Es ist die größte Bankenfusion seit der Finanzkrise: Die UBS übernimmt die taumelnde Credit Suisse. Was ist der Grund dafür? Bleibt eine Weltfinanzkrise nun aus? Was bedeutet der Zusammenschluss für die Schweiz? Lesen Sie hier die wichtigsten Fragen und Antworten:
Wieso soll die UBS die Credit Suisse übernehmen?
Andernfalls wäre die Credit Suisse wohl in die Pleite geschlittert. Eine Insolvenz hätte jedoch zwangsläufig zu einer neuen Weltfinanz- und Wirtschaftskrise geführt. Es handelt sich deshalb um eine Notfusion.
Wieso hätte eine Pleite zu einer Weltfinanzkrise geführt?
Eine Pleite hätte wohl auch andere Geldhäuser mit sich gerissen – aus zwei Gründen. Der erste lautet: Eine Credit-Suisse-Insolvenz hätte bei anderen Banken zu Verlusten geführt, weil sich die Geldhäuser auch gegenseitig Geld leihen. Zudem machen die Banken untereinander weitere Geschäfte. Diese Verluste hätten besonders heftig ausfallen können, weil die Credit Suisse zu den 30 größten Instituten der Welt gehört und stark mit anderen Geldhäusern verflochten ist. Womöglich wären andere Geldhäuser wegen dieser Verluste ebenfalls insolvent gegangen.
UBS – das ist der neue Bankenriese aus der Schweiz
Die UBS ist selbst ein Fusionsprodukt. 1998 schlossen sich der Schweizerische Bankverein (SBV) und die Schweizerische Bankgesellschaft (SBG) zur UBS zusammen. Die Wurzeln des Instituts reichen bis in das Jahr 1862 zurück. Seit damals wurden mehr als 370 Privatbanken, Sparkassen, Vermögensverwalter, Broker und Geschäftsbanken integriert.
In der Finanzkrise 2008 musste das Institut von der Schweizerischen Nationalbank und der Regierung des Landes gerettet werden. Danach dampfte sie das riskante Investmentbanking ein und richtete sich vor allem auf das Geschäft mit Millionären und Milliardären aus. 2021 verlor die Bank im Zuge des Archegos-Zusammenbruchs aber nochmals hunderte Millionen Dollar. Negativ-Schlagzeilen machte die Bank auch mit Rechtsfällen wegen Beihilfe zu Steuerhinterziehung wie etwa in Frankreich und den USA.
Die UBS gehört zu den weltweit größten Vermögensverwaltern für reiche Privatpersonen. Zusammen mit Credit Suisse wird sie mit Anlagevermögen von 3,4 Billionen Dollar hinter der amerikanischen Morgan Stanley zur globalen Nummer zwei in dem Geschäft. Daneben betreibt sie wie die Credit Suisse im Heimmarkt ein großes Privat- und Firmenkundengeschäft. Zusammen werden sie vor Raiffeisen die klare Nummer eins mit Kundeneinlagen von 333 Milliarden Franken und einem Kreditvolumen von 307 Milliarden Franken. Im Asset Management für Profikunden wie Pensionskassen steigt die fusionierte Bank mit Anlagevermögen von 1,5 Billionen Dollar zu den führenden Häusern Europas auf. Das vierte Geschäftsfeld ist das Investmentbanking mit Handel und der Beratung von Firmen etwa bei Unternehmenszusammenschlüssen. Das Handelsgeschäft der Credit Suisse, das dem Institut Milliardenverluste einbrockte, wird abgewickelt.
Dank der Größenvorteile dürfte die UBS die Kosten senken und das Angebot ausbauen können. Im Wachstumsmarkt Asien schließen sich die Nummer eins UBS und die Nummer zwei im Geschäft mit Reichen und Superreichen zusammen. Vor allem in Südostasien verstärkt sich die UBS dank des Zukaufs. Im zweiten Wachstumsmarkt USA nimmt die Schlagkraft der UBS im Geschäft mit Ultrareichen zu.
Ab 2027 dürfte sich der Deal positiv auf den Gewinn je Aktie auswirken. 2022 fuhr die UBS einen Gewinn von 7,6 Milliarden Dollar ein und schaffte damit das beste Ergebnis seit 16 Jahren. Credit Suisse erlitt dagegen einen Verlust von 7,3 Milliarden Franken.
Zusammen kommen UBS und Credit Suisse gegenwärtig auf rund 120.000 Mitarbeiter. Einem Insider zufolge dürften aber mindestens 10.000 Jobs abgebaut werden, vor allem bei der Credit Suisse.
Die kombinierte Bilanzsumme von 1,7 Billionen Dollar ist laut Analysten von Citi mehr als das Doppelte des Bruttoinlandsprodukts der Schweiz. Dies läuft den Interessen der Schweiz eigentlich zuwider, denn eine Rettung dieses Giganten könnte die Kräfte des Landes übersteigen. Bereits heute gelten Credit Suisse und UBS als zwei der weltweit 30 Banken, deren Ausfall das ganze Finanzsystem in Mitleidenschaft ziehen könnten.
„Aus der Komplexität der Transaktion ergeben sich diverse Unwägbarkeiten“, erklärte ZKB-Analyst Michael Klien. Dazu gehörten Umsetzungsrisiken und Kulturkonflikte. Kunden, die Konten bei beiden Banken haben und ihre Risiken streuen wollten, könnten zudem einen Teil ihres Geldes abziehen.
Dazu könnten Rechtsstreitigkeiten kommen. „Dieser Deal wird zwangsläufig juristischen und politischen Widerstand hervorrufen“, erklärte Octavio Marenzi, Chef der Finanzberatung Opimas. Die Schweizer Regierung habe von Notstandsbefugnissen Gebrauch gemacht, um diese Fusion durchzusetzen. „Eine rechtliche Anfechtung durch die Aktionäre der Credit Suisse, die ihr Eigentum als widerrechtlich beschlagnahmt sehen, ist garantiert.“
Am Ruder bleiben die bisherigen UBS-Steuermänner, Verwaltungsratspräsident Colm Kelleher und CEO Ralph Hamers. Kelleher dementierte in der Vergangenheit Spekulationen, dass die beiden Konflikte haben. Zudem warfen Medien zuletzt die Frage auf, ob nicht der krisengestählte frühere Morgan-Stanley-Finanzchef Kelleher besser für den CEO-Posten geeignet sein könnte als der Retailbanker und Digitalisierungsexperte Hamers.
(Stand: 20. März 2023)
Selbst wenn die Verluste nicht zu Insolvenzen anderer Banken geführt hätten, hätten diese Geldhäuser Kunden womöglich kein Geld mehr leihen können oder wollen. Die mögliche Folge: Den Kunden wäre früher oder später womöglich das Geld ausgegangen.
Der zweite Grund, warum der Untergang der Credit Suisse zwangsläufig zu einer neuen Weltwirtschaftskrise geführt hätte: Ihr Ende hätte auch den Kunden der Credit Suisse heftige Verluste beschert. Diese sind aber oftmals auch Kunden anderer Banken und hätten ihre Kredite bei diesen Instituten dann womöglich nicht mehr bedienen können.
Ist eine neue Weltfinanzkrise nun ausgeschlossen?
Leider nein. Drei Faktoren entscheiden darüber, ob eine neue Weltfinanzkrise ausbleibt oder ausbricht.
Erstens: Die Börsen müssen sich beruhigen. Zu Erinnerung: Die Krise der Credit Suisse war durch deren stark gefallenen Aktienkurs ausgelöst worden – mit der Folge, dass auch die Aktien weiterer Banken abgestürzt sind. Wenn sich die Panik an den Börsen angesichts der Rettung nun legen sollte, könnten sich diese Papiere erholen. Und den Geldhäusern bliebe ein Schicksal wie das der Credit Suisse erspart.
Lesen Sie auch: Ein Hauch von Lehman – die Gefahr ist nicht gebannt
Zweitens: Die Kunden müssen ruhig bleiben. Solange sie nicht in Windeseile und in großem Stil Gelder von anderen Banken abziehen, droht diesen auch kein potenziell tödlicher Bank-Run. Zu einem solchen rasanten Abzug der Kundengelder war es im Zuge des Aktienkursabsturzes bei der Credit Suisse gekommen.
Drittens: Die Banken müssen sich weiter vertrauen. Dieses Vertrauen ist existenziell für das globale Finanzsystem, weil sich die Institute dann weiterhin gegenseitig Geld leihen. Immerhin: Offenbar ist dieses Vertrauen weiterhin vorhanden.
Der Indikator für das Vertrauen oder Misstrauen der Banken untereinander sind die Euribor-Zinssätze, zu denen sich Institute in der Eurozone untereinander Geld leihen. Steigen die Zinssätze rasch, deutet dies auf wachsendes Misstrauen hin. Fallen die Zinssätze, kann dies auf gestiegenes Vertrauen hindeuten. Erstaunlicherweise ist der Euribor-Zins, zu dem sich die Institute für zwölf Monate Geld untereinander leihen, in den vergangenen Tagen sogar gesunken. Womöglich sehen die Banken die Schwierigkeiten der Credit Suisse also nur als Einzelfall, aber nicht als Systemkrise.
Wieso könnten sich die Börsen nicht beruhigen?
Weil die Investoren nun an der Stabilität der UBS zweifeln: Deren Aktienkurs ist am Montag um sieben Prozent gefallen. Die Folge: Investoren verkaufen auch die Papiere weiterer Banken, die Aktie der Deutschen Bank etwa liegt mehr als drei Prozent im Minus.
Wieso zweifeln die Investoren offenbar an der UBS?
Die Fusion könnte die UBS massiv schwächen – und aus dieser einen Sanierungsfall machen. Zum einen ist eine Fusion unter solch großen Banken eine gigantische Aufgabe. Dabei kann viel schiefgehen, weil zwei Unternehmenskulturen und zwei IT-Systeme miteinander vereint werden müssen. Zum anderen übernimmt die UBS all die riskanten Geschäfte der Credit Suisse, welche erst zu deren Untergang beigetragen haben.
Zwar hat der Schweizer Staat eine Garantie von neun Milliarden Euro für die UBS abgegeben. Das bedeutet, dass der Schweizer Staat für Verluste haftet, die der UBS aus der Übernahme von riskanten Geschäften der Credit Suisse entstehen könnten. Zudem wollen die Schweizer Behörden eine Finanzspritze von bis zu 200 Milliarden Franken reichen. Aber ob diese Summen genügen, muss sich erst zeigen.
Wieso könnten Investoren der UBS doch wieder vertrauen?
Die UBS ist eine profitable Bank. Zudem verfügt sie über weitere Gelder, um Probleme und Risiken aus der Übernahme abzufedern, weil sie die Credit Suisse sehr günstig kauft. Die UBS gibt für den Konkurrenten gerade einmal drei Milliarden Franken aus. Allerdings verfügt die Credit Suisse bereits über Reserven, gemeint ist das Eigenkapital, von knapp 50 Milliarden Franken. Die Differenz zwischen Kaufpreis und Eigenkapital kann die UBS nun als zusätzliche Reserve nutzen.
Typischerweise reagieren die Börsen aber stärker auf negative als auf positive Aspekte. Deshalb dauert es womöglich einfach mehrere Tage, bis sich an den Börsen die Erkenntnis durchsetzt, dass die Zwangsfusion die UBS zwar schwächt, aber nicht in den Abgrund reißt – mit der Folge, dass sich der Aktienkurs der UBS wieder erholt. Immerhin: Die Aktie liegt zwar noch sieben Prozent im Minus, gegenüber dem Morgen hat sich der Kurs allerdings bereits etwas erholt, als er um bis zu 15 Prozent abgestürzt war.