsitzender Joachim Bonn. 

Mit dem Sparkassenbus will die Sparkasse Duisburg den Kunden offenbar versprechen, dass man sie auch ohne echte Filiale nicht allein lassen wird. Doch ein vollwertiger Teil des Geschäftsmodells, der viele Kunden mit Bargeld und Beratung versorgt, kann eine Filiale auf Rädern wohl nicht werden. Wer auf die persönliche Beratung Wert legt, der muss vielerorts auch mal eine lange Fahrt mit dem „richtigen Bus“ in Kauf nehmen. Und wenn dank neuer Technologien in Zukunft noch weitere Filialen schließen müssen, dann könnte diese Fahrt in Zukunft immer länger dauern.

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