Werner knallhart
Eine Sparkassenkundin wollte in Formularen als

Kundin darf weiter "Kunde" genannt werden. Das ist fair.

Eine Frau wollte, dass die Sparkasse sie als "Kundin" anredet. Der BGH hat sie damit abblitzen lassen. Das ist vernünftig und modern, weil fair. Denn auch Männer müssen in diesem Fall sprachlich zurückstecken.

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Frauen müssen in Formularen nicht in weiblicher Form angesprochen werden. Denn die einheitliche Kollektivansprache in der männlichen Form verstößt nicht gegen das Gleichstellungsgesetz. Sagt der Bundesgerichtshof. Und zeigt sich damit nicht nur pragmatisch, sondern der Zukunft zugewandt.

Die 80-jährige Klägerin Marlies Krämer sagt: „Sprache ist der Schlüssel zur Gleichberechtigung.“ Damit hat auch sie Recht. Allerdings funktioniert Gleichberechtigung in Formularen auch ohne die weibliche Anrede. Sondern gerade ohne sie.

Und zwar, indem man sich klarmacht, dass Wörter letztendlich jene Bedeutung haben, die wir ihnen zuteilen. Ich meine Folgendes: Der Fall mit der Anrede in Formularen unterscheidet sich sehr von anderen Initiativen, mit denen Frau Krämer in den vergangenen Jahren in Sachen Gleichberechtigung von Mann und Frau unsere Gesellschaft zum Umdenken gebracht hat. So hat sie einst Unterschriften gesammelt für weibliche Namen für Wetterhochs. Davor bekamen allein die Tiefs weibliche Namen. Völlig zurecht wurde das dank Frau Krämers Aktion geändert. Denn warum sollten mit schlechtem Sommerwetter immer nur Frauen assoziiert werden? Das war wirklich ein Macho-Überbleibsel in der Meteorologie aus Zeiten von Männern unter sich.

Anders als beim Vergeben von Namen verhält es sich allerdings, wenn an unserer Sprache herum modelliert werden soll. Zunächst einmal ist die deutsche Sprache nicht nach Geschlechtern gerecht aufgeteilt. Würde man sich nur lang genug hinein steigern, könnte man sich durchaus fragen, warum es DIE Milchstraße, DIE Sonne und DIE Erde heißt, aber nur DER Mond.  Warum sind unsere Galaxie, unser Stern und unser Planet weiblich und die Männer kriegen nur den popeligen Erdtrabanten? Warum heißt es DIE Sauberkeit, DIE Ordnung, DIE Hygiene, DIE Reinheit aber DER Dreck, DER Müll, DER Abfall, DER Schmutz, DER Staub? Es liegt nicht an einer Abwertung der Männer. Substantive, die auf e, -keit oder ung enden, sind meist weiblich. Fertig.

Andere Sprachen wie das Englische verzichten gleich auf eine Aufgliederung in zwei oder gar drei Geschlechter wie der, die und das und scheren alles über einen Kamm, ohne dass man das Gefühl hätte, das wäre unangemessen gleichmacherisch.

Das Deutsche wie auch das Französische und Spanische kann in der Benennung von Menschen zwischen den Geschlechtern unterscheiden. Allerdings muss man - völlig wertfrei - festhalten: Die weibliche Fassung entspringt im Deutschen aus heutiger Sicht meist der männlichen, und bekommt hinten ein Anhängsel dran. Die weibliche Fassung ist eine längere männliche.
der Fahrer, die Fahrerin
der Autor, die Autorin
der Kunde, die Kundin

Im Französischen etwa ist es ganz ähnlich:
le client, la cliente

Wenn wir ehrlich sind: Es ist kein richtiges eigenes weibliches Wort, sondern eben nur das gleiche Wort mit einer Verlängerung. So wie die kunterbunte Kinderfahrkarte im ICE, die das Personal an Bord verteilt, damit die Kleinen auch was Eigenes vorweisen können. Sehr zugespitzter Vergleich, das gebe ich zu. Aber er hinkt irgendwie nicht.

Nur in seltenen Fällen bekommen männliche und weibliche Fassung ein eigenes Wort. Nach Mann, Frau, Schwester, Bruder und so weiter kommt nicht mehr viel (außer im Tierreich mit Eber, Sau, Hahn, Henne und so).

Die kurze Fassung ist für alle da

Ganz unsprachwissenschaftlich betrachtet: Hätten die Deutschen erst gar nicht angefangen mit diesem weiblichen Anhängsel „-in“, dann wäre die kurze Fassung auch nicht die männliche, sondern die für beide Geschlechter.

Oder wie man heute ja sagen muss, weil man es dank der Medizin besser weiß: Die kurze Fassung wäre die aller Geschlechter, aller Identitäten.

Und das ist doch der Punkt: Wenn Männer und Frauen ihre eigene Ansprache auf Formularen haben wollen, obwohl seit Jahrtausenden die kurze Fassung als Kollektivbezeichnung für Männer und Frauen gilt, was sollen dann all diejenigen sagen, die weder Mann noch Frau sind? Sind die rechtlos, nur weil sie wenige sind?

Denn höchstrichterlich ist ja ebenfalls entschieden, dass es mehr gibt als nur Mann und Frau. Und nun? Es gibt eine Lösung. Ich komme zu meiner Bemerkung vom Anfang zurück. Wörter haben die Bedeutung, die wir ihnen zuteilen. Solange eine Definition unklar ist, taugt der Begriff nicht für eine klare Kommunikation. So etwas gibt es im Deutschen etwa beim Ausdruck „nächster Mittwoch“. Ist damit der kommende Mittwoch gemeint oder der Mittwoch nächster Woche, weil der Mittwoch dieser Woche ja „dieser“ Mittwoch wäre? Es hängt also davon ab, auf welche Bedeutung wir uns einigen.

Und nun müssen wir uns einfach nur wieder darauf besinnen, wie es eigentlich gedacht ist: Wird die verlängerte Form mit „-in“ nicht extra erwähnt, dann ist die kurze Form die für beide Geschlechter, ab jetzt eben für alle Geschlechter und Identitäten. Denn erstens strebt Sprache nach Einfachheit. Mittlerweile hört man „ich bin Friesenplatz“ nicht mehr nur aus dem Mund von pragmatischen Migranten, sondern auch von Muttersprachlern, weil es zwar grammatikalisch fragwürdig, aber zumindest kurz und dennoch klar ist. Auch ohne die Präposition „am“. Und wir sagen Desktop statt Schreibtischoberfläche, weil es zwar englisch, aber kompakt ist. Und die Fassung ohne „-in“ ist eben auch kürzer.

Zweitens! Zwar könnte man/frau jetzt einwenden: Super, da schlägt ein Mann vor, einfach die männliche Fassung zu verwenden und die Frauen damit sprachlich einzuverleiben. Aber sehen Sie es mal so: Die Männer geben ihr schönes, exklusives Recht an ihrer im Vergleich zur weiblichen viel schnittigeren Ansprache auf und öffnen sie für die Frauen. Zugunsten knackigerer Ansprachen auf Formularen, in Gruppen-E-Mails und in Ansprachen gegenüber Männern, Frauen und anderen Identitäten. Die Frauen verzichten in Einheitsansprachen auf ihre exklusive Ansprache mit „-in“, die Männer verzichten auf ihr Exklusivrecht auf die kompakten Wortstämme und beide Geschlechter öffnen sich sprachlich allen. Damit wir nicht in Konsequenz für jede Identität neue Begriffe benötigen, was dann nämlich nur fair wäre.

Die kurze Fassung ist eben für alle da. Männer und Frauen, lebt doch einfach damit. Das ist die Zukunft.

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