




Wir schreiben das Jahr 2015, ganz Europa wird von niedrigen Zinsen beherrscht, doch die kleinen Volksbanken wagen es, Widerstand zu leisten. Eine solche Geschichte ist zu schön, um wahr zu sein.
Denn statt Widerstand zu leisten, geben immer mehr der regional verstreuten Minibanken auf, suchen Schutz im Zusammenschluss mit größeren Nachbarinstituten oder stellen ihren Betrieb ein. Zu stark ist die Zange aus niedrigen Zinsen und strengeren Bankenregeln, die ausgerechnet bei denen am stärksten kneift, die am wenigsten zu der prekären Situation auf den Finanzmärkten beigetragen haben. Die niedrigen Leitzinsen der Europäischen Zentralbank und die strengeren Sicherheitsvorschriften für das Bankgeschäft sind Folge der Finanz- und Staatsschuldenkrise, deren Verursachung nun wirklich nicht zum Hauptgeschäftsfeld einer dörflichen Volksbank zählte. Ganz ohne Verbindung zu den Großkrisen ist natürlich auch der genossenschaftliche Finanzsektor nicht. So muss die DZ Bank als Zentralinstitut der Volks- und Raiffeisenbanken ihr Haftungspolster aufstocken, um Finanzkrisenverluste zu absorbieren und höhere Kapitalquoten einzuhalten.
Doch die Minibanken in Dörfern wie Eppertshausen in der südhessischen Provinz sind weit weg vom globalen Kapitalmarkt. Sie sehen sich nun als Kollateralschaden der Finanzmarktregulierung und des billigen Geldes. 2013 war die WiWo bei den Dorfbankern in Eppertshausen zu Besuch, die Probleme der Volksbanken zeichneten sich damals schon ab. „Zehn bis 15 Jahre sollten wir auf jeden Fall noch schaffen“, lautete damals die trotzige Parole. Doch jetzt, nur zwei Jahre später, will die Volksbank Eppertshausen mit der größeren Nachbarbank VBB Maingau fusionieren. Anders lässt sich ihr Überleben nicht sichern.
Wie der Volksbank Eppertshausen ergeht es vielen Instituten des genossenschaftlichen Verbands. Pro Jahr schlüpfen etwa 20 von ihnen bei stärkeren Mitgliedsinstituten unter und verlieren dadurch ihre Eigenständigkeit. Das Fusionstempo wird sich erhöhen. So rechnet der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) mit 30 bis 40 Zusammenschlüssen im Jahr 2015. Noch gibt es mehr als 1000 selbständige Volks- und Raiffeisenbanken, deutlich mehr als die ebenfalls ortsverbundenen Sparkassen im Eigentum von Städten und Gemeinden, von denen es über 400 gibt.





Der Schrumpfprozess ist ein Umbruch für die Volksbank-Kunden, die an ihre eigene kleine Bank mit dem Namen ihres Heimatorts im Firmenschild gewohnt sind. Viele von ihnen sind Genossen, also Miteigentümer ihres Kreditinstituts und können bestimmen, ob es zur Fusion kommen soll oder nicht. Die lokalpatriotischen Mitgliederversammlungen geben oft erst grünes Licht zur Fusion, wenn es gar nicht mehr anders geht. 18 Millionen Deutsche sind Geldgenossen, ihre Zahl ist deutlich größer als die der privaten Aktionäre.
Im Zuge der Zusammenschlüsse verliert auch das ursprünglich dichte Filialnetz immer mehr Maschen: In den kommenden drei Jahren werden 10 bis 20 Prozent der Bankstellen schließen, schätzt der BVR. Nicht alle Kunden werden sich über die digitalen Kanäle erreichen lassen, die auch bei den Volksbanken ausgebaut werden. Denn wer in einem kleinen Ort lebt und daran gewöhnt war, auf dem Weg zum Bäcker schnell mal in seiner Bank vorbeizuschauen, möchte sich mit Onlinebanking nicht abspeisen lassen.
Die Minibanken wie in Eppertshausen kümmern sich um das Geld des Dorfes. Dieser Merksatz stammt aus dem 19 Jahrhundert, als sich klamme Landwirte zu Kreditgenossenschaften zusammenschlossen, um in der Gruppe ihre Bonität zu erhöhen. Als Einzelkämpfer hätten sie nur Geld zu Wucherzinsen von privaten Kredithaien bekommen. Heute mag man über die Kleinbanken in den verschlafenen Ortschaften lächeln, doch das Prinzip zur Selbsthilfe hat zwei Weltkriege, die Inflation der 30-Jahre und die Währungsreform der Nachkriegszeit überlebt. Dieses biedere Erfolgsmodell droht, zum Auslaufmodell zu werden.
Wie das aussieht, lässt sich quasi unter der Lupe im Eppertshausener Mikrokosmos beobachten. Hier bleibt zumindest das Bankgebäude im Ort erhalten, die knapp 30 Mitarbeiter bekommen einen Kündigungsschutz über drei Jahre. Allerdings müssen die Beschäftigten ohne Kundenkontakte künftig in der Zentrale der VBB Maingau weiterarbeiten. Die frei werdende Etage im Bankgebäude in Eppertshausen wird untervermietet. „Das gallische Dorf hat keine Wahl. Wenn wir nicht fusionieren, werden wir fusioniert“, sagt ein Insider. Filialen werden nach der Volksbankenfusion in Eppertshausen aber erstmal keine dichtmachen. Die Bank hat schließlich nur eine einzige Filiale.