




Für die Staatsanwälte in Bochum und die Steuerfahnder in Wuppertal und Düsseldorf kommen die Enthüllungen über die Schweizer HSBC-Tochter wenig überraschend. „Wir ermitteln seit 2011 wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung gegen deutsche Kunden der Bank“, sagte ein Sprecher. Es geht um einer dreistellige Zahl von Fällen. Wegen der noch laufenden Ermittlungen konnte er keine weiteren Auskünfte geben.
Unter dem Schlagwort „Swissleaks“ ist die Schweizer Tochter der britischen Großbank massiv in die Kritik geraten. Das Recherche-Netzwerk ICIJ, zu dem in Deutschland der NDR, der WDR sowie die „Süddeutsche Zeitung“ gehören, hatte jüngst über Kundenbeziehungen der HSBC zu Steuerhinterziehern, aber auch Waffenhändlern und Schmugglern berichtet. Danach sind in den Dokumenten über 2000 Kundennamen aus Deutschland mit einem Gesamtguthaben von rund drei Milliarden Euro enthalten.
Offshore-Leaks-Enthüllungen
Dem Internationalen Konsortium Investigativer Journalisten (ICIJ) wird Anfang 2012 anonym eine Festplatte zugespielt, auf der sich 2,5 Milliarden Originaldokumente in digitalisierte Form befinden. Es handelt sich um Daten über Konten in karibischen Steueroasen. Wegen der enormen Datenmenge – sie entspricht dem Inhalt von einer halben Million Bibeln - gibt das ICIJ die Daten an 36 Partnermedien in 46 Ländern weiter, um diese auswerten. Im April 2013 erscheinen die ersten Medienberichte unter dem Schlagwort „Offshore Leaks“.
Quelle: ISIJ
Die Dokumente belegen, wer hinter 122.000 Briefkastenfirmen auf diversen Pazifikinseln steckt und wie Anwälte und Banken als Strohmänner und Erfüllungsgehilfen agieren, damit die Inhaber der Reichtümer geheim bleiben.
Die Daten zu Scheinfirmen, Stiftungen, Treuhandgesellschaften - sogenannten Trusts - und Scheindirektoren sowie den eigentlichen Gründern und Begünstigten der Firmengeflechte stammen von zwei führenden Finanzdienstleistern für die Errichtung von Offshore-Gesellschaften: Portcullis Trustnet (Singapur) und Commonwealth Trust Limited (CTL) auf den British Virgin Islands in der Karibik.
Durch Offshore-Leaks wird erstmals öffentlich, welches Ausmaß die Nutzung von Steuerparadiesen angenommen hat. Unter den prominentesten Nutzern sind zum Beispiel der 2011 verstorbene Industriellenerbe und Playboy Gunter Sachs, der russische Oligarch Michail Fridman, Mitglieder der Familie Rothschilds, Carmen Thyssen-Bornemisza oder Imee Marcos, die älteste Tochter des einstigen philippinischen Diktators Ferdinand Marcos. 130.000 Personen aus 170 Ländern sollen in den Steueroasen Vermögen horten. Andere Berichte besagen, dass allein 100.000 Deutsche dort Geld vor dem Zugriff des Fiskus verbergen.
Nach den neuesten Enthüllungen von ICIJ nutzt vor allem Chinas reiche Oberschicht die Karibikinseln intensiv. Knapp 22.000 Offshore-Kunden aus China und Hongkong tauchen in den Dokumenten auf, darunter auch 15 der reichsten Chinesen. Darunter sind auch Verwandte von mindestens fünf derzeitigen oder früheren Mitgliedern der chinesischen Regierung. Namentlich finden sich in Offshore-Leaks-Dokumenten Familienangehörige von Präsident Xi Jinping, der ehemaligen Premierminister Wen Jiabao und Li Peng, des ehemaligen Präsidenten Hu Jintao und des ehemaligen Parteiführers Deng Xiaoping. Sie alle unterhielten Firmen auf den als Steuerparadies bekannten Cook Islands oder den britischen Jungferninseln.
PriceWaterhouseCoopers (PwC), die Schweizer Banken UBS und Credit Suisse sowie weitere westliche Banken wie etwa die Deutsche Bank spielten eine Schlüsselrolle in der Einrichtung von Firmengeflechten in den Steueroasen zugunsten chinesischer Kunden. Schon bei früheren Veröffentlichungen waren die Schweizer Banken und die deutsche Großbank negativ aufgefallen.
Die chinesische Ölindustrie, die bereits von einer Serie von Korruptionsskandalen erschüttert wurde, nutzt die Steueroasen besonders intensive. Die drei großen staatlichen Ölkonzerne CNPC, Sinopec and CNOOC besitzen Dutzende Firmen auf den British Virgin Islands.
ICIJ berichtet auch über weitere 16.000 Offshore-Kunden aus Taiwan. Insgesamt sind damit Daten über 37.000 Offshore-Kunden aus China, Hongkong und Taiwan. Diese Gruppe stellt damit den Löwenanteil der 130.000 namentlich bekannten Nutzer karibischer Steueroasen.
Unter den Kunden seien Unternehmer, Politiker und bekannte Sportler. Um wen es sich dabei handelt, wurde dagegen nicht genannt. Darüber hinaus seien in den Dokumenten 229 Offshore-Briefkastenfirmen aufgeführt, die aus Deutschland gesteuert werden.
Auch nach den Enthüllungen ist allerdings unklar, ob die Kunden in Deutschland steuerpflichtige Einnahmen verschwiegen haben – die Wahrscheinlichkeit ist jedoch groß: In Frankreich etwa hatten die Fahnder herausgefunden, dass nur 0,2 Prozent der überprüften Konten deklariert worden waren.
Standorte der Dax-Konzerne in Steueroasen
Mehr als 200.000 internationale Konzerne sitzen im Corporation Trust Center in der North Orange Street 1209 von Wilmington im US-Bundesstaat Delaware. Dazu zählen mindestens sieben deutsche Dax-Konzerne. Weitere deutsche Parade-Unternehmen haben sich entweder ebenfalls hier oder anderswo in dem steuerfreundlichen US-Bundesstaat niedergelassen:
Adidas, Allianz, BMW, Daimler, Lufthansa, Siemens, Volkswagen, BASF, Bosch, Commerzbank, Continental, Deutsche Bank, E.On, Fresenius MC, HeidelbergCement, Henkel, Infineon, K+S, Linde, Lanxess, Merck, Munich Re, RWE, SAP, Thyssen Krupp
Allianz, Commerzbank, Deutsche Post, Heidelberg Cement, RWE.
Allianz, Deutsche Post, K+S, Linde,
Commerzbank, Deutsche Post, HeidelbergCement, Henkel, Linde, SAP, Siemens, VW
Lufthansa, Allianz, Commerzbank, Deutsche Bank, Deutsche Post, Deutsche Telekom, EADS, Fresenius MC, HeidelbergCement, SAP, Siemens, VW
Guernsey: Commerzbank, Deutsche Bank, Heidelberg Cement, Linde
Jersey: Lufthansa, Commerzbank, Deutsche Bank, Deutsche Post, Linde, ThyssenKrupp
Lufthansa, Adidas, Bayer, BASF, Beiersdorf, Commerzbank, Deutsche Post, HeidelbergCement, Merck, Siemens, ThyssenKrupp, VW
Ein Steueranwalt, der selbst für einige HSBC-Kunden Selbstanzeigen abgeben hat, hält diese Quote auch in Deutschland für realistisch. „Man muss bedenken, dass die Fälle schon fünf Jahre und länger zurückliegen. Damals herrschte in den Schweizer Banken noch eine völlig andere Kultur“, sagte der Anwalt. Damals warben die Schweizer Banken noch offensiv mit dem strikten Schweizer Bankgeheimnis und der Möglichkeit, Geld vor dem Fiskus zu verstecken.
Inzwischen haben vor allem die großen Häuser ihre Depots bereinigt. Sie haben ihre Kunden aufgefordert, nicht versteuerte Gelder beim Finanzamt anzuzeigen. Von Julius Bär, Credit Suisse und der UBS ist darüber hinaus bekannt, dass sie wegen der systematischen Anwerbung von Schwarzgeldern in Deutschland Bußgelder von 50 bis 300 Millionen Euro zahlen mussten. „Jetzt haben die Ermittler rund 20 kleinere Institute ins Visier genommen. Ich gehe davon aus, dass dort noch Bußgelder in Millionen-Höhe verhängt werden“, sagt ein deutscher Anwalt mit guten Verbindungen nach Zürich. Ob auch die Schweizer HSBC-Tochter auf der Liste steht, ist zwar nicht bekannt. In anderen Ländern – etwa Belgien und Frankreich – sollen aber Ermittlungen gegen sie laufen.