Vorstandsumbau und Sanierung Die verspätete Heimkehr der Deutschen Bank

Vorstandschef Christian Sewing baut die Deutsche Bank radikal um – wird er sie retten können? Quelle: dpa

Vorstandschef Christian Sewing macht das Institut einfacher, deutscher, kundenfokussierter. Es ist ein letzter Versuch der Reanimation – aber noch keine Rettung.

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Auf den ersten Blick wirkt alles wie immer. Die Führung der Deutschen Bank wechselt eine Reihe von Vorständen aus – mal wieder. Sie gliedert Abteilungen um, die sie teilweise erst wenige Jahre zuvor in eine ganz andere Richtung umgegliedert hatte – mal wieder. Sie verschärft die Sparziele und trennt sich von einer großen Zahl von Mitarbeitern – mal wieder. Und der Chef erklärt, dass es nun aber wirklich endlich wieder aufwärts gehen wird – mal wieder.

Gebracht hat all das in der Vergangenheit wenig bis gar nichts. Der jetzige Umbau ist umfassender, doch die Zäsur liegt vor allem in der Wucht von Zahlen und Personalien. Die Deutsche Bank zieht sich aus dem weltweiten Aktienhandelsgeschäft zurück. 7,4 Milliarden Euro will sich die Deutsche Bank die Sanierung bis 2022 kosten lassen. Sie will dafür ohne frisches Kapital ausgekommen. Der Teufel steckt freilich im Detail: Die Aktionäre müssen wohl zwei Jahre lang auf ihre Dividende verzichten.

18.000 Mitarbeiter müssen gehen. Auch drei Vorstände trifft es: Neben dem obersten Investmentbanker Garth Ritchie, dessen Abgang seit Freitag feststeht, gehen Compliance-Vorständin Sylvie Matherat und Privatkundenvorstand Frank Strauß. Der spektakulärste unter den drei Neuzugängen im Vorstand ist Bernd Leukert, zuletzt Technikvorstand beim Softwarekonzern SAP. Leukert soll der im hauseigenen IT-Wust gefangenen Bank Kompetenz in Sachen „Digitalisierung, Daten und Innovation“ beibringen.

Doch ob diese Rochade Energie für eine echte Wende freisetzt, darf bezweifelt werden. So zieht die Deutsche Bank unterhalb des Vorstands eine operative Management-Ebene ein, ein neunköpfiges „Group Management Committee“. Ein ähnliches Konstrukt hatte Sewing-Vorgänger John Cryan vor wenigen Jahren erst abgeschafft.

Die nun verkündeten Umbauten markieren das offizielle Ende einer Ära, die tatsächlich schon seit Jahren vorbei ist. Symbolisch dafür steht der Abgang Ritchies. Der Südafrikaner war in der Führung der Bank der letzte, der aus der Zeit des langjährigen Superstars Anshu Jain in die Gegenwart hineinragte. Sein Abschied läutet einen drastischen Rückbau an der Wall Street und in London ein und markiert damit das Ende der Sehnsucht nach globaler Geltung.

Mit radikalen Einschnitten will Deutsche-Bank-Chef Sewing die Durststrecke beenden. Vor allem das Kapitalmarktgeschäft wird zurechtgestutzt.

Die hat die Deutsche Bank teuer bezahlt. Um mit den großen US-Banken auf dem Weltmarkt mithalten zu können, investierte sie Unsummen und kaufte sich damit – typisch Emporkömmling – vor allem falsche Freunde ein. Große Teile der Truppe in den Handelssälen verband nicht mehr mit ihrem Arbeitgeber als der Gehaltsscheck. In der Folge brockten sie ihm jede Menge Ärger und Milliardenstrafen ein.

Die Wut auf die mit Millionenboni gepäppelte Startruppe ist in der Bank ungebrochen. Angesichts der bis zuletzt üppigen Gehälter ist sogar von Untreue die Rede. Und altgediente Deutschbanker fragen sich zum wiederholten Mal, wo ihr Arbeitgeber heute wohl stünde, wenn sich vor 15 oder 20 Jahren die interne Opposition gegen die Expansion ins Kapitalmarktgeschäft durchgesetzt hätte. Vorangetrieben hatten sie die früheren Chefs Rolf Breuer und Josef Ackermann.

Sewings Programm wirkt nun so, als wolle er an diese Kreuzung zurück und den Weg einschlagen, den die Bank damals nicht gegangen ist. Sewing selbst wird pathetisch: „Indem wir die Bank wieder voll und ganz auf ihre Kunden ausrichten, kehren wir zu unseren Wurzeln zurück“.

Das zeigt schon sein Personaltableau. Als Anshu Jain vor sieben Jahren die Führung der Bank übernahm, platzierte er an deren wichtigsten Stellen seine engsten Vertrauten – fast alle Investmentbanker mit internationalem Hintergrund und Karriere. Durch die Machtübernahme von „Anshu’s Army“ sei die Deutsche Bank nun endgültig keine deutsche Bank mehr, hieß es seinerzeit in Frankfurt.

Unter Sewing erfolgt nun die Komplettwende. Mit ihr hat auch Sewing alle Schlüsselpositionen mit engsten Gefolgsleuten besetzt. Die Folge: Die Deutsche Bank ist von nun an so deutsch, wie sie seit 30 Jahren nicht mehr war.

Es macht sie aber auch grundlegend anders. Denn es ist ein anderer Typ Manager, der nun das Sagen hat. Hochrangige Ex-Banker mögen darüber spötteln, dass vor ein paar Jahren kein Mitglied der aktuellen Führung auch nur minimale Chancen auf einen Topjob gehabt hätte. Tatsächlich besteht der Vorstand nun im Wesentlichen nicht aus auf Eliteunis hochgezüchteten Überfliegern, sondern aus Fachkräften, die sich hochgearbeitet haben und vor allem durch Ausdauer auszeichnen.

Sewing, seit April 2018 Vorstandschef, mag Fußball und Tennis. Dass er sich wie einst Josef Ackermann mit eigenen Vorschlägen in die Politik einmischt, ist undenkbar. Seine Berufung auf den Chefposten verdankt er ebenso persönlichen wie fachlichen Qualitäten – etwa der Identifikation mit der Bank und dem unbedingten Willen, sie irgendwie wieder auf Kurs zu bringen.

Bei anderen Topmanagern sieht das ähnlich aus. In diese Reihe hätte eigentlich auch Privatkundenvorstand Frank Strauß gepasst. Dass er nun ebenfalls gehen muss, soll an einem persönlichen Zerwürfnis mit Sewing liegen. Dass er Strauß, der vor kurzem noch mit ihm gemeinsam eine Sparte führte, nun ebenfalls abserviert, zeigt, dass der Ostwestfale vielleicht nicht zu allem, aber zu vielem entschlossen ist.

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Die Manager stehen für den Versuch einer späten Heimkehr. Die Bank soll ein Finanzbegleiter für deutsche Privatkunden, europäische Unternehmen und globale Superreiche werden. Ganz besonders in den Fokus nimmt sie die großen Unternehmen.

Ob sie das aus der Misere holt, ist alles andere als sicher. In all diesen Segmenten ist der Wettbewerb gerade auf dem Heimatmarkt gewaltig, die Rahmenbedingungen sind alles andere als günstig und werden in nächster Zeit eher schlechter als besser. Wer Erfolg vor allem an Sparzielen misst, droht zudem die Zukunft aus dem Auge zu verlieren.

Das wäre fatal. Denn in kaum einer anderen Branche sind die technologischen Umbrüche so gewaltig wie bei den Banken. Dem will Sewing mit der Personalie Leukert offenbar begegnen. Mit von Jahren des Niedergangs ermattetem Personal lässt sich der Aufbruch aber nur schwer gestalten. Dass einige in der Bank hinter dem Programm vor allem die Handschrift des an ihr beteiligten Investors Cerberus erkennen wollen, stärkt das Vertrauen nicht.

Dieses könnte wieder wachsen, wenn es perspektivisch noch eine weitere Veränderung an der Spitze gibt. Denn in Paul Achleitner ist ein Repräsentant des alten Weges immer noch da. Immer wieder hatte der Aufsichtsratschef erklärt, dass die Bank kein Strategie-, sondern ein Umsetzungsproblem habe.

Und sein Mantra von der globalen Investmentbank aus Europa sang Achleitner auch dann noch, als dies längst so passend klang wie ein Karnevalsschlager auf einer Beerdigung.

Genau die will Sewing mit seiner Rettungsaktion schließlich verhindern.

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