Umbau im Privatkundengeschäft Das riskante Experiment der Hypovereinsbank

Mit einem Schlag macht die Hypovereinsbank fast die Hälfte ihrer Filialen dicht. Der beispiellose Schritt ist eine radikale Wette auf die Zukunft. Ein Modell für die ganze Branche?

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Europas Banken schließen 20.000 Filialen
GriechenlandDie tiefsten Einschnitte im Filialnetz gab es im größten Sorgenland der Eurozone. 2012 wurden hier 6 Prozent der Bankfilialen geschlossen. Quelle: dapd
SpanienHier schlossen 2012 weitere 5 Prozent der Bankfilialen. Dennoch hat das Land mit 38.200 Vertretungen nach wie vor das dichteste Filialnetz Europas: Im Schnitt bedient eine Bankfiliale 1.210 Einwohner. Im europäischen Durchschnitt sind es 2.300 Einwohner pro Filiale. Quelle: dpa
IrlandRund 3 Prozent der Bankfilialen schlossen 2012 auf der "Grünen Insel". Quelle: dapd
ItalienÄhnlich wie in Irland wurden 2012 auch in Italien etwa 3 Prozent der Bankfilialen geschlossen. Quelle: dapd
DeutschlandAuch in der Bundesrepublik wurden seit Beginn der Krise 2008 Bankfilialen geschlossen. Insgesamt waren es bislang rund 8 Prozent. Quelle: REUTERS
GroßbritannienIm Vereinigten Königreich schlossen in den vier Jahren seit Ausbruch der Krise rund 5 Prozent der Bankfilialen. Quelle: REUTERS
FrankreichDie französischen Institute waren bei der Schließung bislang zurückhaltender als in anderen Ländern. In den vier Jahren bis Ende 2012 gingen insgesamt nur drei Prozent der Zweigstellen verloren. Mit insgesamt 38.450 hat das Land in absoluten Zahlen mehr Bankfilialen als jedes andere EU-Land - und damit eine pro 1709 Einwohner. Quelle: dapd

Katrin Hesse ist etwas nervös, denn für den Abend hat sie fast 150 Gäste eingeladen. Die Berliner Filialleiterin der HypoVereinsbank will ihren wichtigen Kunden zeigen, wie schick und schön und neu es jetzt bei ihr zugeht. Sechs Wochen hat der Umbau der Zweigstelle im Stadtteil Charlottenburg gedauert. Nun ist er fertig, der aus München angereiste Vorstand wird ein rotes Band durchschneiden, dann gibt es Häppchen.

Im Schnelldurchlauf führt Hesse durch ihr überarbeitetes Reich. Die Geldautomaten stehen jetzt vorne im Hauptraum statt in einem blickdicht abgetrennten Vorzimmer, an einem Pult sitzt eine Art Lotse als erster Ansprechpartner für alle Kundenfragen. Es gibt eine Sofaecke mit Kaffeeautomat, über die Filiale verteilen sich sogenannte Beratungswürfel aus Glas. Von außen schirmt die ein milchiger Sichtschutz mit Motiven wie Reichstag und Gedächtniskirche ab, drinnen steht ein weißer Schreibtisch, den die Berater nach jedem Gespräch aufgeräumt zurücklassen müssen. Daneben hängt ein Flachbildschirm.

Das alles soll Offenheit, Nähe zum Kunden und Diskretion signalisieren. Doch was so harmlos aussieht, ist Teil einer riskanten Revolution. Denn der frisch renovierte Standort ist einer der ersten fertigen Bausteine des größten Umbaus im deutschen Privatkundengeschäft seit der Fusion von Dresdner und Commerzbank 2008.

Die HVB setzt alles auf eine Karte, streicht ihr Filialnetz radikal zusammen und motzt zeitgleich die übrigen Standorte mit neuen Möbeln und vor allem mit Technik auf. Sie setzt darauf, dass neue Technologien wie die Beratung per Video und Internet bei ihren Kunden schon so akzeptiert sind, dass diese den Rückzug aus der Fläche nicht mit der Kontokündigung bestrafen. Wenn der Plan funktioniert, taugt er als Modell für andere Institute.

Doch die Risiken sind groß. Viel spricht dafür, dass die Bank damit zu schnell ist und ihre Kunden überfordert. Die sind womöglich noch nicht bereit, den Ansprechpartner vor Ort gegen virtuelle Ratgeber einzutauschen. Viele dürften sich im Stich gelassen fühlen und das Institut wechseln.

Das Experiment läuft seit Anfang Oktober. Seitdem renoviert die HVB im Schnelldurchlauf sämtliche Zweigstellen, im Tagestakt machen generalüberholte Filialen wieder auf. Aktuell sind es 40, schon Ende 2015 sollen alle fertig sein – und so aussehen wie die in Berlin. Überall gibt es dann die gleichen Glaswürfel, die gleichen Bildschirme, den gleichen Schriftzug an der Wand und, wenn genug Platz da ist, die gleichen Kaffee-Ecken.

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Brachial-Konzept

Überall da jedenfalls, wo es dann noch Filialen gibt. Denn zeitgleich macht die Bank 240 ihrer bisher 580 Zweigstellen dicht. Auch dieser Rückzug läuft schon. Vor allem an kleineren Standorten sind die Türen geschlossen, die Schilder abgeschraubt. Mit ihnen müssen auch rund 1500 Bankangestellte gehen. Die Kunden sollen zur nächsten Filiale fahren oder ihre Geschäfte per Telefon und im Internet erledigen.

Der Mann hinter dem Brachial-Konzept heißt Peter Buschbeck und ist seit 2009 im HVB-Vorstand für die Privatkunden zuständig. Da hat er schon so einiges probiert: einige Filialen zugemacht, ein Franchise-Konzept gestartet und verworfen, eine „Online-Filiale“ aufgemacht, in der persönliche Berater den Internet-Kunden via Web zur Seite stehen. Das war aber nur das Vorspiel für das eigentliche Drama.

Raum für drastische Szenarien

Seit die Umbaupläne bekannt sind, muss Buschbeck erklären, dass es um einen Befreiungs- und keinen Kahlschlag geht, dass er kein Totengräber, sondern ein Erneuerer ist, dass die Bank 300 Millionen Euro für die Modernisierung ausgibt. „Auch wenn wir deutlich Kosten sparen, senden wir ein klares Zukunftssignal“, sagt er. „Die Filiale ist und bleibt ein zentraler Beratungspunkt. Sie behält einen hohen Stellenwert, wir passen unser Netz aber an das veränderte Kundenverhalten an.“

Das macht den Banken schwer zu schaffen. Die Kosten für Mieten und Personal sind unverändert hoch, aber ähnlich wie im Einzelhandel erledigen Kunden ihre Geschäfte immer öfter online statt vor Ort. Hinzu kommen immer neue Vorschriften zum Schutz der Sparer, die Kreditinstitute teuer und aufwendig umsetzen müssen.

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Die Niedrigzinspolitik der Notenbanken erhöht den Druck noch weiter. Sie sorgt dafür, dass der für das Ergebnis im Filialgeschäft entscheidende Zinsüberschuss fällt. Der ergibt sich im Wesentlichen aus der Differenz zwischen den Zinsen, die eine Bank für Einlagen zahlt, und denen, die sie für von ihr eingesetztes Geld bekommt. Vergibt sie dieses als Kredit, kassiert sie kaum noch etwas, kauft sie einigermaßen solide Wertpapiere, bringen die auch nur wenig ein. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen lag zuletzt bei 0,9 Prozent.

All das wird sich so schnell nicht ändern. Deshalb gibt es Raum für drastische Szenarien. Gerade erst haben die im Privatkundengeschäft einflussreichen Berater von Bain & Company in einer Studie vorgerechnet, dass deutsche Banken ihre Kosten in den kommenden Jahren um 25 Milliarden Euro drücken müssten, um ausreichend profitabel zu bleiben.

Der Weg dahin klingt brutal: 11 000 von derzeit noch 37 000 Zweigstellen müssten schließen, 125 000 von aktuell 630 000 Bankbeschäftigten sich einen neuen Job suchen. Der Umbruch sei vergleichbar mit dem der Stahlindustrie im vergangenen Jahrhundert, urteilen die Bain-Berater.

Das sind keine abstrusen Fantasien abgehobener PowerPoint-Artisten. Als die obersten deutschen Finanzaufseher jüngst die Ergebnisse des Stresstests der EZB vorstellten, mussten sie keine Durchfaller verkünden, machten aber deutlich, dass die Banken nicht einfach so weitermachen können wie bisher. Sie müssten mehr verdienen und dafür mehr sparen. „Dabei können sie an ihr vergleichsweise üppiges Filialnetz denken“, sagt der zuständige Bundesbankvorstand Andreas Dombret.

Dass nun ausgerechnet die HVB zum großen Schlag ausholt, ist kein Zufall. Das Institut aus München zählt zwar im Geschäft mit deutschen Unternehmen zu den ersten Adressen, ist bei Sparern und Hausbauern aber eine ziemlich kleine Nummer. Die HVB-Privatkunden sind im Durchschnitt zwar recht wohlhabend, es gibt aber auch nur gut vier Millionen von ihnen. Zum Vergleich: Die Deutsche Bank kommt zusammen mit ihrer Tochter Postbank auf 24 Millionen. Wirklich flächendeckend ist die HVB nur in Bayern und Teilen Norddeutschlands vertreten.

Immer etwas neues

Mehrmals wollte die Bank, die seit 2005 zur italienischen UniCredit gehört, deshalb einen Konkurrenten kaufen, erhielt aber nie den Zuschlag. Deshalb probiert es Buschbeck nun auf die harte Tour. Dass er das kann, hat er bewiesen. In der Bankenwelt hat er einen Ruf wie der Trainer Felix Magath im Bundesliga-Fußball. Er gilt als harter Hund, der Leute ordentlich rannimmt. Als er das Geschäft der schwedischen SEB in Deutschland leitete, mussten die Angestellten einmal pro Woche Rechenschaft über ihre Verkaufserfolge ablegen. Das machte die SEB zum abschreckenden Beispiel für übertriebenen Vertriebsdruck.

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Ein Mann hält eine Check-Liste in den Händen Quelle: Fotolia
Staßenschilder warnen Fußgänger vor herabfallenden Steinen Quelle: dpa
Alternativen einfordernOft präsentieren Berater ihren Kunden nur ein Produkt – nach dem Motto „Das habe ich nur für Sie ausgewählt“. Nicht selten sind das die Produkte, für die der Berater die höchste Provision bekommt, aber eben nicht die für den Kunden passenden Anlagen. Sparer sollten unbedingt Alternativen einfordern, um vergleichen zu können. Genauso ist es wichtig, nicht nur eine Bank nach guten Anlagen zu fragen. Gehen Sie lieber zu mehreren Geldinstituten und vergleichen die Angebote. Quelle: Fotolia
Eine Dame in einem Beratungsgespräch Quelle: Fotolia
Ein Mann schaut durch eine Lupe Quelle: Fotolia
KostenrechnungHohe Gebühren fallen auch dann an, wenn der Kunde nicht in Wertpapiere investiert. Bei Bausparverträgen etwa verlangen Banken in der Regel einen Prozent der Bausparsumme als Abschlussgebühr. Anleger sollten eine genaue Übersicht einfordern, auf der alle anfallenden Gebühren und Provisionen aufgeführt sind. Wer ein kompliziertes Produkt wie einen Bausparvertrag nicht braucht, sollte sich nicht scheuen, nach einfacheren Anlagen wie einem Banksparplan zu fragen. Quelle: Fotolia
Ein Beratungsgespräch Quelle: Fotolia

Allerdings berichten Weggefährten, dass Buschbeck es bei der HVB nun etwas lockerer angehen lässt. Deren Kunden sind anspruchsvoller, legen mehr Wert auf Beratung. Ein Konzept, das nur auf schnelle Abschlüsse setzt, funktioniert da nicht.

Buschbeck will deshalb nun auch mehr als Techniker denn als Schleifer glänzen, will beim Banking via Internet und Smartphone ganz vorne mit dabei sein. Ständig präsentiert er etwas Neues: Demnächst stellt die HVB ein besseres Sicherheitskonzept für mobile Bankgeschäfte vor.

Aber auch in den Filialen soll es innovativ vorangehen, wenn auch unaufdringlich. „Wir wollen sie nicht zu Technik-Kathedralen machen. Sie finden dort nichts, was dem Kunden nicht nutzt“, sagt Buschbeck. So gibt es auf jedem Schreibtisch ein sogenanntes Signpad, mit dem die Kunden Dokumente digital unterschreiben können. Das spart den Ausdruck auf Papier.

Besonders große Stücke hält Buschbeck auf die Beratung per Videoschaltung. Über den Bildschirm können Experten so jederzeit bei Fachthemen weiterhelfen, auch wenn sie nicht vor Ort sind. Die Bank spart Kosten und verspricht dem Kunden gleichzeitig eine noch qualifiziertere Beratung. Drei Jahre hat die HVB das Konzept getestet, nun kommt es überall zum Einsatz.

Auch in Berlin. Um zu zeigen, wie gut es klappt, knipst Filialleiterin Hesse den Bildschirm an. Dort erscheint dann Sandra Schenkhut. Sie ist blond, lächelt, trägt ein Headset und steht in einem Leipziger Bürobau vor einer Wand mit HVB-Logo. Schenkhut ist Expertin für Immobilienfinanzierungen, sie rechnet aus, ob sich ein Kunde eine eigene Wohnung wirklich leisten kann. Sie fragt, wie viel er verdient, wie viel er im Monat ausgibt, wie viel er gespart hat. Das wirkt ein wenig schematisch, ein wenig unpersönlich.

Aber immerhin funktioniert es. Kaum ein Experte bezweifelt, dass solche Technologien eine wichtigere Rolle spielen werden. Die Frage ist nur, ob schon genug Kunden reif dafür sind, um den Filialschwund in der Fläche zu kompensieren. „Der Weg der HVB ist mutig. Er ist an sich richtig und nachvollziehbar, kann aber etwas zu früh kommen“, sagt Oliver Mihm, Chef der Beratung Investors Marketing in Frankfurt. „Für viele Kunden ist die Filiale immer noch der wichtigste Bezugspunkt zu ihrer Bank.“

Diese Länder haben die meisten Bankfilialen
SchweizSpätestens seitdem das gefährliche Geschäftsmodell von Zypern, ein überdimensionierter Banksektor, der das Geld ausländischer Sparer anlockt, gescheitert ist, stehen vor allem kleine Staaten mit großen Banken in der Kritik. Auch die Anzahl der Bankfilialen kann ein Indikator dafür sein, welche Rolle die Finanzindustrie in einem Land spielt. Allerdings weisen einige Länder allein aufgrund niedriger Bevölkerungszahlen eine hohe Filialdichte auf. Der Internationale Währungsfonds (IWF) gibt jährlich Daten darüber heraus, wie viele Bankfilialen ein Land je 100.000 Einwohner vorweisen kann. Für das Jahr 2011 hat es die Schweiz dabei gerade so in die Top Ten geschafft, mit 51 Filialen je 100.000 Einwohner. Zum Vergleich: Deutschland kommt gerade einmal auf 15 Filialen je 100.000 Einwohner. Quelle: dpa
IslandDas was Zypern in den letzten Wochen durchmachte kennt Island gut. Dem dortigen Bankensystem wurde die Finanzkrise 2008 zum Verhängnis. Von der Pleite der größten isländischen Bank Kaupthing waren auch zahlreiche ausländische Sparer aus Großbritannien und den Niederlanden betroffen. Wie sich einer solche Krise auf das Bankensystem auswirken kann, zeigt ein Blick auf die Zahl der Bankfilialen. Während Island zu Spitzenzeiten 2004 auf 90 Filialen je 100.000 Einwohner kam, sind es mittlerweile nur noch 52. Quelle: dpa
BulgarienAuch Bulgarien liegt was die Bankfilialen angeht weit vorne, 58 Niederlassungen kommen auf 100.000 Einwohner. Allerdings gilt das Land dank niedrigem Defizit als stabil. Zuletzt wurde spekuliert, ob Russlands Sparer ihr Geld jetzt von Zypern nach Bulgarien verlegen. Quelle: dpa
PeruEtwas überraschend ist auch das südamerikanische Peru in der Liste der Länder mit den meisten Bankfilialen sehr prominent vertreten. Auf 58 Filialen je 100.000 Einwohner kommt das Andenland, welches vor allem für seine von den Inkas erbauten Ruinenstadt Machu Picchu bekannt ist. Quelle: dpa
PortugalMit Portugal taucht auf Platz Fünf des Rankings der erste Euro-Krisenstaat auf. 64 Bankfilialen entfallen auf 100.000 Einwohner. Die Krise hat das Land derweil noch längst nicht überstanden, erst in der vergangenen Woche gingen zahllose Portugiesen auf die Straßen, um gegen die dortige Sparpolitik zu demonstrieren. Quelle: dpa
MongoleiAuch wenn das Bild es nicht vermuten lässt, die Mongolei gehört zu den Ländern mit der höchsten Dichte an Bankfilialen je Einwohner. Auf 100.000 Einwohner kommen 66 Filialen. Das mag allerdings auch daran liegen, dass das asiatische Land zwar viermal so groß ist wie Deutschland, aber insgesamt nur rund 3,18 Millionen Einwohner hat. Damit gilt die Mongolei als einer der am dünnsten besiedelten Staaten der Welt. Quelle: REUTERS
ItalienMit Italien ist ein weiterer südeuropäischer Wackelkandidat in den Top-Fünf vertreten. 66 Bankfilialen je 100.000 Einwohner kann der Staat vorweisen. Zuletzt sorgte vor allem die Bank Monte dei Paschi für Wirbel, die älteste Bank der Welt. Unter anderem sollen sich Manager bereichert haben und Kommissionen kassiert haben. Die Affäre um das Geldinstitut forderte sogar bereits ein Opfer, Kommunikationschef David Rossi beging Selbstmord und hinterließ eine Nachricht. "Ich habe Mist gebaut", war dort zu lesen. Quelle: dpa

So zeigt eine aktuelle Studie von Investors Marketing, dass rund ein Fünftel der Kunden Bankgeschäfte immer noch ausschließlich über die Filiale abwickelt. Für 70 Prozent ist sie der wichtigste Weg zur Kontaktaufnahme mit der Bank, 80 Prozent nutzen sie zum Abschluss von Finanzprodukten und für ausführliche Beratungsgespräche.

Das ist auch eine Generationenfrage. So nutzen zwar 80 Prozent der Kunden unter 40, aber nur ein Drittel der über 60-Jährigen das Internet für Bankgeschäfte. Dabei sind die Älteren an sich interessant: Sie haben vielleicht wenig Ahnung von Computern, dafür aber oft ordentlich Geld.

Große Skepsis

„Der Weg ist hochriskant, die Entwicklung im Kundenverhalten ist schnell, aber nicht so schnell“, sagt Klaus Grünewald, der seit mehr als 20 Jahren für die Gewerkschaft Verdi im Aufsichtsrat der HVB sitzt. Er hat schon etliche Sparrunden mitgemacht, die aktuelle sieht er besonders skeptisch. Grünewald bezweifelt, dass es zum Anspruch einer Premium-Bank passt, wenn sie die Kunden vor allem per Video informiert – vor allem, wenn die Technik mal ausfällt.

Auch die Mitarbeiter sind verunsichert. Wenn eine Filiale schließt, kommen sie oft erst mal in der nächsten unter. Ob sie da bleiben können, ist nicht sicher. Allerdings berichten HVBler auch, dass das Interesse an den Abfindungsangeboten sehr hoch ist: „Viele wollen sich den Stress nicht mehr antun“, sagt einer. Vor allem aber irritiert sie, dass das alles so verdammt schnell geht. Die Gewerkschafter wollten den Umbau zumindest bis 2018 strecken, um erst mal abzuwarten, ob er funktioniert.

„Wir haben die Entscheidungen lange und intensiv vorbereitet“, sagt Buschbeck. „Jetzt setzen wir sie rasch um, weil die Kunden schnell von der Modernisierung profitieren sollen.“ Die Branche habe die Dynamik des Wandels zu lange unterschätzt und müsse reagieren. Buschbeck: „Wir freuen uns, wenn wir vorne mit dabei sind.“

Nicht schön genug

Hinten runterfallen dabei dann Standorte wie Au in der Hallertau. Noch im Herbst vergangenen Jahres feierte die Zweigstelle im 6000-Einwohner-Ort im Landkreis Freising nördlich von München ihr 100-jähriges Jubiläum, die HVB verfasste eigens ein festliches Faltblatt. „Die Filiale spiegelt aufs Schönste die lange Geschichte der Bank wider“, heißt es darin. Offenbar nicht schön genug. In einer Woche ist Schluss.

Der schnelle Abschied verärgert selbst Bürgermeister Karl Ecker. „Das ist überhaupt nicht nachvollziehbar“, sagt er. Die Bank hatte ihren Sitz schließlich in Bestlage, direkt am Marktplatz, im Gebäude des traditionellen Gasthofs „Zur Post“. Und es sei immer viel los gewesen, der vor allem für den Anbau von Hopfen bekannte Ort sei alles andere als arm.

Für Ecker ist klar: „Das haben sich abgehobene Manager in der Zentrale so ausgedacht.“ Der Bürgermeister hat zwei böse Briefe nach München geschickt, nun soll vielleicht ein Geldautomat bleiben. Die Bank habe einigen Kunden 50 Euro geboten, damit sie ihr treu bleiben. „Aber warum sollten die zwölf Kilometer bis zur nächsten Filiale fahren?“, fragt Ecker.

Wo doch die Konkurrenz vor Ort sofort in die Bresche springt. Die Raiffeisenbank wirbt aktiv um HVB-Kunden, die Sparkasse hat Plakate und Anzeigen gestaltet. „Wir bleiben vor Ort“ sind die überschrieben, zu sehen sind darauf acht Sparkassenmitarbeiter, die sich in Dirndl und Lederhose um einen Traktor versammelt haben. Sie lachen zuversichtlich, sie lachen für Tradition und Nähe und Zuverlässigkeit. Und gegen Peter Buschbeck.

Wer wohl zuletzt lacht?

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