US-Banken Was die USA aus der Lehman-Pleite gelernt haben

Amerikanische Banken sind profitabler als europäische. Das liegt nicht nur an den unterschiedlichen Finanzsystemen: Die USA haben nach der Finanzkrise bei ihren Banken besser aufgeräumt.

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Liane Buchholz ist Geschäftsführerin des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands, VÖB. Quelle: Presse

Nicht erst seit dem letzten Stresstest werden europäische Banken mit Finanzinstituten in den USA verglichen. Warum stehen anscheinend amerikanische Banken besser da, als ihre europäischen Kollegen?

Und tatsächlich zeigt ein Vergleich der Bilanzkennzahlen der zehn größten Institute auf beiden Seiten des Atlantiks, dass die amerikanischen Banken eine höhere Profitabilität aufweisen. Dies macht sich nicht nur an der Ertragskraft in Relation zum Eigenkapital fest, die in den letzten Jahren bei den US-Banken im Durchschnitt über 8,5 Prozent, in Europa dagegen zumeist unter vier Prozent lag. Auch die Cost-to-Income-Ratio zeigt Unterschiede zwischen den Instituten auf. Während sie in den USA bei unter 65 Prozent liegt weisen die zehn größten europäischen Institute zuletzt sogar 74 Prozent im Durchschnitt aus.

Was sind nun die Ursachen für diese Unterschiede? Zunächst handelt es sich um zwei verschiedene Finanzsysteme. Während das europäische System, das Vereinigte Königreich außen vorgelassen, sehr kreditlastig ist und somit auf die Intermediärfunktion von Banken setzt, ist das amerikanische Bankensystem eher kapitalmarktorientiert. Das alleine kann aber als Grund für die höhere Profitabilität nicht herhalten. Es ist weniger eine Frage der Geschäftsmodelle sondern vielmehr profitieren die US-Banken heute noch davon, wie Washington auf die Lehman Brothers-Krise reagierte.

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Dabei hatten zwei entscheidende Faktoren einen nachhaltig positiven Einfluss auf die US-Banken: Anfang Oktober 2008 wurde das Troubled Asset Relief Program (TARP) mit einem Volumen von 700 Milliarden US-Dollar beschlossen. Dieses Programm war zunächst als Bad Bank gedacht, um zuvor definierte Verbriefungsinstrumente aufzukaufen und somit die Liquidität am Geldmarkt wiederherzustellen. Allerdings wurde das Programm auch zur Rekapitalisierung von Banken herangezogen.

Die USA sind fertig, Europa räumt noch auf

Der damalige US-Finanzminister Paulson zwang die großen amerikanischen Institute zur Annahme des Geldes und sorgte somit für eine Zwangsrekapitalisierung. Dies versetzte die US-Institute in die Lage, die Bilanzen aufzuräumen und Kapital belastende Kredite oder Wertpapiere verhältnismäßig schnell abzubauen. Seit 2008 konnten die zehn größten US-Banken ihr Eigenkapital um 160 Prozent erhöhen, die europäischen Institute hingegen lediglich um 63 Prozent.

Während der Transformationsprozess in den USA beendet ist, sind die meisten Banken in Europa noch immer mit den Aufräumarbeiten der Finanzmarktkrise beschäftigt. Folglich müssen Erträge in Europa immer noch für die Folgen der Krise eingesetzt werden, während in den USA Erträge gewinnbringend neuinvestiert werden können.

Auch wurden dank der Einlagensicherung FDIC insolvente Banken während und nach der Krise rigoros abgewickelt. Zwischen 2008 und 2012 wurden insgesamt 465 Banken in den USA abgewickelt, in den fünf Jahren zuvor waren es lediglich zehn Fälle.

In Europa standen neben einzelstaatlichen Rettungsmaßnahmen, die nicht mit der Zwangsrekapitalisierung vergleichbar waren, vor allem Interventionen der EZB gegenüber. Eine Analyse aus dem Jahr 2013 ergab, dass ohne das TARP-Programm und das Agieren der Fed die Kreditvergabe in den USA um 23 Prozent geringer ausgefallen wäre. In Europa wäre die Kreditvergabe ohne Vollzuteilung und LTRO lediglich um vier Prozent geringer ausgefallen. Der Zusammenhang vom Grad der Wirkung der unkonventionellen Maßnahmen der Notenbanken und der Höhe der Rekapitalisierung wird in der Analyse signifikant bezeichnet. Das bedeutet wenig überraschend, dass die EZB mit Ihrer Geldpolitik die nicht funktionierenden Transmissionskanäle weder effektiv herstellen noch ersetzen kann.

Keine Kleinstaaterei

Historisch bedingt sind in Europa Banken zumeist als Universalbanken tätig, während bis 1999 in den USA ein Trennbankensystem vorgeschrieben war. Die Trennung von Investment- und Geschäftsbanken sollte die Einlagen bei Geschäftsbanken vor Risiken aus anderen Geschäftszweigen schützen. Nach der letzten Finanzkrise wurden die noch vorhandenen Investmentbanken von Universalbanken übernommen oder wandelten sich in eine Universalbank um. Die Fokussierung auf das reine Investmentgeschäft wurde damit beendet, die Expertise und die Marktanteile blieben jedoch erhalten.

Mehr noch: Die US-Banken konnten die Krise nutzen, um die weltweiten Marktanteile beim Investmentbanking auszubauen. Dieses Geschäft ist weiterhin hoch profitabel und trägt seinen Anteil an der Ertragskraft der US-Institute bei. In Europa wurden zur gleichen Zeit mögliche Vorzüge eines Trennbankensystems diskutiert. Diese Debatte hatte einen Anteil an der Reduktion des Investmentgeschäftes – ebenso wie strengere Vorschriften für den Eigenhandel und schärfere Kapitalanforderungen – von europäischen Instituten, die bis dato im Wettbewerb mit den amerikanischen Großbanken standen. In der Folge ist der Marktanteil europäischen Banken am heimischen Investmentgeschäft in den letzten zehn Jahren um die Hälfte gesunken, während die US-Banken gleichzeitig ihre Aktivitäten im europäischen Markt signifikant erhöht haben und heute bereits über 40 Prozent dieses Geschäfts in Europa abdecken.

US-Berichtssaison: US-Banken machen Milliardengewinn

Was haben wir also in Europa falsch gemacht, aber vor allem, was sollten und können wir heute noch ändern? Die Rigorosität und Schnelligkeit der USA nach der Lehman-Pleite mit dem Umgang der Krise ist sicherlich eine Lehre für die Zukunft. Ein Blick zurück hilft uns aber für den Umgang mit den heutigen Herausforderungen nur bedingt. Damit die europäischen Banken im Wettbewerb bei den Investoren wie auch Kunden nicht noch weiter an Boden verlieren, sollten sich die Vertreter von Aufsicht, Kreditwirtschaft und Politik gemeinsam zu einem wettbewerbsfähigen und eigenständigen Bankensektor in Europa bekennen, der in seinen Strukturen denen der europäischen Realwirtschaft entspricht.

Europäische Banken haben spät auf die Digitalisierung reagiert

Ein solcher Konsens ist wichtig für die Abschlussarbeiten des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht am Regulierungspaket Basel III. In Basel wird gerade die Zukunft der Bankenregulierung geprägt, das Schlagwort "Basel IV" erfasst die Arbeit präziser als "Abschlussarbeiten". Die aktuellen Entwürfe des Baseler Ausschusses zu Risikomodellen und Kapitalanforderungen lassen nichts Gutes für Europas Banken erwarten, zum Beispiel drohen dem klassischen Kreditgeschäft zusätzliche Kapitalanforderungen.

Der Kredit von der Bank ist aber das verbreitetste Mittel der Unternehmensfinanzierung in Europa. Höhere Eigenkapitalanforderungen verknappen Kredite für die europäische Wirtschaft. Die europäischen Mitglieder am Baseler Ausschuss sollten den Mut aufbringen, sich für die Geschäftsmodelle der Banken Europas einzusetzen, so wie es die amerikanischen Vertreter in Basel für die US-Institute handhaben. In Europa selbst sollten Regulierungsmaßnahmen darauf geprüft werden, inwieweit sie die Funktions- und Wettbewerbsfähigkeit der Kreditwirtschaft beeinträchtigen. Regulierung darf nicht zum Selbstzweck werden, sie sollte stattdessen mit Augenmaß der Stabilität des Finanzsystems dienen.

Deutschland scheint aktuell das Brennglas für die Schwäche des europäischen Bankensektors zu sein. Was muss geschehen, damit sich die Lage stabilisiert und eine mittelfristige Besserung möglich wird?
von Stefan Bielmeier

Aber natürlich haben auch die Banken in Europa und Deutschland noch eigene Hausaufgaben zu erledigen. Spät hat unsere Branche die Herausforderungen der Digitalisierung angenommen. Nun muss konsequent in digitalisierte Geschäftsmodelle und IT-Infrastruktur investiert werden, innovative Talente und unkonventionelle Ideen benötigen Freiraum in der Kreditwirtschaft. Neue Erträge im Bankgeschäft werden künftig noch stärker von Innovationen abhängen.

Eine zentrale Lehre aus dem Vergleich zwischen den US-amerikanischen und europäischen Banken lautet aber schließlich, gerade in Zeiten, in denen Europa sich neu erfinden muss: Mehr einheitliches Vorgehen, keine Kleinstaaterei. Dann werden die europäischen Banken den Vergleich mit den USA nicht scheuen müssen.

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